Bau einer Sandbox (Teil 1)

Ich wurde schon mehrfach darauf angesprochen, wie ich denn eigentlich daran ging, Istarea, das Sandbox-Setting für Destiny Dungeon, zu bauen. Kreative Prozesse sind bekanntlich schwer zu erklären, vor allem im Nachhinein, aber ein bisschen Struktur ist schon dahinter, daher versuch’ ich’s mit einer kleinen Retrospektive. Detaillierte step-by-step-Anleitungen gibt es schon von anderen Autoren, z.B. BatInTheAttic, weshalb ich hier eher versuche, die grobe Vision herauszuarbeiten.

Schritt 1: Die Grobdefinition

Zuerst hieß es für mich, mir klar zu werden, welche Funktionen die Sandbox zu erfüllen hat. Auch die Definition von “Sandbox” ist hierfür wichtig. Meine Definition sieht Sandbox als ein Setting, das einen bestimmten Spielstil unterstützt. Dieser ist geprägt durch

  • Spielerinitiative
  • Gefährlichkeit
  • hohe Dynamik
  • hohe Flexibilität
  • Non-Linearität sowie
  • wenig bis keine Abhängigkeit von Spieleraktionen.

All das fordert in meinen Augen ein Setting, das folgende Kriterien erfüllt:

Relative Kleinräumigkeit. Man soll innerhalb des Settings mobil sein, d.h. vergleichsweise einfach von einem Punkt zum anderen kommen. Settings, in denen man wochenlang von hier nach dort reist, sind der Dynamik nicht zuträglich, man denke nur an das Schneckentempo, mit dem sich Neuigkeiten verbreiten, wenn tausende Kilometer, reißende Ströme, Binnenmeere und undurchdringliche Sümpfe zwischen zwei Orten liegen. Wenn jeder und alles auf einander reagieren können soll, dann darf das Setting in diesem Punkt keinen Widerstand bieten.

Abgeschlossenheit. Das ist kein zwingendes Kriterium, aber es hilft, den Spielern klar zu machen, dass sich das Spiel bis hierhin und nicht weiter erstreckt. Nichts ist blöder, als wenn es später heißt “dort dürft ihr aber nicht hingehen, alles jenseits des Flusses ist nicht beschrieben, das hab’ ich nicht vorbereitet”. Da schon lieber eine für alle von vornherein klar definierte Grenze. War übrigens auch ein Grund, warum Istarea als Tal konzipiert ist.

Konfliktreiche NSCs und Fraktionen. Kurz gesagt, es braucht einfach eine Handvoll Parteien, die einander nicht wirklich grün sind. In Istarea ist es mir gelungen, ein Konflikt-Netz zu ersinnen, in dem wirklich so ziemlich jeder mit jedem hadert. Das ist der Grundstoff, aus dem SL Widersacher und Antagonisten entwickeln können. Der muss einfach da sein, sonst hat der SL Arbeit und muss erst selbst seine Fraktionen erfinden – eine Arbeit, die man ihm als Sandbox-Designer abnehmen kann und sollte.

Legendäre Örtlichkeiten. Eines der wichtigsten Dinge beim Sandbox-Campaigning ist, dass die Spieler Initiative zeigen. Das können sie aber nur, wenn sie über Informationen verfügen. Welche Informationen kann man den Spielern geben, ohne dass sie gespoilert werden? Richtig: Gerüchte, Legenden, Mythen, Geschichten. Daher sollte das Setting bis zum Rand voll sein mit Örtlichkeiten, um die sich landesweit bekannte Geschichten ranken. Wie ich zu solchen komme, beschreibe ich noch eingehender.

Schritt 2 wird sich demnächst um die roten Fäden drehen. Stay tuned!

DD#56 Karte statt Adventkalender

Eigentlich hätte ich als geschäftstüchtiger Selbstvermarkter den Advent nicht einfach so vorübergehen lassen dürfen. Ich hätte ein bisschen Wirbel veranstalten sollen und die Community mit einem Destiny Dungeon-Adventkalender beglücken müssen. Das wäre sogar ganz gut gegangen, enthält Destiny Dungeon ja 22 Szenarien (2 Bonus-Szenarien für den 6. und 24.12. wären mir schon noch eingefallen), die man täglich zum Besten hätte geben können.

Leider blieb auch dafür keine Zeit mehr, aber die Idee, die Szenarien der Allgemeinheit als Plothooks zur Verfügung stellen, hat sich trotzdem hartnäckig gehalten, und zwar in Form einer mit “Glossen” versehenen Karte von Istarea. Diese eignet sich sowohl als Spieler-Handout im Rahmen einer Istarea-Kampagne als auch als Inspirationsmaterial für Spieler/Spielleiter, die nichts mit Destiny Dungeon am Hut haben und dennoch die eine oder andere Abenteuer-Idee ganz gut gebrauchen können.

DD#40 Destiny Dungeon Teilpreview 1: Istarea

Endlich was zum Anschauen: Hier ist das 1. Teilpreview von Destiny Dungeon. Es enthält den Setting-Teil, also alle Infos zu Istarea, mit Ausnahme der Szenarien (die kriegen ihren eigenen Teil) und der Archetypen (die gehören zum Regelteil).

So ein Teilpreview ist mehr als die Demonstration eines Meilensteins. Es ist auch eine Selbstmotivation, weil man das, was man wochenlang nur dahinskizziert oder in sterilen Texteditoren gesammelt hat, endlich in präsentabler Form vor sich sieht. Man bekommt ein Gefühl für Umfang und Länge von Informationen und für Proportionen. Ich hätte z.B. die Aufhänger ursprünglich als viel kürzer eingeschätzt im Verhältnis zur Gesamtlänge und habe mir kurz auch überlegt, sie in einen Anhang auszuscheiden, aber sie definieren die Städte doch wesentlich mit, daher habe ich sie mal dort gelassen, wo sie jetzt sind.

Immer auch ein Aha-Erlebnis sind die Seitenumbrüche. Eigentlich weiß man erst beim Layouten, ob ein Kapitel noch Text braucht oder man den vorhandenen sogar kürzen muss. Im Kapitel “Gruppierungen” musste ich eh schummeln, habe das Bild zur Weißen Kirche links davon ins Kapitel “Götter” gestellt, weil die einfach für 2 Seiten nicht gereicht haben, umgekehrt im Kapitel “Gruppierungen” kein Platz mehr dafür gewesen wäre.

Im übrigen hat sich vieles gut ergeben, z.B. die Städte, die fast durchgehend 3 Spalten in Anspruch genommen haben, was mir insofern wichtig ist, als ich bei Kapiteln, die viel nachgeschlagen werden, ungern Überschriften irgendwo anders hin setze als ans obere Ende einer Spalte.

So, meine Lieben: Ich überlasse euch mal der Lektüre dieses hoffentlich Appetit anregenden Settings und werfe mich weiter auf Szenarien und Regelteil. *wump*

DD#38 Querverbindungen

Während ich gerade an den Szenarien werke (Feuerwasser-See, Elfenmoor und Wall der 1000 Höhlen sind schon so gut wie fertig), wird mir wieder bewusst, wie wichtig Querverbindungen für ein funktionierendes Setting sind. Damit die Spieler das Gefühl haben, in einer konsistenten, zusammenhängenden Welt zu spielen – und das ist im Falle Istareas mein erklärter Anspruch – ist es unerlässlich, dass die Elemente nicht nur für sich funktionieren, sondern auch mit einander in Verbindung stehen.

Wie möchte ich das erreichen bzw. forcieren:

  • Ich bastle an einer Gerüchte-Tabelle. Da kann sich der Spielleiter schon vor dem Abenteuer ein Faktum oder einen Hinweis heraussuchen, den er den Spielern bei entsprechender Gelegenheit unterjubelt. Es kann also gut sein, dass man in Iphanir in der Taverne hört, dass das Holz des Trollkönigs feuerfest ist, was sich irgendwann einmal rentiert, wenn die SCs mit einem Schiff den Feuerwasser-See befahren müssen.
  • Ich verstecke in jedem Szenario einen Gegenstand oder Hinweis, der in einem anderen Szenario hilfreich ist. Ob hilfreich oder unerlässlich überlasse ich dem Spielleiter – ich möchte das Korsett nicht zu eng schnallen. Wenn der SL meint, eine Kampagne draus zu machen, dass die SCs zuerst Haguls Zauberkompass im Wall der 1000 Höhlen finden müssen, um damit anschließend in die magische Matrix der Seufzenden Ebene zu gehen, wunderbar. Wenn nicht, bricht das Szenario-Gefüge auch nicht zusammen.
  • Ich baue möglichst viele Teilaufgaben ein. Es muss nicht Sinn eines jeden Szenarios sein, den ultimativen “Schatz” (im weitesten Sinn) zu lukrieren; oft reicht es auch schon, die Peripherie zu erkunden und den einen oder anderen exotischen Gegenstand zu erbeuten. Im Szenario Feuerwasser-See z.B. kann man auf dem See bereits einen Feuerlotos bergen, ohne das andere Ufer zu erreichen und in die Anlage des Magiers einzudringen. Der Feuerlotos kann für sich genommen bereits ein Ding darstellen, das in einem anderen Szenario gebraucht wird, und ist nicht darauf beschränkt, im selben Szenario eine vorbestimmte Rolle zu spielen. Mit 1:1-Schlüssel-Schloss-Mechanismen halte ich mich eher zurück; die Lösungen sollen (zumindest mehrheitlich) auf mehreren Wegen erreichbar sein.
  • Ich versuche NSCs einzuführen, die schon in der Vergangenheit eine Spur durch Istarea gezogen haben. Mit der Absicht, einen Konnex zwischen scheinbar unabhängigen Szenarien zu schaffen, der die Spieler neugierig macht. (“Mathander der Reisende? Haben wir von dem nicht schon gehört? Wo war das denn gleich? Hm, warum war der vorher hier?”)
  • Eine vergleichsweise billige Maßnahme: Ich habe sämtliche Örtlichkeiten und Siedlungen in einer Tabelle eingefangen, auf die der SL würfeln kann, um relevante Positionen zu bestimmen. Er kann damit meine Vorgaben, die ich in den Szenarien treffe, ergänzen oder zu Gunsten des Zufalls overrulen und sich damit gewissermaßen auch selbst überraschen lassen. Wenn also der böse Magier meint, er müsse aus Rache die Taverne an einen möglichst fernen Ort teleportieren, kann der SL sich selbst überraschen lassen und schauen, wo sie denn landet.

Querverbindungen zu schaffen macht das Ersinnen von Szenarien nicht unbedingt leichter. Methodisch betrachtet bedingt es ein ständiges Hin- und Herspringen. Ich füge Elemente ein, reiße sie wieder raus, setze sie an einen anderen Ort, ergänze hier ein Gerücht oder dort ein Artefakt und so weiter. Dabei beschreite ich den schmalen Grat zwischen zu vermeidender Schnitzeljagd und gut gemeinter, aber letztlich überflüssiger Optionalität.

Auch wenn es sich ein bisschen wie “2 Schritte vor, 1 Schritt zurück” anfühlt – ich kriege dabei unheimlich Lust, mein eigenes Setting zu bespielen!

Zwei Herzen…

Nein, heute geht es nicht um den tentakelbewehrten, dreiarmigen Riesen mit den zwei Herzen und den vier Augen, von denen zwei vorne und zwei hinten angebracht sind. Es geht um meine zwei Rollenspielherzen, die in meiner Brust schlagen, wenn es um die Frage geht, mit welcher Art von Campaign ich mich wohl fühle. Ausgelöst durch eine Diskussion in meiner Stammrunde, die – nach 10 Jahren Araclia und Destiny – nun zu neuen Ufern aufbrechen soll, um neue rollenspielerische Weiten zu erkunden.

Mein Herz #1 schlägt dafür, neue Spiele auszuprobieren, mal was gänzlich anderes als das Bisherige zu spielen, den Horizont zu erweitern, ein neues Spielgefühl zu entwickeln. Campaigns wie Hollow Earth Expedition, die uns gerade beschäftigt, aber auch so etwas wie 50 Fathoms, vielleicht ein paar Wochen lang Fiasco, danach eventuell mal was Science-Fiction-Mäßiges (obwohl ich da noch kein System gefunden habe, das mich wirklich ansprechen würde). Das ist schon aus Spieldesigner-Sicht total wichtig, sich mit anderen Mechanismen, seien sie genial oder sperrig, auseinander zu setzen, aber auch als Spieler juckt es mich einfach, Neues in praxi kennenzulernen.

Leider gibt es auch noch mein Herz #2, das mit Herz #1 nicht im Gleichklang schlagen mag. Geprägt durch jahrelanges DSA in der Prä-Borbarad-Phase, gelüstet es mich nach einer Fantasy-Runde Marke Endlosspiel oder, wie wir es neulich nannten: ein “Heimkehrer-Setting“, das man wirklich gut kennen lernt, mit dem man sich nach vielen vielen Abenteuern identifiziert, wo man auch mal eine Örtlichkeit oder Persönlichkeit ein zweites oder drittes Mal trifft und Querverbindungen zu früheren Abenteuern ziehen kann. Etwas, wo man das eigene Rollenspiel mit Traditionen und liebevollen Details bereichern kann und vor allem: eine Campaign, in der ich einen Character endlich einmal über die 7. Stufe hinaus spielen kann und eine echte Entwicklung spüre, ehe die Runde versumpft und man wieder zu etwas anderem wechselt. Das von unserer Runde ausgiebig gespielte Araclia (Release vermutlich Ende dieses Jahres) wäre ein solches Heimkehrer-Setting gewesen, allerdings möchte ich niemandem zumuten, Campaigns in Araclia zu leiten, wenn ich – der Erfinder der Welt – am Tisch sitze. Ergo müssen wir uns nach etwas Anderem umschauen, in dem wir alle den gleichen Wissensstand haben und das uns system-mäßig zusagt (D&D tut das übrigens nicht). Destination daher bis dato ungewiss.

Formell haben wir jedenfalls einen Weg gefunden, beide Herzen zu befriedigen: Unsere zweiwöchentlich am Sonntag stattfindende Runde wird nun abwechselnd das eine und das andere spielen. Quasi zwei Sub-Runden, eine mit frischen Kurzcampaigns á 6-10 Sessions, und eine Heimkehrer-Campaign. Nachteil: Zwischen den Abenteuern vergeht mehr Zeit als bisher, und man spielt halt zwei Campaigns zur selben Zeit. Wir werden natürlich darauf achten, dass sich die Settings stilistisch stark unterscheiden, damit man nicht Gefahr läuft, Plots oder Charaktere durcheinander zu bringen.

So, jetzt kennt ihr meine zwei Spielerherzen, und vielleicht entdeckt ihr ja auch ein zweites oder gar drittes bei euch. Und solltet ihr uns ein Fantasy-Heimkehrer-Setting empfehlen können, nichts wie her damit!

DD#22 NSCs in Istarea

Pfingsten hat sich ohne Frage positiv auf meine Schaffenskraft ausgewirkt. Ich habe einige Anregungen aus den Kommentaren in meine Materialien eingearbeitet, vor allem aber  habe ich Istarea um einige NSCs erweitert, die bisher nur Namen waren:

König Maras ist nun im hohen Alter zu einem philosophischen, introspektiven Regenten geworden, der sein Lebenswerk kritisch hinterfragt und von vielen als zu nachgiebig gesehen wird. Seine Frau, Königin Averna, hat da schon mehr Power und engagiert sich intensiv in der Weißen Kirche, um das Königreich mit den Mitteln einer Frau zu gestalten. Der gemeinsame Sohn Mylius ist ein Träumer, ein Ritter Romantique, den es in die Ferne zieht, der aber von seiner Mutter nicht losgelassen wird und immer wieder von ihr gegen seinen Bruder Marcor aufgehetzt wird. Marcor, der dunkel-charismatische Thronfolger, dessen biologische Vaterschaft nie geklärt wurde, ist hingegen ein harter Taktiker und ein furchterregender Bogenschütze, dessen schwarze Pfeile im ganzen Land legendär sind. Er trägt das Mal des Hôr und opfert vor jeder Schlacht Blut, um siegreich zu bleiben – was aber niemand weiß, denn sonst wäre es wohl aus mit der Thronfolge. Und dann ist da natürlich Mavith, König Maras’ stolzer, hochmütiger Bruder und Todfeind, der dank elfischer Magie schon seit Jahren nicht mehr altert und eifrig konspiriert. Mavith war der Schlaue von den beiden Brüdern. Das Königreich Istarea, wie es jetzt existiert, war eigentlich sein Traum. Er wird alles tun, um ihn sich zurückzuholen oder notfalls zu zerstören.

Soweit die erste Riege der NSCs. Die zweite bilden die Grafen und Stellvertreter der Völker/Rassen. Da gibt es bereits einige, z.B. die korrupte, fette Gräfin von Usthir, die in ihre eigene Tasche wirtschaftet, oder den schwachen Grafen von Equiun, der aus Angst vor einem Konflikt mit den Vampiren koaliert. Mein Liebling: Graf Terus Schlangenblender, der die Riesenschlange unter Lovorn mit dem Schwert in der Hand konfrontierte und dabei sein Bein verlor, allerdings nicht, ohne der Schlange sein Schwert ins Auge zu rammen, wo es heute noch steckt. Dann wird es noch die Gräfin von Iphanir geben, die an ihres Mannes Statt über die Kornkammer regiert, seit dieser bei einer Expedition ins Elfenmoor verschwand. Die Ärmste erhält allerdings vom König den Titel nicht, da sich die Grafenwürde nicht/nicht auf Ehegatten vererbt.

Zumindest in meiner Vorstellung ist Istarea bereits ein sehr lebendiges Setting geworden. Jetzt sind raffiniert ausgearbeitete NSCs zwar nicht unbedingt die conditio sine qua non für ein gutes Sandbox-Setting, aber ich denke, es hilft, wenn man als SL eine Anzahl an Personen zur Verfügung hat, die das Geschehen vorantreiben, wenn die SCs das gerade nicht tun, oder ihnen in die Hände spielen oder aber gegen sie agieren.

Worauf man, glaube ich, aufpassen muss, ist, dass die NSCs nicht interessanter werden als die SCs und sich zwischen ihnen ein “inzestuöses Drama” bildet. Wenn sich plötzlich alles seifenopern-artig um die Königsfamilie dreht, kann es leicht geschehen, dass man als Spieler zum Statisten wird, und das wäre natürlich nicht im Sinne des old-school/Sandbox/World-in-Motion-Gedankens. So gesehen möchte ich zum Thema NSCs in Istarea gar nicht viel mehr als das eben Skizzierte einbringen, um den SL nicht in Versuchung zu führen, sein eigenes Drama zu spinnen. Das sollte nachwievor von den SCs ausgehen.

DD#21 Städte braucht das Land

Mittlerweile geht es, was die Details des Settings angeht, ans Eingemachte. Ich habe mir bereits umfangreiche Gedanken zu den Städten gemacht. Jede soll einen eigenen Charakter haben, und es soll unterschiedliche Gründe geben, warum man als SC hierhin und nicht dorthin zieht. Letzteres ist noch ein offener Punkt, aber die grundlegenden Charakterisierungen der (Klein-)Städte sind fertig. Ich eröffne wieder mit einem Beispiel:

Aeliun ist die größte und älteste Stadt des Königreichs. Sie war die erste Befestigung der Siedler und liegt vergleichsweise unzugänglich auf einer großen und mehreren kleinen Felsinseln, die mehrere Meter hoch aus dem sumpfigen Delta der Unagke herausragen und durch steinerne Brücken mit einander verbunden sind. Der größte Bezirk Aeliuns, auch der Alte Distrikt genannt, beherbergt die Halle des Mondrith, ein ehrwürdiges Gemäuer, das anlässlich der Stadtgründung errichtet wurde und in dem heute die Stadtverwaltung ansässig ist, weiters den Königspalast, den Kerkerturm und den Hochtempel der Pakya.
Die Herrschaft über Aeliun liegt bei Prinz Mylius, der allerdings viel lieber mit seinem Bruder tauschen und die königlichen Reiter im Herzen des Tales kommandieren würde. Dementsprechend halbherzig ist sein Engagement als Stadtherr, und so kommt es, dass sich in Aeliun, direkt unter den Augen des Königs, allerhand Gesindel tummelt und die Diebesgilde der Silberschlangen wirkt und gedeiht. Angeblich besitzt sie bereits ein Zehntel aller Gebäude, vornehmlich solche mit unterirdischen Gängen und Kellern aus der Blütezeit der Schwarzen Hydra.
Die weitläufigen Sümpfe um Aeliun sind tückisch und gefährlich: Schwarze Irrlichter schwirren hier umher und quälen den nahen Elfenstamm der Alethiên. Manchmal, wenn die Alethiên die Oberhand gewinnen, kommen die Schwarzen Irrlichter in die Stadt, und einige Einwohner erwachen nicht mehr aus ihrem Schlaf – der Zorn des Hôr, so die Geweihten der Pakya, die darin nur einen weiteren Grund sehen, dass sich die Bevölkerung allein ihnen zuwenden sollte.

Demgegenüber wird Usthir die Stadt der Handwerker werden, gelegen auf einer Anhöhe, die nur über eine Felsbrücke zu erreichen ist. Unter der Klippenstadt Lovorn wird es ein Tunnelsystem geben, in dem eine Riesenschlange haust, der man in alten Zeiten Opfer darbrachte (die heute noch als Schätze herum liegen). Irrilnir wurde ursprünglich von den Zyklopen erbaut, weshalb alles sehr flach, groß und geräumig ist. Die Nähe zum Lavatempel sorgt für exzessive Verwendung von Glas in der Architektur der Stadt. Iphanir wird in drei Etagen existieren, unten die verlassenen Ruinen, oben die befestigte Stadt und noch weiter oben die magischen Terrassenfelder, die die Stadt zur Kornkammer des Tals machen. Garavorn wird auf einem Plateau liegen, neben dem ein Wasserfall in die Tiefe rauscht. Die Flusshöhlen oberhalb werden von Salamanderlingen bewohnt sein. Und die ehemalige Friedhofsstadt Equiun nahe den Ewigtoten Türmen wird den Flair einer Stadt im Wald haben, allerdings von Vampiren heimgesucht werden, die sich allabendlich Opfer suchen, diese halbleer saugen, einen Vergessenszauber hinterlassen und wieder abziehen. Der Stadtfürst weiß das, ist aber schwach und hat einen Pakt mit der Vampirfürstin geschlossen. Die Zwergenstädte Hagulsheim und Grorulsklamm fehlen mir leider noch; Zwerge sind nicht unbedingt meine Spezialität…

Alle Städte, so der Plan, sollen 1-2 eigene Tabellen erhalten mit Zufallsbegegnungen und -ereignissen sowie einen Statblock, in dem z.B. Preise und Verfügbarkeit modifiziert werden. Usthir wird z.B. sehr teuer sein, dafür wird man dort besonders gute Waren erstehen können. Letztendlich wird jede Siedlung 1 Seite einnehmen; lokale Szenarien werden ausgelagert in den Szenarienteil, auf den dann nur verwiesen wird.

Romane als Settingvorlage funktionieren nicht.

Bis gestern abend wusste ich nicht so recht, worüber ich heute bloggen würde, aber dann sah ich eine weitere Episode Game of Thrones, und wieder kam in mir der Wunsch auf, in so einem tollen Setting rollenzuspielen. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass alle unsere bisherigen Versuche, Settings zu bespielen oder so aufzubauen, wie man sie aus Film und Literatur kennt, gescheitert sind. Ist das so? Muss das so sein? Wenn ja, warum?

Vielleicht nicht in jedem Fall, aber ich glaube, ihr werdet mir zustimmen, dass die Voraussetzungen für ein Setting sehr unterschiedliche sind, je nachdem, ob man darin rollenspielen möchte oder es als Kulisse für vorgegebene Geschichten verwenden will.

Komplexität und Größe. Die Seven Kingdoms zum Beispiel wären für mich, so faszinierend sie in Buch und TV rüberkommen, als Rollenspieler eine glatte Überforderung. Hat jemand all die Wappen und Familienstrukturen aus dem Appendix im Kopf? Kann jeder die Orte gleich zuordnen und weiß, wer da gerade von wessen Gnaden herrscht? Ich könnte so etwas nur mit vorgegebenem oder penibel vorbereitetem Material spielen oder – was nicht Sinn der Sache ist – generisch und allgemein halten, um nirgendwo anzuecken.

Legendentum. Legend of The Seeker ist für mich ein anderes Beispiel. Eine Welt, die so stark um eine Prophezeiung herum aufgebaut ist, und in der immer nur eine Person der Erlöser sein kann, ist für mich zumindest als Spieler frustrierend. Ich weiß genau, ich könnte als Spielercharakter Richard und Kahlan nie das Wasser reichen, ebenso wie Raistlin und Tasslehoff und  Luke und Han Solo unantastbar sind.

Thema. Settings mit zu abgedrehter oder zu dominanter Thematik – so etwas wie alle paar Stunden fällt giftiger Regen, Häuser versinken á la Dark City oder Menschen werden von Dämonen beschworen und verschwinden (plopp!) unerwartet – solche Settings entfachen anfangs unglaubliche Faszination, aber nach ein paar Mal Spielen kommt man oft drauf, dass sich darin viele Ideen einfach nicht umsetzen lassen. Keine Frage, Originalität ist wichtig, sie hält das Genre am Leben, aber mein Ansatz ist immer der gewesen, solche Dinge überlegt und wohldosiert einzusetzen. Zumindest, wenn man das Setting nicht nur verkaufen will, sondern anstrebt, dass es die Leute lange Zeit verwenden können.

Details. Im Detail steckt oft der Teufel. Zum Beispiel haben in nicht wenigen Fantasy-Romanen Heilzauber, Heiltränke und Wiederweckungen ihren festen Platz. Hat sich aber schon einmal jemand überlegt, wozu eine Inflation mit diesen Elementen führt? Man müsste alle Gegner nach dem Kampf zerstückeln, um sicher zu gehen, dass sie nicht wieder aufstehen. Plots wie “Attentat auf den König” werden auch plötzlich sinnlos, denn der König hat bestimmt in seinem Nachtkästchen einen Heiltrank oder einen Priester für solche Fälle. Details, die in Geschichten entweder nicht auffallen oder kasuistisch erklärt werden können, aber einer gewieften Rollenspielgruppe sehr bald negativ aufstoßen.

Ausnahmen bestätigen gewiss die Regel, aber die Regel, so meine ich, lautet: Romanwelten als Settingvorlage funktionieren nicht. Behaupte ich mal und freue mich, falls mich jemand mit Gegenbeispielen eines Besseren zu belehren weiß.

DD#04 Setting-Requirements

Destiny Dungeon soll nicht ein Würfelsystem mit generischen Dungeon-Szenarien werden. Mir schwebt vor, all die Konzepte in ein ansprechendes Setting einzubetten, das einerseits traditionelle Bedürfnisse befriedigt, andererseits aber genug originelle Elemente enthalten soll, um die Menschen da draußen neugierig zu machen. Welche Funktionen muss unser Old-School-Setting also erfüllen? Ich brainstorme mal:

  • Überschaubar. Ich möchte, dass die Leute gleich drauf los spielen können, ohne erst mit der Lupe den Ort der Handlung suchen zu müssen.
  • Kleinräumig. Ich möchte eine dynamische Campaign, in der man Örtlichkeiten auch mehrmals aufsuchen können muss und immer wieder auf dieselben Persönlichkeiten treffen kann. Handlungen an Ort A sollen Auswirkungen auf Ort B haben, und ich möchte keine langen Reiseabenteuer zwischen den Szenarien haben, also muss alles nah bei einander liegen. Von hier nach dort in 1 Woche.
  • Abgegrenzt. Ist die Welt geographisch gut abgegrenzt, unterstützt das den Sandbox-Charakter, der mir vorschwebt, daher sehe ich schon mal flankierende Gebirge um das Setting herum aufragen. Weil ich mir zumindest die Möglichkeit für Schiff- und Meeresabenteuer offen halten möchte, plane ich einen schmalen Zugang zur Küste ein.
  • Ordnung und Chaos. Nur von Dungeon zu Dungeon zu hoppen, hätte nichts mit Old-School zu tun, sondern wäre bloß fad. Damit die Campaign so abwechslungsreich wie möglich ist und interessante Geschichten involviert, brauche ich Zivilisation und Chaos Seite an Seite. Ein Eroberungssetting vielleicht?
  • Traditionelle Rassen. Old-School geht schwer ohne Elfen und Zwerge. Wiewohl ich mir hoch und heilig vornehme, die Klischees so weit wie möglich zu brechen, ohne das Feeling zu zerstören, das sich Spieler von diesen Rassen erwarten. Mal schauen, ob und wie mir das gelingt. Ideen dazu hab’ ich schon. Auf Orks werd’ ich übrigens verzichten, von Halblingen halte ich nichts, und meine Munition für Gnome habe ich schon in Lys Marrah (Destiny-Beginner) verschossen.
  • Ruinen, Ruinen, Ruinen. Ich bin vor allem Geschichtenerzähler und möchte daher, dass meine Dungeons eine Geschichte haben. Es soll nachvollziehbar sein, warum es hunderte unterirdische Anlagen mit mechanischen Fallen und Schätzen gibt. Ich muss mir also Gedanken darüber machen, wer in diesem Setting all diese Dungeons gebaut hat und warum.
  • Monster, Monster. In Destiny Dungeon sollen die SCs jederzeit damit rechnen müssen, von einem Monster aufgemischt zu werden. Wo kommen die aber her? Wer hat all die grotesken Chimären und halbdämonischen Kreaturen erschaffen, die wir für unsere Old-School-Experience brauchen?
  • Die Geschichte lebt. Zugegeben, ich bin ein Fan durchdachter Historien. Ich schließe daher sicher von mir auf andere, wenn ich mir für Destiny Dungeon eine Geschichte wünsche, die nicht nur logisch und schlüssig ist, sondern auch möglichst viele Adventure Hooks bereit hält. Die Geschichte soll sich in der Gegenwart widerspiegeln. Ich teile daher die Annalen unseres Settings schon mal gedanklich in eine ältere Geschichte und eine jüngere Geschichte. Während die ältere erklärt, warum alles so ist, wie es ist, soll die jüngere Geschichte Stoff für Konflikte und Intrigen schaffen und das Fundament für die erzählerische Weiterentwicklung des Settings legen.
  • Völker. Da das Setting kleinräumig ist, wäre es unglaubwürdig, wenn ich hier allzu unterschiedliche Völker wie z.B. Nordlandbarbaren und Wüstennomaden zusammenführte. Die wären, logisch betrachtet, weit weg von ihrer Heimat, und Hintergrundinfo zu ihnen aufzunehmen wäre wohl deplatziert. Andererseits macht es schon Sinn, SCs verschiedene kulturelle Konzepte anzubieten. Ich behalte mal im Hinterkopf, dass ich da irgendeine Art von Vielfalt vorsehen muss.
  • Meta-Plot. Auch wenn es nicht zwingend das dominante Thema der Campaign ist, sehe ich mal sicherheitshalber ein Katastrophenszenario vor, das es im Laufe der Campaign zu verhindern gelten könnte. Ich muss noch entscheiden, ob mir das ins Konzept passt oder nicht; weglassen oder herunterspielen kann man es später immer noch.
  • Götter. Destiny Dungeon soll 1. schnell spielbar sein und 2. Raum für alte Götter und deren Heiligtümer lassen. Es hätte daher wenig Sinn, einen ausgefeilten Pantheon mit einem Numerus Clausus an Gottheiten zu definieren. Ich werde mich daher auf 2 oder 3 Hauptgötter beschränken, denen man die Archetypen und Konzepte des Alltags intuitiv zuordnen kann. So etwas wie Vater, Mutter, Kind oder Gut, Böse, Neutral oder Schwarz, Weiß, Grau.

Jetzt muss ich “nur” noch den geeigneten Rahmen für all diese Elemente hinkriegen…