Als ich mit Destiny Space anfing, sagten einige: “Ist doch sicher kein Problem. Ersetze Magie einfach durch Technik, und du kannst Destiny genauso auch im Weltraum spielen.” Ich hatte da so meine Zweifel und habe mir in den letzten Wochen oft die Frage gestellt, worin sich SF grundlegend von Fantasy unterscheidet. Ich meine nicht Mechanismen für Schiffskampf, Dauerfeuerwaffen und Generatoren für groteske Alienrassen, sondern wirklich grundlegend. Und ich glaube, ich bin fündig geworden.
Der Punkt, in dem SF für mich völlig anders als Fantasy funktioniert, ist die Dimension. In SF fliegt man an Planeten vorüber und erkundet nicht kleine Wäldchen auf der anderen Seite des Berges. Man schleicht sich nicht in Ritterburgen ein und findet das, was man sucht, auch ohne jeden Plan, sondern man durchläuft hunderte Meter an Tunnels und Schächten in riesigen Installationen. Man hat es auch nicht mit dem bösen Alchemisten zu tun, der mit Puff-Pulver den Dorfältesten außer Gefecht setzt, sondern mit gigantischen Waffen, die ganze Raumstationen, ev. sogar Planeten, bedrohen. Kurz gesagt, in Science Fiction ist (tendenziell) alles größer.
Sicher kann man über das eine oder andere hinwegspielen (im Extremfall sogar “Fantasy-im-Weltraum” spielen), aber das ist ja nicht Sinn der Sache. Ich möchte daher versuchen, Destiny Space so zu gestalten, dass man die Besonderheiten des Genres, und dazu gehört vor allem die Größe, spürt und abbilden kann. Bisher hat mich das in folgenden Punkten beeinflußt bzw. zum Nachdenken gebracht:
- Es wird ein Attribut “Anlagen & Ressourcen” geben, in dem sich grundlegende Kenntnisse von Rohstoffabbau, -förderung, Infrastruktur und Architektur wiederfinden. Dieses Attribut kann befragt werden, wenn es darum geht, ob sich Charaktere intuitiv in großen Installationen/Schiffen/Stationen zurecht finden, sei es, um den Notausgang, die Rettungskapsel oder den Wartungsschacht zu finden, sei es, um Schwachstellen oder kritische Punkte zu identifizieren.
- Es wird – entgegen meinem ersten Impuls – ein Attribut “Beobachtung & Konzentration” geben, in dem sich auch die Wahrnehmung der Charaktere widerspiegelt. Das war für mich anfangs unerfreulich, weil ich Wahrnehmungsfragen bisher als Herausforderung für die Spieler (im Sinne von “Worauf achtet ihr besonders?”) gehandhabt habe und nicht als Herausforderung für die SCs. Nun wird die Welt aber mit zunehmender Technologie nicht unbedingt ärmer an Information. Was früher ein Dorfplatz war, bei dem man den Schuster an einem Schild erkannt hat, ist in SF eine riesige Station mit hunderten Lichtern, Anzeigen, Terminals, möglicherweise ergänzt durch Infos aus augmented-reality-Geräten und garniert mit Reklameschildern. Kurz gesagt, wesentliche Reize von unwesentlichen zu unterscheiden, stelle ich mir in SF deutlich anspruchsvoller vor. Ein Wahrnehmungsattribut hilft mir, diese Problematik zu adressieren.
- Ein Punkt ist auch die Frage, wie gehe ich mit Regeneration in einem Genre um, in dem sich Charaktere oft stunden- oder tagelang nicht bewegen, sondern in einem Schiff darauf warten, ihr Ziel zu erreichen. Kleinräumige Abenteuer in kleinräumigen Settings, wie sie für Fantasy typisch sind, sind eine ganz andere Basis. In Destiny habe ich den Luxus der Szenenregeneration, d.h. das ist ohnehin abstrakt gelöst und passt sich dem dramatischen Fluss des Abenteuers an. Glück gehabt. 🙂 Ob ich dennoch in diesem Punkt Handlungsbedarf habe, z.B. eine zweite Form der Regeneration einbauen muss, weiß ich noch nicht. Da denke ich noch drüber nach.
Für mich ist also die Größe einer der wesetnlichsten Unterschiede von SF gegenüber Fantasy. Wenn euch weitere gravierende Punkte einfallen, wäre ich euch dankbar, wenn ihr sie im Kommentar benennen könntet. Je früher ich alle strukturellen Unterschiede erkenne, desto besser kann ich das System darauf hin modellieren.
@Attribut “Beobachtung & Konzentration”: Begrüße ich sehr. War bei uns bei Destiny (Beginner) immer ein großer Knackpunkt (“Ich habe die Probe auf Verstand versaut, ich bin zu blöd um was zu sehen”)
Bei “Anlagen & Ressourcen” bin ich aber skeptisch, gerade wenn es so etwas wie “Technik” schon gibt, erscheint mir das doppelt gemoppelt und dazu noch sehr spezifisch.
Was ich mir sehr wünschen würde wäre (wie bei den bisherigen Destiny-Büchern) eine Reihe von einfache Abenteuern zum Sofort-losspielen, optimalerweise Szenarien, die sich auch mit 1-2 Spielern schon gut spielen lassen. Destiny ist bei mir meist das System, das ich heranziehe wenn jemand fragt “Was ist Rollenspiel, kannst du mir das zeigen?” und da helfen die Szenarien schon sehr, damit man gleich was zur Hand hat.
Außerdem einige vorgefertigte Raumschiffe (Händler, Pirat, Jäger,Kriegsschiff), die man sofort verwenden kann.
Vor allem soll es schlank bleiben, das war für mich immer das Hauptkriterium für Destiny, die Option einem völligen Neuling in 15 Minuten zu erklären wie es funktioniert, den Charakter zu bauen und los zu legen. Wenn ich für eine Kampagne wirklich detailiertere Regeln brauche kann ich Savage Worlds, Traveller, oder x andere Systeme heranziehen.
Hm, also mir fällt das echt nichts zu den Unterschieden ein, außer der von dir genannten Größe. Damit hat Du bei mir einen Punkt getroffen, der vieles erklären könnte.
Eine Technik-Fertigkeit halte ich gerade in SF für einen großen Fehler. Das wäre als könnte man in DnD seinen Grundangriffsbonus steigern. Das ist der heilige Gral desSystems, der Schlüssel zu allem. Wahrnehmung und Konzentration bzw Anlagen stellen Aspekte der Technik dar: “Ich kann damit umgehen” und “ich erkenne was es ist und was es von mir will”. Ich Dundee Dürre Technik muss man teilen, wem sie so unheimlich viel bewirken kann. Sonst wird sie zum Joker.
Zu SciFi vs. Fantasy:
Als ich deine Frage gelesen habe, was denn SciFi ausmache und was es von Fantasy unterscheide, dachte ich mir schon, dass es eine ziemlich philosophische Frage ist. 😉
Denn sofort musste ich an Star Wars denken, das als SciFi angesehen wird, aber eigentlich ein Märchen ist (zumindest Ep. 4-6). Dann erinnerte ich mich, mal gehört zu haben, dass man Emmerichs Film 10.000 BC als SciFi bezeichnen könne.
Deswegen dachte ich mir, schaue ich mal bei Wikipedia nach, was Leute zu dem Thema meinen.
Der Artikel ist recht interessant, da im Grunde genommen anfangs steht, dass es ziemlich schwer sei, SciFi richtig zu definieren und es werden einige Möglichkeiten/Definitionen erwähnt. Mir persönlich gefielen ziemlich folgende Ideen:
– Science-Fiction entwirft – häufig in der Zukunft verortete, teilweise auch räumlich entfernte – Konstellationen des Möglichen, beschreibt deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Menschen und reichert reale wissenschaftliche und technische Möglichkeiten mit fiktionalen Spekulationen an.
und
– Die am besten nachzuvollziehende Erklärung ist wohl, dass in der Science-Fiction versucht wird, eine wissenschaftliche Erklärung zu liefern, auch wenn diese nicht der Realität entsprechen muss, während in der Fantasy die entsprechenden Elemente (z. B. große sprechende Spinnen in Harry Potter) schlicht hingenommen werden.
Somit denke ich, was du suchst (auch basierend auf deinen eigenen Aussagen), ist eine Mischung aus Weite/Größe, Technik und distopischen/utopischen/merkwürdigen Gesellschaften nicht nur außerirdischer Rassen, sondern auch von Menschen.
Attribute:
Leider habe ich die Attributs-Tabelle entweder nicht gesehen oder nicht mehr im Kopf, weshalb ich nicht weiß, ob etwas ähnliches Anlagen & Ressourcen bereits existiert (beziehe mich hier auf aikar), aber prinzipiell finde ich ein Attribut, das in diese Richtung geht, als in jedem Setting nicht fehl am Platze. Aber da kommt dann – ebenso bei Beobachtung & Konzentration und was Jan (wie ich ihn verstanden habe) meinte – die Frage des Balancings auf.
Irgend eine Tastenkombi gedrückt und schon wurde der Kommentar gepostet!?
Jan hat es schon angedeutet – wie wichtig wird dann das Attribut? Brauche ich einen mittelmäßigen Wert, um mit einem Fernseher oder Computer umzugehen oder reicht dafür eine 11 oder 12? Und was kann ich alles machen, wenn ich gut darin bin? Kann ich mich in sämtliche Systeme einhacken und wenn das nicht weiterhilft, mit einem Dosenöffner die Tür aus der Wand operieren? Und im Nachhinein baue ich die Tür wieder ein und verstärke sie sogar?
Es ist mal wieder das berühmte zweischneidige Schwert – einerseits bringt es viel auf Regel-mechanischer Ebene und für das Rollenspiel, andererseits kann es sehr schnell zu mächtig werden. (Bei Pathfinder z.B. wird gerne der Tip gegeben, wenn man alle wichtigen Fertigkeiten (deine Attribute) für seine Klasse gesteigert hat, sollte man Wahrnehmung nehmen – die wichtigste Fertigkeit im System.)
Wenn möglich, würde ich versuchen, die Attribute aufzusplitten oder Spezialisierungen einzuführen.
Aufsplitten: Anlagen & Ressourcen
– Architektur
– Mechanik
– Computertechnik
– Bergbau
– …
Spezialisierungen: Man kann alles ein wenig, kann sich aber auf ein Gebiet spezialisieren (z.B. spezialisiertes Gebiet wird so gewürfelt, die anderen mit -10)
Okay, ich merke gerade selber, dass das bei Destiny nicht wirklich hinhauen würde, aber gerade fällt mir zum unsäglichen Balancing nichts gescheiteres ein.