Bau einer Sandbox (Teil 1)

Ich wurde schon mehrfach darauf angesprochen, wie ich denn eigentlich daran ging, Istarea, das Sandbox-Setting für Destiny Dungeon, zu bauen. Kreative Prozesse sind bekanntlich schwer zu erklären, vor allem im Nachhinein, aber ein bisschen Struktur ist schon dahinter, daher versuch’ ich’s mit einer kleinen Retrospektive. Detaillierte step-by-step-Anleitungen gibt es schon von anderen Autoren, z.B. BatInTheAttic, weshalb ich hier eher versuche, die grobe Vision herauszuarbeiten.

Schritt 1: Die Grobdefinition

Zuerst hieß es für mich, mir klar zu werden, welche Funktionen die Sandbox zu erfüllen hat. Auch die Definition von “Sandbox” ist hierfür wichtig. Meine Definition sieht Sandbox als ein Setting, das einen bestimmten Spielstil unterstützt. Dieser ist geprägt durch

  • Spielerinitiative
  • Gefährlichkeit
  • hohe Dynamik
  • hohe Flexibilität
  • Non-Linearität sowie
  • wenig bis keine Abhängigkeit von Spieleraktionen.

All das fordert in meinen Augen ein Setting, das folgende Kriterien erfüllt:

Relative Kleinräumigkeit. Man soll innerhalb des Settings mobil sein, d.h. vergleichsweise einfach von einem Punkt zum anderen kommen. Settings, in denen man wochenlang von hier nach dort reist, sind der Dynamik nicht zuträglich, man denke nur an das Schneckentempo, mit dem sich Neuigkeiten verbreiten, wenn tausende Kilometer, reißende Ströme, Binnenmeere und undurchdringliche Sümpfe zwischen zwei Orten liegen. Wenn jeder und alles auf einander reagieren können soll, dann darf das Setting in diesem Punkt keinen Widerstand bieten.

Abgeschlossenheit. Das ist kein zwingendes Kriterium, aber es hilft, den Spielern klar zu machen, dass sich das Spiel bis hierhin und nicht weiter erstreckt. Nichts ist blöder, als wenn es später heißt “dort dürft ihr aber nicht hingehen, alles jenseits des Flusses ist nicht beschrieben, das hab’ ich nicht vorbereitet”. Da schon lieber eine für alle von vornherein klar definierte Grenze. War übrigens auch ein Grund, warum Istarea als Tal konzipiert ist.

Konfliktreiche NSCs und Fraktionen. Kurz gesagt, es braucht einfach eine Handvoll Parteien, die einander nicht wirklich grün sind. In Istarea ist es mir gelungen, ein Konflikt-Netz zu ersinnen, in dem wirklich so ziemlich jeder mit jedem hadert. Das ist der Grundstoff, aus dem SL Widersacher und Antagonisten entwickeln können. Der muss einfach da sein, sonst hat der SL Arbeit und muss erst selbst seine Fraktionen erfinden – eine Arbeit, die man ihm als Sandbox-Designer abnehmen kann und sollte.

Legendäre Örtlichkeiten. Eines der wichtigsten Dinge beim Sandbox-Campaigning ist, dass die Spieler Initiative zeigen. Das können sie aber nur, wenn sie über Informationen verfügen. Welche Informationen kann man den Spielern geben, ohne dass sie gespoilert werden? Richtig: Gerüchte, Legenden, Mythen, Geschichten. Daher sollte das Setting bis zum Rand voll sein mit Örtlichkeiten, um die sich landesweit bekannte Geschichten ranken. Wie ich zu solchen komme, beschreibe ich noch eingehender.

Schritt 2 wird sich demnächst um die roten Fäden drehen. Stay tuned!

10 thoughts on “Bau einer Sandbox (Teil 1)

  1. Danke! Bin schon gespannt, wie’s weitergeht, denn im Juni will ich mit einer neuen Runde Fading Suns (PDQ#) bespielen und vorher anfangen einen Sandkasten bauen, damit wir nicht in den Weiten des Weltalls verloren gehen.

  2. Ich beäuge kritisch, aber im Großen und Ganzen gefällt mir, was du da schreibst. 😉

    Die Kleinräumigkeit und die Abgeschlossenheit sind allerdings Punkte in denen ich keineswegs mit dir d’accord gehe. Man kann multiple Landstriche bespielen, ohne das dies zum Problem würde, man muss eben nur resourcentechnisch “rauszoomen”, eine solche Kampagne würde man wohl als “episch” bezeichnen, da es fortan nicht mehr wichtig ist, ob der Bauer X des Dorfes A Bruder des Räubers Y vom Walde B ist, sondern, dass Kunde vom Tod des Kaisers Z erst drei Tage später im Lande des Verbündeten C eintrifft und man entsprechende Vorbereitungen treffen muss. Lange Reisen spielt man doch ohnehin nicht aus, solche Hartwurstigkeit ist nicht nötig. Gerade im Sandboxing ist eine Reise regeltechnisch doch ohnehin so abgedeckt, dass schnell mal eine Woche vorgespult werden kann, ohne dabei zu vergessen, was unterwegs alles passiert ist. Abgeschlossenheit hingegen ist der Feind des freien Willens und möchte man den Spielern Freiheit bieten, so sollte man sie nicht mit fadenscheinigen, unsichtbaren Barrieren vom Erkunden der Welt abhalten. Klar, deine Analyse oben betrifft auch in erster Linie Istarea, wo es für Einsteiger sicherlich leichter ist, wenn des Tal von unbeugsamem Gebirge umgeben ist, keine Frage. Aber im Sandboxing gibt es genug Hilfsmittel diese Problematik zu umgehen, Zufallstabellen, etc. und nicht zuletzt die eigene Fantasie. Lasst euch auch als Spielleiter überraschen!

    • Ich gewinne ein bisschen den Eindruck, dass du das Thema sehr dogmatisch betrachtest, Nerzenjäger. Ich hingegen bin ein Praktiker. 🙂 Du hast schon recht, eine reine Sandbox muss nicht kleinräumig sein, aber sobald man interaktionsgetriebene Elemente hineinbringen will, hilft die Kleinräumigkeit extrem.
      Was die Abgeschlossenheit betrifft, habe ich schon darauf hingewiesen, dass sie kein zwingendes Kriterium ist. Auch die von dir eingebrachten “unsichtbaren” Barrieren sind kein Gegensatz. Im Gegenteil: Ich votierte ja geradezu dafür, Grenzen wenn schon dann sichtbar zu gestalten, weil unsichtbare Grenzen in der Tat blöd ankommen.
      Beim letzten Absatz driften wir aber etwas auseinander: Ich sehe Istarea beileibe nicht als Einsteiger- oder Anfänger-Setting. Denn warum sollten sich gerade fortgeschrittene Spieler einen Spaß daraus machen, die Grenzen eines Settings willkürlich zu überschreiten? Ich sehe das eher als Komponente eines Gruppenvertrags. Fortgeschrittener Spieler oder nicht: Ich würde als SL Amok laufen, wenn ich eine Istarea-Kampagne beginne und die Spieler im ersten Abenteuer meinen, sie müssen das Haranorca-Gebirge überschreiten.

  3. Das Problem beim “rauszoomen” ist, dass dabei ziemlich viel Schärfe verloren geht, z.B. bei der Weltraum-Sandbox, wo von den einzelnen Planeten bestenfalls noch der Raumhafen beschrieben ist und alles darüber hinaus sehr vage bleibt. Wenn alles nur “aufgeblasen” ist (also Planeten sind nicht wirklich PLANETEN, sondern nur Dörfer mit Epik-Anstrich), dann schränkt das auch die Möglichkeiten der Spieler ein.

    Was wichtig ist (unabhängig von der Größe der Sandbox), ist dass die einzelnen Elemente der Sandbox *markant* sein sollten: es nützt nichts wenn man eine riesengroße Spielwelt mit tausenden von Nationen hat, wenn 60% besagter Nationen sich lediglich in Detailfragen unterscheiden. Da sollte man lieber verschlanken (entweder die Spielwelt kleiner machen oder sehr ähnliche Nationen zu einer einzelnen Nation fusionieren).

    • Wobei der “epische” Anstrich ja meistens auch mit fortgeschrittener Spielzeit und entsprechender Bekanntheit des Settings einhergeht. Aber wenn man die Wilderlands als Allvater und Musterbeispiel des Sandboxing hernimmt, so sieht man daran ja auch, dass damals bei rund 20 zur selben Zeit spielenden Spielern, sehr wohl ein großer Landstrich bespielt werden konnte. Der Fokus ändert sich eben, um mal in Fotografensprache zu bleiben, dadurch ist die Sandbox ja nicht weniger Sandbox. Man tobt sich eben auf einer ganz anderen Stufe darin aus.

      • Es ist tatsächlich so, dass “selbst erspielte Sandbox” und “veröffentlichte Sandbox” unterschiedliche Voraussetzungen haben. Eine geile Sandbox der eigenen Gruppe(n) ist nicht notwendigerweise eine gut designte Sandbox in der Veröffentlichung.

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