DD#52 Die Szenarien sind schuld. Aber warum eigentlich?

Der Hauptgrund für die Verspätung des Destiny Dungeon Releases sind die Szenarien, die deutlich größer und umfangreicher ausfallen als erwartet. Ich wurde schon öfters gefragt, warum ich darauf solchen Wert lege, wo doch das eigentliche Produkt “nur ein Regelwerk” sei und ein solches auch mit 1-2 Beispielabenteuern auskäme. Ich möchte darauf antworten, indem ich erläutere, welche Bedeutung die Szenarien für meine Vision haben.

Destiny Dungeon entstand nicht, weil Old-school gerade “in” ist, sondern weil ich mir damit einen Traum erfüllen wollte. Ich wollte eine Campaign schaffen, in der die Spieler die absolute Handlungsfreiheit haben und die Handlung ebenso stark von den Spielern wie vom SL ausgeht. Das Um und Auf einer solchen proaktiven Kampagne ist, dass Spieler und SL Informationen haben. Sollen die Spieler das Gefühl der völligen Freiheit bekommen, dann muss der SL auch bereit sein, sie “überall” hinzulassen. Und das geht nur, wenn er über “überall” Informationen besitzt. Andernfalls entsteht zwangsläufig die Tendenz, die Charaktere zu vertrauten oder beschriebenen “hot spots” zu schieben. Dieser “Magnetismus des Vorgefertigten” ist natürlich immer gegeben, denn man kann nicht für jeden Weiher und jeden Hügel ein Abenteuer ausarbeiten, aber das Spielgefühl entsteht nur dann, wenn eine kritische Masse an Örtlichkeiten in der Welt ausgearbeitet ist.

Soweit zur Quantität. Es gibt aber auch qualitative Kriterien, die mir wichtig waren:

  • Unmittelbare Verwendbarkeit. Die Szenarien sind keine Aufhänger oder inspirierten Beschreibungen, die letztendlich wieder dem SL den Task umhängen, sich Abenteuerliches auszudenken, sondern so detailliert ausgearbeitet, dass man damit unmittelbar ins Abenteuer gehen kann. Teilweise sogar bis auf die Ebene der Spieltechnik hinunter, damit der SL gleich eine Idee bekommt, wie Destiny Dungeon funktioniert (wieviel Schaden, welche Proben usw.).
  • Kompaktheit. Alle Szenarien sind kompakt dargestellt (2-3 Seiten), damit sich der SL schnell (ca. 5 Minuten) einen Überblick verschaffen kann. Alles andere wäre in einer Sandbox ziemlich witzlos.
  • Viele Missionen pro Szenario. Möglicherweise dringen die SCs in Morkanthors Labyrinth ein, um seinen schwarzen Stein zu finden, vielleicht geht es ihnen darum, einen der Hor-Gläubigen aus seiner Sekte zu befreien, vielleicht durchqueren sie das Labyrinth, um zum Tempel des Goldenen Lichts zu gelangen, oder einfach nur um Monster zu schnetzeln und Schätze zu heben. Jedem Szenario kann man sich aus unterschiedlichsten Motivationen heraus nähern.
  • Keine getriggerten Ereignisse. Bis auf 1 oder 2 Ausnahmen sind die Szenarien handlungsneutral, d.h. es sind Beschreibungen von Orten und NSCs und deren Motivation, aber keine Ereignisse, die zufällig stattfinden, weil die SCs in der Gegend sind. Einen “dramatischen Überbau” (Prolog, Wendepunkte, definiertes Finale, Epilog) gibt es daher auch nicht, eben weil die Szenarien aus vielerlei Motivationen heraus spielbar sein sollen.
  • Unabhängige Szenarien. Die Szenarien können völlig unabhängig von einander gespielt werden, es gibt keine logische Reihenfolge – zumindest keine zwingende. Viel öfter ist es so, dass ein Artefakt oder eine Information aus Szenario A das Lösen von Szenario B erheblich erleichtert. So können die SCs z.B. im Wall der 1000 Höhlen Haguls Zauberkompass finden und tun sich damit in der magischen Matrix der Seufzenden Ebene wesentlich leichter.
  • Lebende Welt-Konzept. Berührungen mit der Welt sind so eingewoben, dass sie keinen Metaplot bilden, aber gravierende Auswirkungen haben können. Wenn die SCs den alten Elfenkönig Tasyuncar aus seinem Säulenkreis befreien, schwächt dies die Limisjünger und stärkt die Elfen des Neuen Weges. Sind die Limisjünger geschwächt, so fehlt es ihnen vielleicht an Mitteln und Wegen, Mavith mit ihrer Magie jung zu halten, was sich wiederum auf dessen Handlungen auswirkt und ihn womöglich aus seinem sicheren Versteck zwingt. Die Spieler können also einen Unterschied machen, wenn sie es drauf anlegen.

Destiny Dungeon wird 21 Szenarien (eines davon dankenswerterweise von Moritz Mehlem) enthalten (möglicherweise 22, denn ich arbeite gerade noch an einem Einführungsabenteuer), und es sollte wirklich für jeden etwas dabei sein. Wer mag, kann mit Hilfe der verbindenden Elemente einen Metaplot stricken, wer gerne schnetzelt, kann auch das tun. Es gibt Dungeons, Rätsel, Hex-Felder zu erkunden, es gibt soziales Rollenspiel, es gibt einen spürbaren Konnex zum Setting, der eine relativ starke Immersion ermöglichen sollte, und das alles in einem (mittlerweile 156-seitigen) Buch. Ich gestehe, ich bin selbst überrascht und überwältigt, welche Dimensionen Destiny Dungeon angenommen hat. Aber mit weniger hätte ich diesen Traum nicht verwirklichen können.

DD#38 Querverbindungen

Während ich gerade an den Szenarien werke (Feuerwasser-See, Elfenmoor und Wall der 1000 Höhlen sind schon so gut wie fertig), wird mir wieder bewusst, wie wichtig Querverbindungen für ein funktionierendes Setting sind. Damit die Spieler das Gefühl haben, in einer konsistenten, zusammenhängenden Welt zu spielen – und das ist im Falle Istareas mein erklärter Anspruch – ist es unerlässlich, dass die Elemente nicht nur für sich funktionieren, sondern auch mit einander in Verbindung stehen.

Wie möchte ich das erreichen bzw. forcieren:

  • Ich bastle an einer Gerüchte-Tabelle. Da kann sich der Spielleiter schon vor dem Abenteuer ein Faktum oder einen Hinweis heraussuchen, den er den Spielern bei entsprechender Gelegenheit unterjubelt. Es kann also gut sein, dass man in Iphanir in der Taverne hört, dass das Holz des Trollkönigs feuerfest ist, was sich irgendwann einmal rentiert, wenn die SCs mit einem Schiff den Feuerwasser-See befahren müssen.
  • Ich verstecke in jedem Szenario einen Gegenstand oder Hinweis, der in einem anderen Szenario hilfreich ist. Ob hilfreich oder unerlässlich überlasse ich dem Spielleiter – ich möchte das Korsett nicht zu eng schnallen. Wenn der SL meint, eine Kampagne draus zu machen, dass die SCs zuerst Haguls Zauberkompass im Wall der 1000 Höhlen finden müssen, um damit anschließend in die magische Matrix der Seufzenden Ebene zu gehen, wunderbar. Wenn nicht, bricht das Szenario-Gefüge auch nicht zusammen.
  • Ich baue möglichst viele Teilaufgaben ein. Es muss nicht Sinn eines jeden Szenarios sein, den ultimativen “Schatz” (im weitesten Sinn) zu lukrieren; oft reicht es auch schon, die Peripherie zu erkunden und den einen oder anderen exotischen Gegenstand zu erbeuten. Im Szenario Feuerwasser-See z.B. kann man auf dem See bereits einen Feuerlotos bergen, ohne das andere Ufer zu erreichen und in die Anlage des Magiers einzudringen. Der Feuerlotos kann für sich genommen bereits ein Ding darstellen, das in einem anderen Szenario gebraucht wird, und ist nicht darauf beschränkt, im selben Szenario eine vorbestimmte Rolle zu spielen. Mit 1:1-Schlüssel-Schloss-Mechanismen halte ich mich eher zurück; die Lösungen sollen (zumindest mehrheitlich) auf mehreren Wegen erreichbar sein.
  • Ich versuche NSCs einzuführen, die schon in der Vergangenheit eine Spur durch Istarea gezogen haben. Mit der Absicht, einen Konnex zwischen scheinbar unabhängigen Szenarien zu schaffen, der die Spieler neugierig macht. (“Mathander der Reisende? Haben wir von dem nicht schon gehört? Wo war das denn gleich? Hm, warum war der vorher hier?”)
  • Eine vergleichsweise billige Maßnahme: Ich habe sämtliche Örtlichkeiten und Siedlungen in einer Tabelle eingefangen, auf die der SL würfeln kann, um relevante Positionen zu bestimmen. Er kann damit meine Vorgaben, die ich in den Szenarien treffe, ergänzen oder zu Gunsten des Zufalls overrulen und sich damit gewissermaßen auch selbst überraschen lassen. Wenn also der böse Magier meint, er müsse aus Rache die Taverne an einen möglichst fernen Ort teleportieren, kann der SL sich selbst überraschen lassen und schauen, wo sie denn landet.

Querverbindungen zu schaffen macht das Ersinnen von Szenarien nicht unbedingt leichter. Methodisch betrachtet bedingt es ein ständiges Hin- und Herspringen. Ich füge Elemente ein, reiße sie wieder raus, setze sie an einen anderen Ort, ergänze hier ein Gerücht oder dort ein Artefakt und so weiter. Dabei beschreite ich den schmalen Grat zwischen zu vermeidender Schnitzeljagd und gut gemeinter, aber letztlich überflüssiger Optionalität.

Auch wenn es sich ein bisschen wie “2 Schritte vor, 1 Schritt zurück” anfühlt – ich kriege dabei unheimlich Lust, mein eigenes Setting zu bespielen!

DD#31 Sandkastenträume

Ich hänge. Nicht schmerzhaft, aber doch irgendwie in der Luft. Und zwar mit den für Destiny Dungeon geplanten Szenarien, die ja doch ein wichtiger Punkt in diesem Sandbox/World-in-motion-Paket sein werden. Im Urlaub hatte ich ein wenig Zeit darüber nachzudenken, wie ich die Dungeons/Szenarien/Plots gestalten und präsentieren soll. Nun habe ich das Gefühl, dass vieles davon gegensätzlich bzw. schwer zu vereinbaren ist.

  1. Die Dungeons sollen dramatisch möglichst unabhängig von einander sein, also keine “Perlenkette” bilden. Umgekehrt möchte ich aber eine inhaltliche Verflechtung ermöglichen und nicht bloß 1-Session-Dungeons veröffentlichen.
  2. Sie sollen dynamisch sein, aber die Dynamik darf nicht “vorgekocht” wirken. Will heißen: In den einzelnen Szenarien soll sich was tun können, aber ohne dass die Spieler das Gefühl haben, dass sich seltsamerweise immer dann was tut, wenn sie zu einem Dungeon hinzustoßen.
  3. Die Spieler sollen ganz offizielle Informationen über die Dungeons erhalten, um auch von sich aus Entscheidungen treffen zu können wie z.B. “Lasst uns zum Feuerwasser-See gehen, dort lebte ein Elementarist, vielleicht wusste der ein Gegenmittel gegen ewig brennendes Feuer!” Zu wenig Information über die Dungeons nimmt den Spielern die Möglichkeit, sie aus Eigeninitiative anzusteuern, zu viel Information entmystifiziert sie allerdings wiederum. Ursprünglich hatte ich mir überlegt, einen Spielerinfo-Absatz zu jedem Dungeon zu verfassen, in dem sich Fakten und Gerüchte vermischen. Diesen Ansatz sehe ich mittlerweile kritisch, weil er die SCs in die Irre führen und sie im schlimmsten Fall (bei gefährlicheren Dungeons) das Leben kosten könnte.
  4. Auch der optimale Detailgrad will sich mir nicht so recht eröffnen. Mein Ansatz wäre gewesen, zu jedem Dungeon/Szenario – analog zu Flucht von Valmorca – ca. 1 Seite Material zur Verfügung zu stellen. Das reicht allerdings für nicht mehr als einen groben Plotpoint. Meine Idealvorstellung, dem SL auch gleich konkrete Ortsbeschreibungen, Rätsel, Fallen etc. in die Hand zu geben, lässt sich bei dieser Granularität nur schwer erzielen. (Bei Valmorca funktionierte das besser, weil es eher handlungsgetriebene Szenarien waren. Ortsbeschreibungen brauchen deutlich mehr Worte).
  5. Ich möchte keinen unsichtbaren Metaplot über die Dungeons legen, aber trotzdem Möglichkeiten für den SL einbauen, einen Plot aus einem Dungeon heraus zu einem zweiten weiterzuentwickeln. Die Herausforderung wird sein, Elemente so über die Dungeons zu verteilen, dass sich in jedem Dungeon zwei Optionen für den Besuch weiterer Dungeons anbieten, ohne dass sich das ganze nach einer Schnitzeljagd anfühlt. Der Punkt bereitet mir im Augenblick am meisten Kopfzerbrechen, noch dazu, weil ich ja (siehe 1.) keine zu starke Verflechtung möchte und (siehe 2.) keine Plots oder Entwicklungen vorwegnehmen kann/sollte.

Die eierlegende Wollmilchsau ist für den Designer wohl das, was der rasende Keiler für den Jäger ist. Ich melde mich, wenn ich einen Weg gefunden habe, diese 5 Punkte zumindest mehrheitlich zu adressieren. Wohlgemeinte Ratschläge natürlich jederzeit willkommen!

DD#13: Metaplot, roter Faden – cui bono?

Vom optischen Rahmen zum inhaltlichen Rahmen: Für meine Erwägungen, in Destiny Dungeon eine “übergeordnete Handlung” einzuplanen, recherchierte ich gestern, was ein Metaplot überhaupt ist, ob sich der Begriff mit meinen Überlegungen deckt und was für Anforderungen daran bestehen. Ich landete oft bei Verweisen auf die White Wolf-Systeme, fand aber kein “How to create a metaplot for your sandbox setting”. Daher habe ich mir selbst einige Überlegungen zu dem Thema gemacht, und die möchte ich hier mit euch gerne – im Sinne eines Gedankenspiels – teilen.

Meine Definition. Ich verwende den Begriff Metaplot hier als eine auf den Elementen des Settings gründende Folge oder Kombination von Ereignissen, die in der Lage ist, das Setting grundlegend zu verändern.

Metaplot ja/nein. Cui bono? Braucht man aus Setting-Designer-Sicht einen Metaplot? Ich würde meinen, ja. Ob die Spieler ihm dann im Spiel konkret folgen oder nicht – allein seine Existenz verleiht dem Setting zusätzlichen Tiefgang, latente Dramatik, ein Thema, ohne welches es möglicherweise beliebig oder austauschbar wäre.

Metaplot + Sandbox = World in Motion. Achtung: Rollenspiel-Theorie! So wie ich es verstanden habe, bedeutet Sandbox (Quelle Bat in the Attic) sinngemäß, dass Spieler die völlige Freiheit haben, ihre SCs über die Landkarte zu schieben und Abenteuer so zu erleben, wie es ihnen in den Sinn kommt. BatInTheAttic schreibt aber auch, dass Sandbox die Gefahr der Sinnlosigkeit birgt, und er kontert diesen Effekt mit dem World in Motion-Konzept. Dieses besteht aus einer internen und einer externen Komponente. Die interne Komponente setzt auf Charaktermotivation, die externe besteht aus “… a timeline revolving around NPCs and events. This timeline is created with the idea that this is what happens if the player didn’t exist in the campaign”. Das ist ziemlich genau das, was ich mir ursprünglich unter Metaplot vorgestellt hatte.

Metaplot <> Old-School? Widersprechen sich beide Konzepte? Fallstudie altes Aventurien: ein bunter Haufen von Regionen mit Abenteuerideen, aber kein Metaplot. Der kam erst später mit dem Namenlosen, Tar Honak und Borbarad. Soweit ich weiß, kam D&D bis Dragonlance & Co. ebenfalls ohne Metaplot aus. Zwischenergebnis: Old-School braucht keinen Metaplot. Die Frage ist nur: Schadet er? Ich meine nein, sofern nicht alle Setting-Infos und Szenarien auf den Metaplot ausgerichtet sind und die Spieler ihn ignorieren können.

Anforderungen an den Metaplot. Ich ziehe aus dem eben Gesagten folgende Schlüsse:

  • Der Metaplot muss eine optionale Komponente bleiben. Das Setting muss auch ohne ihn funktionieren. Die Timeline darf nur ein Vorschlag sein bzw. ein unsichtbares Handlungsgerüst, um das herum ich die Szenarien aufbaue.
  • Der Inhalt des Metaplots muss die SCs potenziell betreffen. (Deshalb funktioniert der klassische Metaplot “Die Welt geht unter” auch immer.)
  • Der Metaplot muss von den Handlungen der SCs abhängen. Hier werde ich die Gratwanderung schaffen müssen, die Sandbox-Szenarien so zu designen, dass sie für sich stehen, aber auch, wenn gewünscht, Metaplot-Relevanz haben.
  • Der Metaplot muss die SCs persönlich involvieren. Das ist schon schwieriger im Design zu verankern; hier wird wohl dem SL eine größere Funktion zukommen. Ich werde noch überlegen, was ich tun kann, um ihn dabei zu unterstützen.

Au weia, das habe ich mir alles leichter vorgestellt. Aber man wächst mit der Herausforderung. Und man ist motiviert! 🙂 Wenn ihr wissen wollt, warum, lest die aktuelle Destiny-Beginner-Rezi im Almanach!