Für diejenigen, die erst jetzt hinzu gestoßen sind: Ich versuche gerade einige grundlegende Abenteuertypen, ihre Struktur und ihre Vor- und Nachteile herauszuarbeiten. Bisher hatten wir 1. das erzählerische und 2. das ortsgebundene Abenteuer. Jetzt kommt
Typ 3: Das interaktions-getriebene Abenteuer
Dieser sperrige Begriff meint jene Art von Abenteuer, in der sich der Verlauf fast ausschließlich über eine bestimmte Zahl von Parteien (Fraktionen, Beteiligte, Fronten o.ä.) und deren Interaktion mit einander ergibt. Der Fokus liegt hier im Verkörpern und Eintauchen in gewisse Rollen und in der Auseinandersetzung mit NSCs, seien sie Verbündete, Rivalen, neutrale Auskunftspersonen oder Feinde.
Explosive Dynamik. Der Vorteil dieses Abenteuertyps liegt darin, dass sich aus den verschiedenen Parteien, zu denen auch die SCs zählen, ein sehr dynamisches Geflecht ergeben kann. Der SL kann ständig die eine oder andere Partei ins Spiel bringen, reagieren und interagieren lassen und auch dadurch Pacing steuern und Drama schaffen. Der Haken an der Sache ist: Der SL braucht verdammt gute Skills und/oder Erfahrung, und er muss ständig geistig präsent sein. Gefordert ist er einerseits deshalb, weil der größte Teil des Abenteuers auf Improvisation beruht und damit die Gefahr eines Regiefehlers groß ist. Andererseits weil die Dynamik leicht aus dem Ruder laufen und das Abenteuer zu schwer, zu leicht oder unschaffbar werden kann. Besonders gefährlich: Der SL lässt NSCs aus seinem Wissensstand heraus handeln und planen – äußerst unfair gegenüber den SCs.
Motivation. Motivation ist alles, v.a. in diesem Abenteuertypus. Damit das Konzept funktioniert, muss der SL natürlich wissen, was seine NSCs erreichen wollen. Wer NSCs für diesen Typ Abenteuer erfindet, darf daher auf keinen Fall vergessen, ihre Ziele zu definieren. Das ist in wenigen Worten kaum machbar. Dafür benötige ich als SL einen gewissen Detailgrad an Information. Die von mir häufig praktizierten “2 Attribute pro NSC” reichen vielleicht für andere Abenteuertypen, aber nicht für diesen.
Die richtigen Spieler. Alles ist eine Frage des Geschmacks, aber dieser Typus Abenteuer ist ganz besonders prädestiniert, bei der falschen Spielergruppe zu scheitern. Sind die Spieler zu rezeptiv, werden sie von der Dynamik überrollt. Sind sie zu planlos, fühlen sich die NSCs nicht herausgefordert und warten einfach ab (klassisches Problem bei Detektivabenteuern). Ich behaupte mal frei in den Äther hinein, dass es für dieses Abenteuer einigermaßen selbstbewusste, proaktive Spieler braucht, die zudem Spaß daran haben, Rollen zu verkörpern und mit NSCs in Wechselwirkung zu treten. Wer NSCs schon grundsätzlich misstraut und die Schankmagd lieber meidet, weil sie könnte ja eine Spionin sein, der wird sich in diesem Geflecht unwohl fühlen.
Ich persönlich habe nur wenige Abenteuer dieses Typus erlebt, die wirklich gut waren, aber dafür waren es die genialsten, die ich je gespielt habe.
Ich sehe eigentlich nicht die Schwierigkeit bei diesem Abenteuertyp. Der SL weiss doch, was welcher NSC weiss, bzw. kann frei entscheiden, was welcher NSC wie schnell in Erfahrung bringen kann.
Was bitteschön soll ein “Pacing-Fehler” sein? Das klingt als müss man irgendwelche künstlichen Dramakurven beachten – eine gefährliche Irrlehre! Das einzige, was passieren kann, ist das die Spieler durch die Geschwindigkeit der Ereignisse etwas mehr oder etwas weniger unter Stress gesetzt werden. Deswegen funktioniert das Abenteuer doch trotzdem.
Ich mag diesen Abenteuertyp auch, bzw. kenne und schätze ihn in Kombination mit dem, was Du als “ortsgebundenes Abenteuer” beschreibst.
Ich persönlich mag diesen Typ Abenteuer auch sehr – wenn man es schafft, dass die Interaktion auf einem konstanten Level gehalten wird und nicht zwischendurch zu einem Rohrkrepierer wird (wo nur von einer Seite eine ständig Aktion erfolgt). In einem Fall habe ich es mal erlebt, dass die Spielleitung solch ein Abenteuer geplant hatte, leider aber immer wieder an der Planungswut der Spieler gescheitert ist. Alles wurde bis ins kleinste Detail geplant, was sicher nicht schlecht ist. Nur in einem Abenteuer, in dem man unter Zeitdruck steht und schnelles Handeln der Charaktere erforderlich ist, nehmen lange Planungsphasen einfach den “drive” raus.
Absolut! Übrigens auch einer der Gründe, warum ich hier – anscheinend anders als ghoul (s.o.) – den SL sehr wohl in der Verantwortung sehe, auf das Pacing zu achten und ggf. gegenzusteuern.
Pacing, ein Unwort!
Übrigens sehe ich Fraktionen, NSCs, etc. (also das, was du als interaktionsgetrieben bezeichnest) als Bestandteil eines ortsgebundenen Abenteuers und nicht etwa als eigenen Abenteuertyp. Den die leben geradezu davon, Lokalitäten alleine machen dir kein Abenteuer.
Ortsgebundene Abenteuer ohne interaktive NSCs gibt es zuhauf, viele Dungeons von einst waren nach diesem Prinzip angelegt.
Bitte hier den Begriff NSC/Fraktion als etwas zu verstehen, das eigene Motive mit ins Spiel bringt und nicht nur “Inventar” ist. In DSA gab’s früher die Abgrenzung Werkzeug/Meisterperson – das ist es, was ich hier meinte. Vielleicht kannst du mir vor diesem Hintergrund zustimmen.
Welche Dungeons von damals hast du da gelesen?
Du unterschätzt Monster als interaktive NSCs. Und gerade der Dungeon ist ein Beispiel wider dem was du beschreibst. Es gibt kaum etwas, das mehr von Interaktion lebt als den Dungeon. Monster, egal ob humanoid oder nicht, haben immer ein Motiv im Dungeon zu sein. Und bei den niedrigen Hitpoints eines OD&D erspart man sich manch schnellen Tod, wenn man mit den Hobgoblins auf Level 3 verhandelt und dann gemeinsam die Orkmeute einen Level tiefer wegputzt.
DSA ist hier halt nicht gerade das beste Beispiel, denn selbst die wenigen Dungeons die das Spiel hat, sind höchstlinear und damit eher Brett- als Rollenspiel.
Trotzdem gibt es diese Abenteuer, und für mich fallen sie in einen eigenen Typus. Nicht jeder SL macht aus dem durchschnittlichen 0815-Orktrupp eine NSC-Fraktion. Außerdem geht es hier um den Fokus. Dass die meisten Abenteuer Elemente mehrerer Typisierungen enthalten, leuchtet natürlich ein. Was ich versuche, ist, den Kern dieser Typisierungen herauszuarbeiten, und der ist beim ortsgebundenen Abenteuer, wie ich es verstehe, nicht die dynamische NSC-Interaktion.
Solche Dungeon in denen Monster interaktiv sind, sind die absolute Ausnahme, nach meiner WotC-geprägten Erfahrung. Ansonsten sind es eben “interaktive Ortsabenteuer”.
Lest mal Keep on the Borderlands oder Dark Tower. 🙂
Das alte oder neue KotB? Bei der4e gab’s doch auch was. Dark Tower habe ich noch nie gehört.