Urlaub ist immer ein guter Zeitpunkt, um Neues auszuprobieren. Auf einem Bauernhof in der wunderbar grünen (momentan Wespen-verseuchten) Steiermark, abseits von TV und Videospielen, habe ich endlich das getan, was ich schon längst tun wollte: Ich habe versucht, den Funken der Begeisterung für unser wunderbares Hobby Rollenspiel an meine Tochter Alina (7) weiterzugeben. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ich glaube, es ist mir gelungen.
Bisher war es schon sehr geheimnisumwittert, was der Papa so treibt, wenn er wieder mal rollenspielen geht. Das erste Mal “darf ich auch rollenspielen?” habe ich schon vor 2 Jahren gehört, aber da kam das noch nicht in Frage. Dafür haben wir “so etwas ähnliches wie rollenspielen” gespielt, nämlich beim Geschichtenerzählen am Abend einen großen, Plüsch-W6 geworfen und die Geschichte danach verändert. War spannend genug.
Nachdem Alina im letzten Italien-Urlaub mit Yatzee den Umgang mit W6 erlernt hat, kam mir die Idee für ein Kinder-taugliches Rollenspiel mit Piraten-Thematik. Das Ding ist erst im Entstehen, hat aber jetzt schon einige recht innovative Ansätze, aber das ist hier eigentlich nicht Thema. Thema sind die Erkenntnisse, die ich aus diesem Experiment gewonnen habe:
- Alina hatte unglaubliche Probleme damit, sich bei der Wahl ihres Charakters für einen Archetyp zu entscheiden. Sie wollte die Tiermeisterin, aber die musste auch schießen können, aber eigentlich die Piratenprinzessin, aber nur, wenn die auch gut “turnen” kann. Dass die per default einen hohen Charme-Wert haben musste, interessierte nicht. Daraus gelernt: Typenzwang und Priorisieren von Stärken, etwa beim Attributeprofil, ist für Kinder ein schmerzhafter Kompromiss.
- Die Erschaffung, in unserem Fall das Erwürfeln von Startwerten, zauberte ein Fragezeichen auf ihr Gesicht. “Was machen wir denn da eigentlich?” Dass der Charakter ein variables Profil erhalten sollte, weil das ganze ja ein Spiel ist, konnte ich ihr nicht gleich so recht klar machen. Am Ende nahm sie es hin, aber diese Ausprägung von “Rollen & Spiel”, die für uns ganz selbstverständlich ist, war für sie keineswegs so selbstverständlich.
- Probenwürfeln war dagegen was ganz Plausibles. Mit W6+x auf 7 oder mehr kommen, war kein Problem, auch wenn ich den Verdacht habe, dass sie das Rechnen übersprungen und das Ergebnis so mancher Probe lieber aus meinem Gesicht abgelesen hat. Was soll ich sagen, Alina ist recht pragmatisch veranlagt.
- Was gut gefallen hat, war der Einsatz der Spezialfähigkeiten. Mit Energiepunkten befeuerte sie die Fähigkeit ihrer Tiermeisterin, mit Delfinen und Seepferdchen zu plaudern und auch mal einen großen roten Krebs auszuschicken, um die Insel im Nebel zu erkunden. Gewonnene Erkenntnis aber hierbei: Fähigkeiten müssen weit gefasst sein, sonst demotiviert das einfach nur. War in diesem Fall glücklicherweise breit genug angelegt.
- Kampf gegen lebende Vogelscheuchen war spannend und cool und mit viel “Oh nein!” und “Oh ja!!” verbunden. Gewonnene Erkenntnis aber hierbei: Spaß macht’s nur, wenn man selbst würfelt. Das Gewürfle des Spielleiters ist nicht halb so spannend. Eigentlich klar, aber für uns nicht immer so evident.
Das waren mal die Hauptbeobachtungen, einige andere habe ich für mich selbst auch noch gewonnen, die mir bei künftigen Designs helfen werden. Aber abgesehen vom Nutzen, den diese Session für mich als Spielentwickler stiftete, ist da etwas passiert, das ich mir für uns alle wünsche: dass wir uns die Gelegenheit verschaffen, einer neuen Generation den Mehrwert dieses Hobbys zu vermitteln. Zuhören, Erzählen, Kombinieren, Empathie, Zusammenarbeit – Rollenspiel fördert so viele großartige Kompetenzen und verdient es ganz besonders, an die Spieler von morgen weitergegeben zu werden.
Wie steht es mit euch? Hattet ihr schon Gelegenheit, eure Begeisterung auf die Next Generation abstrahlen zu lassen? Erzählt davon!