Bis gestern abend wusste ich nicht so recht, worüber ich heute bloggen würde, aber dann sah ich eine weitere Episode Game of Thrones, und wieder kam in mir der Wunsch auf, in so einem tollen Setting rollenzuspielen. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass alle unsere bisherigen Versuche, Settings zu bespielen oder so aufzubauen, wie man sie aus Film und Literatur kennt, gescheitert sind. Ist das so? Muss das so sein? Wenn ja, warum?
Vielleicht nicht in jedem Fall, aber ich glaube, ihr werdet mir zustimmen, dass die Voraussetzungen für ein Setting sehr unterschiedliche sind, je nachdem, ob man darin rollenspielen möchte oder es als Kulisse für vorgegebene Geschichten verwenden will.
Komplexität und Größe. Die Seven Kingdoms zum Beispiel wären für mich, so faszinierend sie in Buch und TV rüberkommen, als Rollenspieler eine glatte Überforderung. Hat jemand all die Wappen und Familienstrukturen aus dem Appendix im Kopf? Kann jeder die Orte gleich zuordnen und weiß, wer da gerade von wessen Gnaden herrscht? Ich könnte so etwas nur mit vorgegebenem oder penibel vorbereitetem Material spielen oder – was nicht Sinn der Sache ist – generisch und allgemein halten, um nirgendwo anzuecken.
Legendentum. Legend of The Seeker ist für mich ein anderes Beispiel. Eine Welt, die so stark um eine Prophezeiung herum aufgebaut ist, und in der immer nur eine Person der Erlöser sein kann, ist für mich zumindest als Spieler frustrierend. Ich weiß genau, ich könnte als Spielercharakter Richard und Kahlan nie das Wasser reichen, ebenso wie Raistlin und Tasslehoff und Luke und Han Solo unantastbar sind.
Thema. Settings mit zu abgedrehter oder zu dominanter Thematik – so etwas wie alle paar Stunden fällt giftiger Regen, Häuser versinken á la Dark City oder Menschen werden von Dämonen beschworen und verschwinden (plopp!) unerwartet – solche Settings entfachen anfangs unglaubliche Faszination, aber nach ein paar Mal Spielen kommt man oft drauf, dass sich darin viele Ideen einfach nicht umsetzen lassen. Keine Frage, Originalität ist wichtig, sie hält das Genre am Leben, aber mein Ansatz ist immer der gewesen, solche Dinge überlegt und wohldosiert einzusetzen. Zumindest, wenn man das Setting nicht nur verkaufen will, sondern anstrebt, dass es die Leute lange Zeit verwenden können.
Details. Im Detail steckt oft der Teufel. Zum Beispiel haben in nicht wenigen Fantasy-Romanen Heilzauber, Heiltränke und Wiederweckungen ihren festen Platz. Hat sich aber schon einmal jemand überlegt, wozu eine Inflation mit diesen Elementen führt? Man müsste alle Gegner nach dem Kampf zerstückeln, um sicher zu gehen, dass sie nicht wieder aufstehen. Plots wie “Attentat auf den König” werden auch plötzlich sinnlos, denn der König hat bestimmt in seinem Nachtkästchen einen Heiltrank oder einen Priester für solche Fälle. Details, die in Geschichten entweder nicht auffallen oder kasuistisch erklärt werden können, aber einer gewieften Rollenspielgruppe sehr bald negativ aufstoßen.
Ausnahmen bestätigen gewiss die Regel, aber die Regel, so meine ich, lautet: Romanwelten als Settingvorlage funktionieren nicht. Behaupte ich mal und freue mich, falls mich jemand mit Gegenbeispielen eines Besseren zu belehren weiß.
Ich bin mir da nicht so sicher, es gibt immerhin verdammt viele Lizenzierte RPG’s. Meine persönliche Preferenz ist aber auch eine richtige RPG-Welt aber primär weil es bei Romanen/Filmen/Serien schon Welten-definierende Hauptakteure gibt und es schwer wird diese für die Spieler in den Hintergrund zu rücken.
Ja, Romanwelten zu spielen dürfte allgemein sehr schwer sein. Es mag einzelne Ausnahmen, bei denen das geht. Was ich aber noch viel eklatanter finde: Ein Roman und seine Handlung beziehen ihre Spannung und das Fesselnde oft auch aus der Handlung selbst. Ohne die wäre die Welt wahrscheinlich nur halb so toll oder total blöd. Und sich auf so eine Handlung zu beziehen ist kaum möglich. Wenn sie nebenher läuft wird die Gruppe automatisch zum Nebendarsteller oder die Handlung ist soweit weg, dass sie kaum noch eine Rolle spielt. Direkt mit der Handlung interagieren ist nicht möglich, da es die Handlung kaputt machen würde oder man sich auf eine fette Railroad begibt. Romangeschichte basieren ja immer darauf, dass Ergebnisse fast jeder Handlung eines NSC auf die eines anderen abgestimmt sind. Darum stellen sich bei mir bei der aussage “Romane als Rollenspielvorlage” immer die Nackenhaare.
Ich hatte mal Erfolg bei der Umsetzung der Kalevala, okay jetzt nicht der klassiche Roman aber es war eine echt gelungene Kampagne und grad auch bei Deadlands hatten wir einige Western(filme) die ich verwendet habe. Ich denke die schwierigkeit ist das in einem Film Handlungselemente vorgegeben sind und man ins schleudert kommt wenn die Spieler diese verlassen oder die Spieler frustriert werden wenn sie das nicht dürfen.
Man kann die Settings auch als Chance sehen nicht etwas nachzuspielen, sondern etwas ganz eigenes daraus zu machen. Was wäre wenn…
… Eddard Stark nicht die Rechte Hand des Königs wird sondern in Winterfell bleibt.
… die Spielercharakatere auf der Galactica Zylonen spielen und das Schiff versuchen zu zerstören.
… das Imperium gewonnen hat und die Spieler als Eliteeinheit die letzten Jedis jagen.
Ausgearbeitete Settings können auch Spielplätze sein :-]
“Romanwelten als Setting für was?”, wäre vielleicht noch eine nicht ganz unwichtige Frage. Das Game of Thrones Rollenspiel funktioniert zum Beispiel gerade deshalb ganz gut, weil es nicht versucht, eine Bühne für S&S-Fantasy anzubieten, sondern das Dynastien-Intrigen-Bla der Bücher als Gesamtpaket umzusetzen. (Da sind dann auch Größe der Welt und Informationsdichte nicht mehr sonderlich problematisch, weil die unmittelbaren Nachbarn in der Regel viel interessanter sind als das Wappen von irgendwem, der fünf Monate die Kings Road runter wohnt. 😉 )
Oder anders: Ich glaube, die meisten deiner Beispiele sind nicht auf ihr Setting reduzierbar oder die Probleme darauf zurück zu führen. Zumindest “Legendentum” und “Thema” wären eigene Fragen. (Und das mit dem Nachspielen sowieso.)
Hmm – bei Herr der Ringe hat es nicht nur zur Settingvorlage sondern sogar zur Genrevorlage gereicht 🙂
Also ich muss sagen, dass wir eine wirklich gute Kampagne in Westeros gespielt haben, wo wir die Hintergrundwelt und den Metaplot immer mal wieder gestreift haben. Aber Geschichte drehte sich defenitiv um die Charaktere meiner Spieler, und da war ich dann auch nicht zimperlich wenn es Dinge gab, die bei George nicht so zu unserer Kampagne passten. Da habe ich dann ohne schlechtes Gewissen gestrichen und/oder geändert. Die zentralen Themen der Romanvorlage (Schlachten, Intrigen, Ritterlichlkeit in all seinen Ausprägungen) haben wir, so denke, dann auch ganz gut eingefangen.
Ich glaube, es hängt stark vom Roman ab, ob und wie man ihn im Rollenspiel umsetzen kann. Romane, die in erster Linie vom Protagonisten leben, dürften sich gar nicht eignen, da kann man bestenfalls einzelne Monster, Ereignisse, Zauber, Gegenstände oder ähnliches übernehmen.
Romane, die auch von der beschriebenen Welt leben, lassen sich hingegen als Hintergrund für ein Rollenspiel umsetzen. Hier muss man halt bedenken, den Flair des Romans einzufangen und rollenspieltauglich zu erweitern bzw. zu beschneiden.
Im Spiel muss ich z.B. ja nicht alle Wappen und Verzweigungen der Adeligen wissen, sondern nur die, mit denen ich näher zu tun habe – für den Rest gibt es die Fertigkeit “Heraldik”. In der Regel dürfte nämlich der Kleinadel entfernter Provinzen vollkommen egal sein – man hat entweder mit dem Kleinadel der eigenen Provinz zu tun, und, wenn man mächtiger ist, mit dem Hochadel entfernter Provinzen. Diese Reduktion wenden wir auch an, wenn wir die wirkliche Welt als Hintergrund nehmen.
Welche Romane basieren denn nicht auf ihren Protagonisten? Sind ja die HAUPTdarsteller. Ist nicht als ketzerische Frage gemeint, ich kenn wirklich einfach keinen. Wenn du mir einen (möglichst bekannten) nennen kannst.
HdR würde ich als solches nicht dazu zählen, da die Romane selbst eben die Geschichte der Hauptcharaktere erzählen. Mit der Zeit wurde das alles woeit ausgeschmückt und ausgealzt und JRR Tolkien hat sicher auch mit Beiwerken dazu beigetragen dass es zu einer Welt wurde, die uaf dne Romanen basiert. aber nur mit Romanen komtm man da einfach nicht hin.
Daniel schrieb: Man kann die Settings auch als Chance sehen nicht etwas nachzuspielen, sondern etwas ganz eigenes daraus zu machen. Was wäre wenn…
Ganz genau! Mein Lieblingsbeispiel ist eine Herr der Ringe-Kampagne, in die der SL mit einer “alles ist möglich”-Attitüde herangeht. “Ok, ihr seid die Erwählten des Rates von Elrond, aber es sind eure Charaktere, nicht die bekannten Neun” (die es gar nicht gibt…?). (Oder noch eher eingesetzt: “Der Ring fällt in eure Hände, was tut ihr?”)
Die bekannten Figuren – Elrond, Galadriel, Saruman, usw. – haben andere Wesenszüge, sind den Spielern (und den Charakteren) also unbekannt.
Saruman der Vorsitz des Weißen Rates?
Galadriel mit begehrlichem Blick Richtung Ring?
Alles ist möglich!
Oder: welchen Einfluss hat es auf ein Setting, wenn man ein bestimmtes Regelsystem wählt? Mittelerde mit D&D (Spruchmemorisierung) wird etwas anders aussehen als mit Midgard oder RuneQuest.