Einer der Punkte, der mir bei der Planung einer Kampagne/Runde wichtig zu sein scheint, ist die Form. Damit meine ich v.a. wieviele Abenteuer werden gespielt, gibt es ein Ziel usw.
Ich persönlich finde z.B. die Mischung aus “endlos Setting Bespielen” und “abgeschlossene Kampagne mit dramatischem Fokus” (ich nenn es mal so) besonders reizvoll. Da kann ich die Eigenheiten und Nuancen des Settings kennenlernen und wirklich eintauchen, und trotzdem dann und wann Kampagnen mit dramatischem Ziel erleben. Es erlaubt mir auch, meinen Charakter über mehr als eine Handvoll Abende hinweg zu entwickeln. Ich mag es, SCs klein zu beginnen und zu großen Berufungen zu führen.
Beim One-Shot – um das Gegenteil ins Spiel zu bringen – kann ich das nicht, deshalb sind One-Shots für mich zwar ideal zum Kennenlernen (von Spielern oder von Systemen) oder als Pausenfüller Marke “ganz nett mit Potenzial nach oben”, aber nur selten so erfüllend wie extensive Plot- und Charakterentwicklung. Andererseits werden Spieler, die genau darauf keinen Wert legen und keine Lust haben, sich in ein Setting einzulesen/-denken, mit dem One-Shot wesentlich mehr Freude haben und das Endlos-Setting-Bespielen langweilig und inzestuös finden.
Hat man nun Spieler beider Präferenzen (Abwechslung vs. Entwicklung) in einer Runde und ist gemeinsame Zeit begrenzt, dann fällt mir als Kompromiss nur die Variante ein, ein Setting quasi als “Grundrauschen” wiederkehrend zu bespielen, dazwischen aber immer wieder thematische “Auszeiten” zu nehmen, in denen abgeschlossene Kampagnen (8 Abende) oder Mini-Kampagnen (4 Abende) in anderen Welten eingeschoben werden. Es bleibt natürlich die Gefahr, dass bei mehreren Wochen Abstinenz die eigentlich angestrebte Charakter- und Plotentwicklung erst recht auf der Strecke bleibt, aber was sind die Alternativen?
Ich wollte mit dieser Gegenüberstellung zweier sehr verschiedener Spielarten eigentlich nur darauf hinaus, dass, wenn es um Bedürfnisse geht, oft über Systeme und Settings und über SL-Instrumentarien nachgedacht wird, aber seltener der Aspekt der Kampagnenform ins Spiel gebracht wird. Vielleicht, weil der Gegensatz so schwer aufzulösen ist. Oder scheint.
Ich glaube, du gehst stark von einem klassischen Fantasy-Rollenspiel-Modell aus, das stark auf Kampagnen und Charakterentwicklung (insbesondere auch mechanische Verbesserung über Erfahrungspunkte) ausgeht. Bei diesen wird ein One-Shot immer etwas unbefriedigend bleiben, weil ja ein wichtiger Teil der Spielerfahrung fehlt.
Bei stark story-orientierten Systemen (insbesondere jene aus der Indie-Ecke, aber zum Beispiel auch Cthulhu) sieht das etwas anders aus. Dort kommt ein Hauptteil der spielerischen Befriedigung aus dem Spannungsbogen der Story, und der kann bei einem One-Shot ideal aufrecht erhalten werden. Es gibt natürlich auch Kampagnenspiel, aber auch die Kampagnen sind typischerweise stark episodisch aufgebaut, das tolkieneske Erforschen eines Settings ist längst nicht so wichtig wie das Erleben und Mitgestalten der Story.
Bei den Indie-Systemen wie zum Beispiel Dread sind die Charaktere andererseits auch oft so gestaltet, dass innere und äußere Konflikte nicht erst im Verlauf der Geschichte, sondern mehr oder weniger sofort zum Tragen kommen. Bzw. sind es oft diese Konflikt, die den Plot antreiben. Insofern ist es bei diesem Systemen auch weniger wichtig, den Charakter über eine längere Spielzeit zu erkunden. Sehr viele dieser Systeme spielen in bekannten Settings oder in unserer Welt, damit der Einstieg schnell gelingt.
Stimmt schon, paradroid, die Perspektive ist bei Fantasy irgendwie naheliegend, ich würde das aber auch bei anderen Genres so sehen, weil es einfach meiner Spielweise entspricht. Ich könnte mir genausowenig vorstellen, ein WoD-Oneshot zu spielen, und einer der Gründe, die mich bisher von Cthulhu ferngehalten haben, war, dass man dort gerüchteweise nicht zu sehr an seinem Charakter (oder dessen seelischer Gesundheit) hängen sollte…
An das mit den XP hatte ich übrigens gar nicht gedacht, ich meinte eigentlich die Charakterentwicklung im engeren Sinn. Danke aber für den Hinweis, die Faszination des “Steigerns” spielt da sicher auch eine Rolle.
Lieber Paradroid, deine wertvolle Arbeit für das Cthulhu-Fandom in Ehren, aber ich muss dir widersprechen: Cthulhu ist kein storylastiges Spiel. Im Grunde unterscheidet es von einem klassischen Fantasyrollenspiel nur das Szenario und selbst dieses ist mehr als nur fantastisch. Die Progression von Dingen wie etwa dem Wert Cthulhu-Mythos war vielen Spielern, mit denen ich über die Jahre gespielt habe, ein merkliches Anliegen und wirft man einen Blick in die von RuneQuest hergeleiteten Spielmechanismen, sieht man auch, dass es ein Spiel ist, in dem der Crunch, wie man ihn so schön nennt, eine durchaus gewichtige Rolle spielt. Dies ist wohl dem äußerst Derleth’schen Verständnis des Mythos geschuldet, welches wesentlich pulpiger als Lovecrafts ist, dessen Welt, in der der Mensch einer kosmischen Aussichtslosigkeit entgegengeht, unbespielbar wäre.
Mein Punkt ist, dass es weder ein klassisches Kampagnenspiel ist, noch ein One-Shot-System. Auch D&D nicht, da die spielmechanische Entwicklung des Charakters auch ohne zusammenhängende und auch über Gruppen hinausgehende Spielabende erfolgen kann. Natürlich entstammen beide dem kampagnenträchtigen Wargaming (Kampagne als der hier zutreffende Begriff fand dort ja erst seinen Ursprung) und haben demnach Guidelines und Regeln, die zu diesem Zwecke herangezogen werden können/sollen.
So wirklich ernst wird die Unterscheidung erst bei Spielen wie etwa Traveller oder Flashing Blades, die ganz eindeutig nur im Kampagnenspiel Sinn machen, da dieser Spielmodus Grundannahme des Systems ist. Sie entfalten sich nunmal auch nur zur Gänze in diesem, da mindestens die Hälfte–wenn nicht mehr–der Spielmechanismen auf längerfristiges Spielen ausgelegt sind.
Nun wieder zum Thema:
Klar laufe ich Gefahr hier als Settingfaschist verschrien zu werden, aber: selbst in einem eng abgegrenzten Setting kann und sollte es die Menge an Abwechslung geben, die große Reisen bzw. Umgebungssprünge (so es denn nicht gewünscht ist) obsolet macht und dennoch für jeden Erwartungstypus etwas bietet. Man kann ohne Probleme zig Spielabende füllen mit Regionen die vielleicht nur wenige km² groß sind, der Weiterentwicklung tut das absolut keinen Abbruch. Man kann in einem Handstreich sowohl investigatives, wie erforschendes, als auch kriegslastiges Spiel betreiben–Problemlos möchte ich sogar meinen–ohne, dass irgendjemand Abstriche machen müsse.
Das Regelsystem, das Setting und die (zeitlichen) Möglichkeiten wirken sich sehr stark auf die Spielform aus. Manche Systeme neigen zu einer Kampagnenform, wir kennen das von den Klassikern wie DSA. Die Charakterentwicklung hat hier sicher einen großen Einfluss. Interessant finde ich wie sich die Zeit im Spiel auswirkt. Zwischen Episodenspielen kann man leicht Zeit vergehen lassen. Wer erlebt schon jeden Tag ein Abenteuer? Was natürlich “realistischen” und modernen Settings sehr entgegen kommt. In einem Endlosspiel hat man mehr Platz um zeitaufwändige Reisen oder Studien auszuspielen. In einer phantastischen Welt voller Monster und Gefahren ist das durchaus Interessant und hat viel Potenzial für die Charakterentwicklung. ActionAdventure vs. Simulation? Ich glaub es gibt keine richtige Antwort. Aber ein “gutes” Rollenspiel sollte für mich so viele Spielformen wie möglich zulassen.
Weil ich gerade drüber gestolpert bin, hier eine etwas ausführlichere Erörterung weiterer Aspekte dieses Themas: auf roleplayingtips.com und auf system-matters.de.