Ich beende meinen theoretischen Exkurs über die Abenteuertypen mit dieser Übersicht, und hoffe, dass sie trotz ihrer Vereinfachung ihren Zweck erfüllt, der nämlich darin besteht, sich ihre Eigenheiten und Unterschiede bewusst zu machen.
Typ 1: Das erzählerische Abenteuer folgt einer weitgehend vorbestimmten Handlung, meist strukturiert in Szenen, dem klassischen Aufbau eines Dramas folgend. Größte Gefahr: Railroading. Größter Mehrwert: Spannungsbogen. Gewicht: beim SL.
Typ 2: Das ortsgebundene Abenteuer hängt vorwiegend an definierten Örtlichkeiten, die die SCs in beliebiger Reihenfolge aufsuchen und bespielen können. Größte Gefahr: “Undrama”. Größter Mehrwert: Handlungsfreiheit der Spieler. Gewicht: bei den Spielern.
Typ 3: Das interaktionsgetriebene Abenteuer ist fokussiert auf rollenspielerische Interaktion zwischen SCs und NSCs/NSC-Fraktionen. Aufgrund deren Motive improvisiert der SL die Aktionen und Reaktionen aller Beteiligten. Größte Gefahr: schwer beherrschbar. Größter Mehrwert: tolle Dynamik möglich. Gewicht: bei SL und Spielern.
Typ 4: Das gemischte Abenteuer. Derer gibt es gleich mehrere:
a) Das erzählerische/ortsgebundene Abenteuer kennt (z.B. zu Beginn und am Ende) fixe Verläufe und lässt den Spielern dazwischen Sandbox-artigen Raum.
b) Das ortsgebundene/interaktionsgetriebene Abenteuer definiert Örtlichkeiten und NSC/NSC-Fraktionen. Es kombiniert Freiheit der Spieler mit der Improvisation des SL.
c) Das erzählerische/interaktionsgetriebene Abenteuer arbeitet mit “Versatzstücken”, also Szenen oder Szenenteilen, die – je nachdem, wie sich die Interaktion zwischen SCs und NSCs entwickelt – zum Zug kommen (oder einfach verfallen).
Fazit. Es gibt verschiedene Strukturen. Um herauszufinden, welche die richtige für ein konkretes Abenteuer ist, muss ich mir bewusst machen,
- welchen Abenteuertyp ich als SL gut beherrsche und gerne leite,
- welchen Abenteuertyp die Spieler gut beherrschen und gerne spielen, denn letztlich sind sie ja die Stakeholder des Spieleabends,
- und welcher Abenteuertyp kompatibel ist mit meiner Abenteueridee und dem Genre, in dem ich mich bewege.
Ich wollte, ich könnte jetzt sagen: So einfach ist das.
Supergeil! Hast Du meine Idee bzgl. eines “Abenteuerratgebers” im Hinterkopf gehabt? Das wäre für so etwas nämlich perfekt für die Markostruktur von Abenteuern.
Bedeutet “Gewicht” soviel wie “Wer hat die Initiative”treibt den Plot voran”?
Zum Ortsgebundenen Abenteuer kann ich auch das “advanced node-based design” empfehlen, zu finden hier: thealexandrian.net/wordpress/8171/roleplaying-games/advanced-node-based-design-part-1-moving-between-nodes
Bei Typ 4a würde ich das grafisch leicht anders darstellen und zwar nach dem Prinzip “narrwo-wide-narrow…”. Also Prolog, einige Orte in einem Szenenblock, dann eine Szene (der Übergang), wieder einige Orte in einer Szene (beliebig oft wiederholbar) und dann das Finale. Das verdeutlich auch mehr, dass man sich eben im Geamtkontext an einem “Erzählpfad” entlang hangelt, aber in den Zwischenstücken Spielraum hat. Es ist ja meist eben nicht nur so, dass Prolog und Finale feststehen, sondern einzelne “Meilensteine” zwischendurch auch, auf die sich dann der Spannungsbogen stützt.
Bei der Grafik für 4b würde ich auch NSC- und Ortssymbole alleine stehen lassen. In Deiner Variante könnte man meinen, dass Orte und (N)SC immer Paare bilden, was ja nicht zwingend so ist. Vielleicht das Schicke Fragezeichendreieck noch irgendwo dazwischen.
Bei 4c sehe ich auch das auch irgendwie “blockweiser”, bin mir aber nicht sicher, ob ich den Typ richtig verstanden habe. Man hat Szenen(blöcke), nach denen die NSC-Interaktion dann in andere Zweige verweist, die wiederum Szenen(blöcke) enthalten und auch NSCs. Aber so 100%ig kann ich mir den Typ noch nicht vorstellen.
P.S.: Mein Hardcopy von DD lag die Tage auch in der Post und die ersten (zwei?) Kapitel lasen sich sehr angenehm. Nur die Tabelle mit den verschiedene Würfeltypenabkürzungen musste ich mehrmals lesen, bis ich sie einigermaßen kapiert und verinnerlicht habe
Danke, Jan, und ja, hab’ ich! 🙂 Einiges kann man sicher noch verfeinern, und vor allem ist das Thema ohne Beispiele zugegebenermaßen recht abstrakt.
Deine Vorschläge sind jedenfalls dokumentiert und fließen in die nächste Überarbeitung ein.
Sorry, Jan, zwei Fragen vergessen zu beantworten:
1. Ja, “Gewicht” meint hier Initiative, Spielverantwortung, dynamisch mehr gefordert.
2. 4c würde blockweiser aussehen, wenn ich die erzählerische Komponente stärker gewichtet hätte. Je erzählerischer, desto “linearer”, desto strukturierter/blockweiser. Wäre aber auch in diesen Typus gefallen, du hast also recht.
Ich wollte nur mal kurz nachtragen, dass ich gerade anfange eine Artikelserie zu starten, wo ich Deine Strukturen weiter zerlege und analysieren, in der Hoffnung weitere Hilfen für SLs zu geben. Und im Hinterkopf schwebt natürlich mehr, wie die “RSP Abenteuer Patterns” und noch mehr. Aber das muss erstmal noch ein Weilchen schlummern, bevor ich es öffentlich raus lasse.
Das klingt toll, Jan! Das werde ich gerne lesen. Wenn es soweit ist, würde ich mich über einen Pingback freuen.