„Ihr habt was getan?“
Learto brauchte geraume Zeit, das zu verdauen. Er hatte mittlerweile zähneknirschend akzeptiert, dass Struggel dann und wann Stichflammen auslöste, die Erde zum Zittern brachte oder starken Wind herauf beschwörte – diese Dinge waren dem Trosh auf sonderbare Weise angeboren und geschahen zumeist unwillkürlich. Aber dass er nun Zauber aus Büchern zweifelhaften Ursprungs sprach, machte Learto als Catorier schwer zu schaffen. Sein Volk hatte weiß Gott genug durch Magier und solche, die sich dafür hielten, gelitten.
„Viel wichtiger“, rechtfertigte sich Struggel, „ist das, was ich herausgefunden habe: Magie ist am Werk! Finstere Zauberei, Meister Schmied! Und nein“, fuhr er fort, als dieser den Mund öffnete, „ich habe mir all dies nicht eingebildet.“
Learto atmete entnervt aus. „Ich weiß nicht, wie uns das helfen soll, Eure Unschuld zu beweisen, aber wenn Ihr überzeugt davon seid, dass hier böse Kräfte am Wirken sind, dann solltet Ihr die Priesterschaft informieren.“
Struggel hielt kurz inne. „Ihr habt Recht. Genau das werden wir tun!“
Schon am nächsten Tag wurden sie von der Mutter der Hohepriesterin vor der Cella empfangen. Im Hintergrund war monotoner Gesang zu hören, begleitet von Glöckchen und einem dünnen metallischen Ton, dessen Ursprung sie nicht gewahr wurden.
Die Priesterinmutter reagierte auf Struggels Entdeckung äußerst gelassen: „Natürlich ist Magie im Spiel! Dort, wo Menschen mit göttlichen Gaben ans Werk gehen, werdet Ihr immer das vorfinden, was Ihr Zauberei nennt. Und niemand zweifelt daran, dass der ehrwürdigen Kardia ein wahrhaft göttliches, zauberhaftes Talent zu Eigen ist. Ich frage mich allerdings“, sie wurde ernster, „was Euch dazu bewogen hat, ihr so zu misstrauen, dass Ihr zu Mitteln grifft, die in diesem Land bei strengster Strafe verboten sind. Ihr habt Glück, dass die weltliche Ordnung nicht unser Belang ist.“
Struggel brabbelte etwas Unverständliches, ehe die Priesterin das Thema wechselte: „Da Ihr schon hier seid, kann ich Euch ebenso gut gleich mitteilen, dass wir unseren ersten heiligen Reigen beendet haben. Wir wissen nun und werden auch demnächst bekannt geben, dass die Göttin ob menschlichen Makels erzürnt und enttäuscht ist.“
„Das kann ja dann wohl nichts mit mir zu tun haben. Wie Ihr sehen könnt, bin ich kein Mensch“, scherzte Struggel, zwang sich jedoch gleich wieder zu Ernsthaftigkeit.
„Vergesst nicht, was für Euch auf dem Spiel steht, kleiner Mann. Geht nun da raus und findet die Wahrheit. Und zwar ohne jene zu belästigen, die über jeden Zweifel erhaben sind!“
Vor dem Tempel ließ Struggel die Schultern hängen.
Das Gespräch hatte seinen Verdacht gegen die ältliche Harfenspielerin wie Kräuter in einem Mörser zerrieben. „Es ist hoffnungslos, Meister Schmied. Wenn die Harfenspielerin nichts mit all dem zu tun hat, wie sollen wir dann unter all den Dörflern, Pilgern, Eiferern und Irren den Verantwortlichen finden?“
„Wisst Ihr,“ lachte Learto und klopfte Struggel auf die knochige Schulter, „manche von uns sind für’s Denken gemacht, andere für’s Schmieden. Ich halte es mit letzterem, da weiß man, woran man ist.“
Der Trosh blickte sauer. „Ich meine es ernst: Wie soll ich herausfinden, was hier vor sich ging, wo ich doch keine Ahnung von dieser Göttin, ihren Priestern und ihren Wundern habe?“
Learto setzte sich in Bewegung. „Sieht so aus, Struggel, als würdet Ihr doch noch unsere Götter kennen lernen.“ Er hielt sich den knurrenden Magen. „Bin ich aber hungrig! Ich schlage vor, wir beginnen bei Payaon, dem Gott des Wohlstandes, der ist für ein köstliches Mittagsmahl zuständig. Was ist, kommt Ihr mit?“
Dies war eines der 20 Kapitel der Fantasy-Geschichte Goldfall, die im Rahmen dieses Blogs veröffentlicht wird. Lies morgen im nächsten Blogpost, wie die Geschichte weitergeht!