SCs haben die Angewohnheit, mit zunehmender Erfahrung besser zu werden. Die Gegner wiederum werden entweder mehr oder besser oder beides. Ist es also systemimmanent, dass man als SL im Laufe einer Campaign immer mehr und stärkere Gegner aus dem Hut zaubern muss, um einen gleichbleibenden Level an Gefährlichkeit zu erhalten? In D&D & Co. ist das gewollt, aber in nicht-Monster-zentrierten down-to-earth-Settings habe ich als SL bald das Problem, dass ich die Kampfgefahr über die Quantität der Gegner steuern oder tief in die Trickkiste greifen muss (schlauere Gegner, anspruchsvolles Terrain o.ä.). Auch das ist okay, aber als Standard wird es irgendwann unglaubwürdig. Ich suche also nach einem eleganten Weg, die Gefährlichkeit zu steuern.
Im Spiel alten Stils löste ich das (wie vermutlich viele andere auch), indem ich den zeitlichen Kontext des Abenteuers verengte: Wenige Nachtruhen = weniger Regeneration = weniger Ressourcen für den Endkampf => weniger Anforderungen an den Endgegner. So konnte auf den doppelköpfigen, unsichtbaren Basiliskenoger verzichtet werden und weiterhin ein fieser Händler und sein bewaffneter Bruder als Endgegner herhalten.
Im narrativen Spiel spüre ich die Kehrseite dieses Effekts, denn ich muss die Timeline meines Abenteuers an das Potenzial der SCs anpassen. Die Sidequest, mal schnell im Keller des Wirts den Grauen Malmer zu beseitigen, ist nicht kompatibel mit dem geplanten Einfall der dunklen Reiter am nächsten Morgen. Als Geschichten erzählender SL bin ich also wieder ein Sklave der SC-Ressourcen. Viele neue Systeme abstrahieren daher die KON zu einem Mix aus Wunden und Erschöpfung und lassen großzügig regenerieren bzw. bedienen sich einer Meta-Ebene, über die öfters (z.B. alle x Encounter, vgl. D&D, Dragon Age) regeneriert wird. Auch in Destiny habe ich mit der Szenenregeneration einen solchen Weg gewählt, weil ich damit den erzählerischen Fluss unterstützen will. Old-School ist das natürlich nicht, und in der Tat werden plötzlich Encounter mit 3 Goblins oder einem Rudel Wölfe völlig uninteressant, denn überleben werden das die 10.-stufigen SCs wohl allemal. Der Effekt von seinerzeit, durch diese kleinen Kämpfe die Spieler aufzulockern und gleichzeitig Ressourcen anzuknabbern, fällt infolge der “modernen” Meta-Regeneration völlig flach.
Als (vorläufiges) Fazit könnte man daraus lernen, dass man sich, sowohl als SL als auch als Systemdesigner, gut überlegen sollte, was man mit seinem Abenteuer/System erreichen möchte, denn beides – Gefährlichkeit alten Stils und erzählerischer Fluss – sind in diesem Punkt nicht leicht zu vereinbaren.
In meinen Systemen habe ich das so gemacht das HP’s zwar nach einem Encounter Regenerieren, dafür aber extrem gering sind, so dass jeder Kampf spannend, schnell und taktisch (Überraschung, Fallen, etc. wirken sich stark aus) ist.
Bei manchen Systemen (ich denke so an Savage Worlds) sind extreme Würfe häufig genug, dass auch ein scheinbar harmloser Kampf gefährlich werden kann. Wir haben jedenfalls schonmal einen Char gegen 3 Straßendiebe verloren die uns eigentlich weit unterlegen waren. Dazu kommt noch dass man in Savage Worlds zwar besser wird, aber nicht so deutlich wie z.B. in DnD.
Als Klassiker gegen bei erfahreneren Helden können auch Gegner herhalten, die über ausreichend Rückendeckung verfügen dass man sie einfach nicht direkt angreifen kann. Die Spieler müssen dann versuchen einen anderen Weg zu finden um den Gegner zu Fall zu bringen als hingehen und draufhauen, was meiner Erfahrung nach oft erzählerisch interessanter ist.
In John Wicks Buch “Play Dirty” wird schön beschrieben, wie man aus Stärken, Powers und mächtige Gegenstände Herausforderungen für die Spieler macht, wie man sie quasi gegen sie dreht. Das wird hauptsächlich über die Story gespielt, man verknüpft den Einsatz gewisser Kräfte mit einem welt-immanenten Dilemma.