Okay, vielleicht habe ich zu viele Motivations-Bücher gelesen, aber ich bin überzeugt davon, dass ein Projekt, und nichts anderes ist die Entwicklung eines Rollenspiels, nur gelingen kann, wenn der Designer auch weiß, wohin er damit will.
Ich behaupte das deshalb, weil ich es selbst Jahre lang falsch gemacht habe. Ich begann mit meinen ersten Entwürfen aus der Absicht heraus, ein mir lieb gewonnenes System mit drei Buchstaben (hüstel) abzulösen, weil es einfach viele Nachteile hatte, mit denen ich nicht mehr leben, ähm: spielen wollte. Vielleicht galt es auch zu beweisen, dass mir solche Fehler beim Entwickeln nicht passieren würden. Har, har.
Eine erste Lektion in Sachen Vision lernte ich, als ich das System (damals noch mit dem Arbeitstitel “Portal”) mit meinem alten Freund Felix zu entwickeln begann. Wir beide kamen aus derselben rollenspielerischen Ecke, er lehrte mich spielleiten und rollenspielen, und er war (und ist) ein Ausbund an kreativen Ideen. Gute Voraussetzungen, sollte man glauben. Das Problem war nur, dass wir dauernd faule Kompromisse schließen mussten. Ich verkündete Felix also schweren Herzens, dass sich unser beider Wege entwicklungs-technisch trennen würden, und werkte fortan als Einzelkämpfer.
Trotzdem hatte ich noch keine richtige Vision. Ich dachte, ich hätte eine, aber so war’s nicht. Also verbesserte ich Jahre lang unser, nunmehr: mein System, nur um am Ende drauf zu kommen, dass ich eigentlich dort gelandet war, wo ich angefangen hatte: bei einer besseren Variante des Systems mit den drei Buchstaben. “Heartbreaker! Pfui!”, hörte ich die Menschen da draußen schon rufen und musste mir eingestehen, dass die Qualität, die mein System zweifellos hatte, wohl nie gewürdigt werden würde. So ist das Leben nun einmal.
Spät, aber doch, begann ich umzudenken. Ich wusste, dass das optimale System für mich nicht das optimale System für die Menschen da draußen sein würde. Schluss also mit dem Ego-Trip – nun begann der Dienst an der Menschheit! Ich las Bücher über Visionen und Alleinstellungsmerkmale und verwendete viel Zeit darauf, mir zu überlegen, was ich denn eigentlich erreichen wollte.
Kaum folgte ich meiner Vision (nachzulesen auf aceofdice.com), entwickelte sich mein System viel schneller und reichhaltiger. Eines fügte sich wie magisch ins andere. Und es war auf einmal viel leichter, all die Stimmen von außen – wohlmeinende Freunde, über-analytische Testspieler, unsensible Forenschreiber – konstruktiver zu verwerten. Während ich zuvor dazu tendiert hatte, es wirklich jedem Recht machen zu wollen, nahm ich nun Feedback nur noch dann an, wenn es nicht im Widerspruch mit meiner Vision stand.
Ich erkannte, dass es eben nicht darauf ankommt, das perfekte System zu schaffen, sondern darauf, eine Vision zu haben. Und ihr treu zu bleiben.