Unter den Strahlen der Frühlingssonne schmolz der letzte Schnee zu glitzernden Bächen, die sich über sanfte Böschungen ergossen und sich auf der Straße in langgezogenen Pfützen sammelten.
Mehr als hundert Paar Füße stapften über den aufgeweichten Lehm dahin. Manche waren mit kostbarem Leder beschuht, andere mit geschnürten Sandalen, manche steckten in schweren Stiefeln, andere wiederum waren barfuß. So schob sich der Zug der Pilger behäbig gen Norden, und in jedem Dorf wurde er länger. Als stimmgewaltiger Chor kündigte er sich weit im Vorhinein mit religiösen Liedern an, und am Rande der Dörfer warteten Schaulustige und Neugierige, um zu winken, zu singen und zu beten. Kein Tor blieb ihnen verschlossen, kein Dach über dem Kopf verwehrt, und kein Zöllner wagte es, ihnen Geld abzunehmen.
Das Schlusslicht bildete ein ungleiches Paar. Der eine, Learto, war ein stämmiger Mann mit blondem Haar, das hinter dem Kopf zusammen gebunden war. Seine Habe hatte er in einem Sack über die Schulter geworfen, und in der anderen Hand hielt er einen schweren Schmiedehammer. Der andere, Struggel, war klein und gnomenhaft und hatte sichtlich Mühe, Schritt zu halten. Mit zerbrechlichen Ärmchen schleppte er seine Lederplane hinter sich her, und zwischen seinen schütteren Haarsträhnen hingen feine Schweißperlen. Ständig zeterte er vor sich hin und schimpfte über die Menschen mit ihren langen Beinen und ihre Ignoranz gegenüber anderen, vor allem kleineren, Rassen.
„Es reicht. Hört endlich auf zu jammern!“
„Ihr habt leicht reden, Meister Schmied“, japste Struggel und blieb im Schatten eines überhängenden Baumes stehen, „Eure Beine sind länger als mein ganzer Körper. Und nachdem Ihr nicht lesen könnt, braucht Ihr wohl auch keine Bücher zu schleppen.“
„Mir fiel nie auf, dass Euch das Gewicht Eurer Bücher so zu schaffen macht.“
„Was mir zu schaffen macht, Meister Schmied, ist dieser Haufen seltsamer Menschen mit ihren grauenvollen Gesängen und all den wohlmeinenden Worten.“
„Zumindest glauben diese Leute an etwas Größeres. Anders als Ihr!“
„Das ist nicht korrekt,“ keuchte der Trosh, „ich glaube an die Errungenschaften meiner Ahnen und an alles, was sich in Stein meißeln lässt.“
Da rief die beiden eine Stimme von weiter vorne und bedeutete ihnen, aufzuschließen.
„Wer weiß“, sagte Learto angesichts des Gebirges, das im Norden vor ihnen aufragte, „vielleicht werdet Ihr ja in Goldfall Euren Glauben finden.“
Struggel blickte verwirrt auf. „Goldfall? Ich dachte, wir wollten in die Königsstadt?“
Learto blinzelte gegen die Sonne. „Catystis wird warten müssen. Wenn uns die Götter schon einen Weg schenken, dann sollten wir ihn zu Ende gehen.“
Dies war eines der 20 Kapitel der Fantasy-Geschichte Goldfall, die im Rahmen dieses Blogs veröffentlicht wird. Lies morgen im nächsten Blogpost, wie die Geschichte weitergeht!