Meine Überlegungen von letztens, die grob gesagt darauf hinaus liefen, dass manche Arten von Meta-Ebene der Immersion abträglich sind, haben noch Kreise gezogen. Und zwar habe ich mir überlegt, ob es tatsächlich sein kann, dass die dramatische Seite des Rollenspiels (Story, Handlung, Action, Plot) und die immersive Seite des Rollenspiels (Charakterspiel, kreatives Inszenieren) möglicherweise sogar Antagonisten sind.
Unter diesen Vorzeichen habe ich meinen eigenen Spielleiter-Stil unter die Lupe genommen und in der Tat festgestellt, dass mein Fokus auf Story und Drama nur in den seltensten Fällen von großartigem Charakterspiel seitens der Spieler komplementiert wurde. Und das aus durchaus nachvollziehbaren Gründen:
- Story braucht Zeit. Zeit, die logischerweise anderswo fehlt. Ist die Story sehr dicht und wird nicht anderswo gespart (z.B. bei Rätseln, Kämpfen usw.), ist nur logisch, dass den Spielern weniger Zeit zum rollenspielerischen Explorieren ihrer Charaktere bleibt.
- Packendes Drama zieht Fokus auf sich. Im schlimmsten Fall bis zum Railroading, bei dem die Spieler nur noch Statisten sind. Es gibt aber auch den Zuschauer-Effekt, der ebenfalls auf Inaktivität der Spieler hinausläuft, nur nicht vom SL ausgehend, sondern von den Spielern, die sich bewusst oder unbewusst zurücklehnen und das großartige Drama wie eine TV-Serie genießen. In beiden Fällen sinkt die Interaktion und damit das Charakterspiel.
- Spannung als ein übliches Element packender Abenteuer (Kampf auf Leben und Tod, große epische Schlacht usw.) kann dazu führen, dass die Spieler – trotz aller guten Vorsätze, im Charakter zu bleiben – auf die Meta-Ebene gezwungen werden. Ich kenne das von mir: Ich sehe die Welt so lange aus den Augen meines SC, bis es ihm oder der Gruppe an den Kragen geht. Dann bin ich plötzlich ganz schnell Alexander, der meta-taktisch agiert und ums “Gewinnen” spielt. Als SL war ich lange Zeit der Ansicht, ein Abenteuer sei nur dann spannend, wenn einer der Charaktere am Ende an der Schwelle des Todes steht. Finalkämpfe in dieser Weise zu dosieren, ist eine meiner größten Begabungen. Rückblickend weiß ich nicht, ob das so gut war. Nicht nur wegen des gerade beschriebenen Effekts, sondern auch weil ich die Spieler damit zu übertriebener Vorsicht erzog und sie möglicherweise aus Selbstschutz keine Bindung zu ihren SCs eingehen wollten.
Vermutlich gibt es noch weitere Argumente, aber eigentlich reichen schon die wenigen, um sich Gedanken darüber zu machen, ob Drama nicht auch etwas ist, das man überdosieren kann. Die Antithese liefern jene meiner Runden, in denen der Fokus auf Charakterspiel liegt. Dort sind gerade die dramatischen Abenteuer eher gefloppt. Zufall? Jedenfalls mal Stoff zum Nachdenken über den eigenen Spielleiterstil.