Ich gebe zu, ich bin DSA-geprägt. Ich erfinde immer wieder Systeme, in denen der Verteidiger die Chance hat, einen Treffer, der dramatisch bedrohlich im Raum schwebt, mit einem Würfelwurf gerade noch im letzten Augenblick zu vermeiden. Das gehört für mich einfach dazu. Das Problem an einem eigenen Parade/Ausweichen/Verteidigen/Blocken/whatever-Wurf ist allerdings, dass er zu Pattsituationen führt, wenn er nicht eine signifikant niedrigere Erfolgswahrscheinlichkeit hat.
Das Problem. “Treffer – pariert! Treffer – pariert!” ist der Albtraum eines jeden DSA-Spielers und macht nur im Film Spaß, wenn z.B. Kalidos und Red Sonja einander zur Erschöpfung treiben. Man kann dem nun durch Regelkrücken beikommen (Finten, Ausdauer-Schaden, Malus oder halbierte Werte o.ä.) oder das D&D-Prinzip quasi umdrehen, indem man Attacken von vornherein als gelungen betrachtet und nur die Paraden würfelt (ein interessanter Ansatz, mit dem mein Freund Markus gerade in TRiAS experimentiert).
Die Lösung. Für das eher traditionelle DESTINY stellte sich indes die Frage: Wie kann ich die Erfolgschance einer Parade senken, ohne dass ich den Spielern Kopfrechnen oder Rundungsprobleme zumute? Plötzlich fiel mir die geeignete Regel wie Schuppen von den Augen: Der Würfelwurf mit dem W66 (bei dem normalerweise der dunklere W6 als Zehnerstelle gelesen wird) ist in der Verteidigung so zu deuten, dass der höhere Sechsseiter die Zehnerstelle darstellt.
Die Analyse. Mein guter Freund Roland reagierte (wie immer) misstrauisch und analysierte dieses “pessimistsiche” Verhalten des W66 im Excel. Er wies nach, dass es für SCs mit niedrigem Kampfwert ein (relativ gesehen) stärkerer Nachteil war als für Profis. Hm… in solchen Fällen heißt es, Design-Entscheidungen zu fällen. Ist dieser Effekt erwünscht, oder sollen Anfänger eher geschützt werden? Ich meine nein, zumal Anfänger-SCs meist gegen Anfänger-NSCs kämpfen. Der gelernte DSA-Spieler kennt das Phänomen, das dabei droht: “Nicht getroffen. Nicht getroffen. Nicht getroffen. Getroffen! – Pariert! Scheiße…”
Demgegenüber spricht einiges für den relativen Vorteil des Profi-SCs: Er bekommt es mit mehreren NSCs zu tun, oft auch mit stärkeren NSCs, die Bindung zum Spieler ist bereits größer, und unrealistisch ist es ja auch nicht, dass ein Profi seine Reflexe besser beherrscht. Mir begann das pessimistische Würfeln immer besser zu gefallen, je mehr wir es analysierten!
Der Test. Im Test erwies sich das Prinzip als durchaus intuitiv. Damit war die letzte potenzielle Hürde genommen. Das “pessimistische Würfeln” wie auch sein Gegenpol, das “optimistische Würfeln”, waren aus der Taufe gehoben und sollten sich bis heute (mittlerweile 8 Jahre lang) im Kernregelwerk bewähren. Leider fielen mir nie bessere Namen dafür ein. 🙂