DSA – Die Schreckliche Allmacht?

Puh, da geht es gerade ziemlich rund im Netz. Die DSA-Umfrage mit ihrem mE eher dünnen Fazit zieht weite Kreise. In Google+ wird heftig diskutiert, Arkanil outet sich in seinem Blog ziemlich heftig, im Tanelorn wird fleißig ge-rant-et (furchtbares Wort, übrigens), und und und. Grund genug, dass ich mir die Frage gestellt habe, warum DSA eigentlich so verdammt heftig polarisiert.

Sind die 3W20 wirklich so schlimm? Ich habe bereits in G+ kommentiert, dass ich die 3W20 für ein Symptom halte, aber nicht für das eigentliche Problem. Völlig richtig wurde bemerkt, dass das Auseinanderfutzeln von Würfeln bei einem großen Dicepool mindestens ebenso “unhandlich” ist, und auch dort sind die Wahrscheinlichkeiten nicht so super-intuitiv abschätzbar. Also nein, die 3W20 sind nicht das Problem. Aber was ist dann das Problem? Attacke-Parade? Ich glaube, das Problem ist auf einer ganz anderen Ebene zu suchen. Weil das jetzt gleich extrem unwissenschaftlich wird, möchte ich gleich  vorausschicken, dass ich DSA geliebt habe und es länger als jedes andere System gespielt habe, einschließlich meine eigenen (und das heißt was!).

Meine erste Überlegung: Da staut sich einiges an negativer Energie gegenüber der DSA-Redaktion. Bei mir war’s zumindest lange Zeit so. Ich habe mich immer sehr darüber geärgert, dass ich, was den Metaplot betraf, gegängelt wurde, dass die Fakten, die ich mir selbst zu Aventurien ausgedacht habe, nach dem nächsten Aventurischen Boten ganz anders aussahen, dass man mir als kreativen SL wenig Raum gab etc. Mein persönlicher Unmut richtete sich aber eher gegen “die dort” als gegen DSA selbst.

Der allgemeine Zorn gegen “die Großen”. Wir erleben ja tagtäglich, dass große Konzerne (Google, Microsoft, Apple) von den jeweils anderen Fans angefeindet werden. Das war auch schon vor 30 Jahren so (Atari vs. Commodore, hach). Wer Marktmacht hat, hat eben Feinde. Und DSA hat nachweislich Marktmacht.

Ich selbst ertappe mich auch manchmal dabei, einen inneren Groll gegen DSA zu hegen, der aber nichts mit DSA zu tun hat, sondern purer Neid ist auf die Größe seiner Community, auf seine  finanziellen Ressourcen und und und. Vielleicht denken andere auch so wie ich zuweilen: “So eine Schande. Die haben so viele Käufer und so viel Kohle, und gehen mit Elementen hausieren, die steinalt und nicht mal genial sind”. Stimmt vielleicht oder auch nicht, aber jedenfalls sind diese Elemente über Jahrzehnte gewachsen und ein Teil dessen, was DSA ausmacht. Genauso wie jene 6 Attribute Teil von D&D sind und sich auch dort niemand traut, das über Bord zu werfen. Ist wie bei einer Schönheits-OP: Ein Mensch kann dadurch schöner werden, aber auch einen Teil seiner Identität verlieren. Ich persönlich möchte die Entscheidung nicht treffen, DSA zu verschönern. Ich bin froh, dass ich in der Position bin, etwas ganz Neues zu machen. Wenn auch mit deutlich kleinerer Käuferschicht…

Unbeweglichkeit ist das, was man DSA vielleicht noch am ehesten vorwerfen kann. Man sieht, D&D versucht, sich zu bewegen, auch wenn sie mit D&D Next Gefahr laufen, viele Stammspieler zu verlieren. Aber wohin wird sich D&D bewegen? Vermutlich dorthin, wo die Käuferschicht am dicksten ist. Nicht notwendigerweise dorthin, wo das System am elegantesten und innovativsten ist. DSA verfolgt hier wenigstens eine klare Linie: Sie bieten das, was sie immer schon geboten haben, und sie binden ihre Spieler exzellent. Kann man ihnen diese Spielerbindung wirklich vorwerfen?

Die Community ist sehr verschieden. Auf der einen Seite haben wir eine Spielerschaft, die Indie-Konzepte in sozialen Medien verbreitet, Kickstarter-Projekte backt (urgl) oder – so wie ich – selbst Rollenspiele veröffentlicht. Auf der anderen Seite haben wir die DSA-Stammspieler, die seit 30 Jahren DSA spielen und NUR DSA spielen. Die kennen jeden Weiler zwischen Paavi und Al’Anfa und fühlen sich richtig wohl. Und sie sind auch resistent gegen “Aufklärungsversuche”. Die anderen wiederum glauben, dass Rollenspiel sehr viel besser sein kann als mit DSA. Ich empfinde das auch so, aber es nutzt halt nichts, man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Wenn das so wäre, hätte ich meinen Kindern bereits den Reiz von Obst und Gemüse näher bringen können – worin ich übrigens ebenso gescheitert bin wie DSA-Spielern in meinem Bekanntenkreis DESTINY schmackhaft zu machen.

Wo Menschen miteinander interagieren, gibt es immer fortschrittliche und konservative Strömungen. Und es gibt politische Parteien oder in diesem Fall Verlage, die sich das eine oder andere zu Nutze machen. Meiner Meinung nach setzt DSA auf einen gewissen Konservativismus, was man nicht gut finden, aber akzeptieren muss. DSA- und DSA-Spieler-Bashing bringt nichts, sondern treibt die Fronten nur weiter auseinander. Besser wäre es, diese Spieler zu integrieren, sie zu wertschätzen (sie machen vermutlich den zahlenmäßig größten Teil unserer Community aus!) und ihnen Alternativen sozial verträglich anzubieten, und dabei vielleicht nicht gleich mit Fate oder PDQ ins Haus fallen, <Werbung> sondern ev. mit etwas Verdaulichem wie PORTAL. </Werbung>

Eine Diskussion über DSA und die Dinge, die es gut und richtig oder schlecht und falsch macht, kann fast nicht neutral und sachlich geführt werden. DSA ist ein über 30 Jahre gewachsenes Rollenspielsystem mit einer extrem immersiven Hintergrundwelt. Spieler eines solchen Produkts identifizieren sich derart damit, dass sie Kritik an “ihrem” Spiel sehr persönlich nehmen. Ihnen diesen feinen Unterschied klar zu machen, ist ungefähr so aussichtsreich wie das berühmte “Ist nichts Persönliches”, das die Bösewichte im TV von sich geben, bevor sie dem Protagonisten ein Ohr abschneiden.

Lassen wir also den DSA-Spielern ihre Ohren und ihr geliebtes Spiel und sorgen wir lieber dafür, dass die Tore von und zum DSA-Flügel der Community weit offen stehen und keine abschreckenden Türsteher den gegenseitigen Austausch verhindern. Amen.

Weihnachts-Flashforward

Es ist wieder soweit. Weihnachten und der Jahreswechsel stehen vor der Tür. Zeit für eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick auf 2013.

  • Zum einen wird AceOfDice 2013 nicht viel aktiver im Web 2.0 sein als 2012. Ich werde still und leise meine Spiele entwickeln, aber die Pauken und Trompeten werden ausbleiben. Ich habe gemerkt, wie gut es mir tut, mich hier zurückzunehmen. Mehr Zeit für Familie, für Sport und für mein neues Hobby, die X-Box (dazu später im Neuen Jahr).
  • Dafür werden Markus und ich regelmäßige Redaktionsmeetings abhalten, um die Qualität und Themenwahl im Polyeder Podcast zu verfeinern und zu verbessern.
  • Das Release meines DSA/BRP-Retroklons PORTAL ist nur noch einen Lektorats-Zyklus entfernt. Es ging sich für 2012 leider nicht mehr aus, Jänner ist aber ziemlich fix als Termin. Danke an dieser Stelle an alle Stimmen hier und im Tanelorn, die ihre Ideen eingebracht haben.
  • Die Übersetzung von Destiny Dungeon ins Englische ist fertig. Aus Kostengründen nicht von einem professionellen Übersetzer realisiert, dafür aber von einem um so engagierteren und sprachlich durchaus versierten Autor.
  • Destiny Hauptregelwerk oder Destiny Space – eines von beiden sollte jedenfalls bis Ende 2013 signifikant weiterentwickelt und wenn möglich auch veröffentlicht werden können.
  • Ganz fix für 2013 ist das Release von ARACLIA – Buch I. Wer Goldfall gelesen hat, hat ja bereits einen Vorgeschmack auf Stilistik und Atmosphäre meiner großen medieval fantasy Welt erhalten. Über 10 Jahre Entwicklungszeit sind in Araclia geflossen, und mit Marco Morte‘s Illustrationen sieht das Ding jetzt schon wirklich hübsch aus! Araclia wird übrigens system-unabhängig sein, aber es wird zwei Anhänge geben, einen für Destiny und einen für Portal.

Ich persönlich werde in 2013 nach langer Zeit wieder eine Araclia-Kampagne leiten, und meine 7th-Sea-Runde (vorm. “Beginner-Runde”) hat nach zwei Abenteuern so was von genug vom Regelwerk von 7th-Sea, dass sie die Kampagne jetzt mit Destiny Beginner weiterspielen wollen. Was mich natürlich total ehrt und motiviert, ein kleines 7th-Sea-AddOn für Destiny Beginner zu verfassen. Vielleicht stelle ich das hier ganz unverbindlich mal vor, wenn es was taugt.

Das ist insgesamt doch schon wieder ganz schön viel für das Ein-Mann-Unternehmen AceOfDice…

Ich wünsche euch, liebe Leser und Spieler meiner Spiele, alles Liebe, schöne Weihnachten, kreative Feiertage und einen motivierenden Jahreswechsel!

Euer Alexander | AceOfDice

Goldfall – Kapitel 06: Anklage

Unsanft plumpste Struggel auf den Marmorboden.

Ein orangefarbener Lichtkegel fiel durch eine gläserne Kuppel direkt auf ihn, und ringsum standen mächtige Alabastersäulen. Seidentücher und Perlenketten bewegten sich im sanften Luftzug, Windspiele verbreiteten ätherische Klänge, und Räucherschalen verströmten blumigen Duft.

Die Dörfler waren immer noch erzürnt, doch seit sie die Schwelle des Tempels übertreten hatten, fluchten sie über ihn wenigstens nur noch im Flüstern. Nach dem, was Struggel mitbekommen hatte, würde nun die Hohepriesterin dieser Göttin über ihn richten. Ihn schien das nicht besonders zu kümmern, ebenso wenig wie die anklagenden Blicke der Dörfler, denn Struggel begann schon bald, sein Interesse für die Mosaike und Reliefs zu entdecken und zwischen ihnen herumzuwandern.

„Heda, Freundchen, hier geblieben!“, durchbrach der Bärtige die Stille und versperrte ihm breitbeinig den Weg. Die anderen bildeten einen Halbkreis.

Struggel lächelte konfus – er hatte nicht vorgehabt zu fliehen – und kehrte folgsam in die Mitte der Cella zurück, als ein golddurchwirktes Seidentuch zur Seite glitt und eine leicht bekleidete Frau hindurch trat.

„Ah!“, rief er und zappelte auf sie zu, „endlich jemand, der hier was zu sagen hat. Also, es verhält sich folgendermaßen, Frau Hohepriesterin: Ich bin Astruggelaniunkagelush vom Volk der Trosh und begleite lediglich einen Freund auf dieser Pilgerreise. Ich hatte nicht vor, etwas Böses zu tun, aber all das Gerede von Gold und… was denn??“

Die Tempeldienerin machte einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf ein Mädchen frei, das noch viel hübscher war. Sie stand an der Schwelle zum Frausein und hatte ein höchst bezauberndes Gesicht. Sie trug ein mit Goldfäden und Edelsteinen durchwirktes Kleidungsstück, das ihre Figur bis ins kleinste Detail erahnen ließ und bewegte sich mit der Anmut einer Tänzerin. Ihre goldenen Locken schwangen im Rhythmus ihrer Schritte. Nur der Ausdruck ihres Gesichts trübte ihre Vollkommenheit: eine deutlich erkennbare Miene der Enttäuschung und Geringschätzung.

„Ich bin die Hohepriesterin dieses Tempels“, sagte sie mit einer Stimme, die zwar kindlich, aber gewohnt war, gehört zu werden, „und Ihr seid derjenige, der den heiligen Felsen beschädigte. Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen?“

Struggel stotterte: „Ich, ähm, es, aber, verzeiht, Frau Hohepriesterin, aber ich wollte nur die Ursache dieses Goldregens finden.“

„Das Gold ist ein wundersames Geschenk unserer Göttin. Da gibt es für Euch nichts zu finden.“

„J-ja ja, ich weiß, aber, seht Ihr, ich bin vom Volk der Trosh und wir Trosh glauben nicht an Eure Götter. Dafür kennen wir uns sehr gut aus mit Steinen und Höhlen und Quellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es eine andere Ursache gibt und ihr lieben Menschen da einem großen Irrtum unterliegt… he he.“

Er grinste verlegen, doch die Miene der Hohepriesterin verfinsterte sich, und der unterdrückte Zorn der Dörfler steuerte gerade auf einen neuen Höhepunkt zu. Der Bärtige schlug zornig mit der Faust in seine Hand, und eine der Frauen begann erschüttert zu weinen.

Die Hohepriesterin gebot den Dörflern mit einer Handbewegung, Ruhe zu bewahren. „Was Ihr da sagt, kleiner Mann, verletzt uns zutiefst. Wie könnt Ihr so selbstsüchtig sein! Eure Zweifel sind wie ein Messer im Leib unseres Glaubens. Und damit nicht genug, ihr zerstört auch mutwillig das, was uns heilig ist!“

Struggel trat von einem Fuß auf den anderen. „Ich fand immerhin heraus, Frau Hohepriesterin, dass es sich um Mankusgalganit handelt! Noch dazu sehr jungen! Dieses Gestein, müsst Ihr wissen, ist dafür bekannt, Goldadern hervorzubringen. Manchmal bilden sich auch Dämpfe von Mankurandilum im Inneren, und ich habe den starken Verdacht, dass diese Dämpfe mit den Goldadern insofern reagieren…“

„Genug!“, herrschte sie ihn an.

Jede Bewegung, jedes Flüstern im Tempel erstarb jäh; nur ihre Stimme echote lange zwischen den Alabastersäulen.

Struggels Kinn zitterte.

Eine Minute verging in absolutem Schweigen, ehe einer der Männer sich zaghaft erkundigte, was denn nun mit dem Trosh zu tun sei.

Die junge Hohepriesterin hatte lange nichts gesagt und erwachte wie aus einem Tagtraum. Sie blickte mitleidig in Struggels Glubschaugen. „Dieser hier ist nicht zu retten. Ein verzweifeltes Wesen, auf der Suche nach Geborgenheit, doch er hat jeden Glauben verloren. Es ist der Wille der Göttin, ihn sich selbst zu überlassen. Glaubt mir: Er, der er nicht zu glauben im Stande ist, hat nicht die Macht, das zu zerstören, was uns heilig ist.“

Sie wandte sich zu den Dörflern und schenkte ihnen ein melancholisches Lächeln. „Geht zurück, bringt den Leuten Freude, Spiel und Tanz. Der Trosh ist nicht euer Belang.“ Zu Struggel gewandt sagte sie mit trauriger Miene: „Er ist niemandes Belang.“

Dann drehte sie sich um und verließ die Cella mit langsamen Schritten.

Die Dörfler murmelten eine Zeitlang durcheinander und bedachten ihn mit finsteren Blicken, ehe sie nach draußen gingen. Der Bärtige hob zum Abschied eine buschige Augenbraue und schlug noch einmal mit der rechten Faust in die linke Hand.

Schließlich fiel Struggels Blick auf Learto. Er hatte hinter den Dörflern gestanden und den letzten Teil des Gesprächs betreten verfolgt.

Struggel schlurfte zu ihm und blinzelte ratlos, doch der Schmied schüttelte den Kopf. Dann legte er seinem kleinen Freund die Hand auf die Schulter und schob ihn sanft nach draußen.

Dies war eines der 20 Kapitel der Fantasy-Geschichte Goldfall, die im Rahmen dieses Blogs veröffentlicht wird. Lies morgen im nächsten Blogpost, wie die Geschichte weitergeht!

Literarischer Adventkalender

Rollenspielautoren sind nicht immer gute Schriftsteller. (Sie wissen es nur meistens nicht.) Ich selbst glaube von mir, dass ich zwar in diesem oder jenem Aspekt ein glückliches Händchen habe, aber das allumfassende Talent eines Schriftstellers geht mir vermutlich ab. Das hat mich allerdings nicht gehindert, mich einige Male daran zu versuchen, und eine der besseren Geschichten, die dabei  heraus gekommen sind, möchte ich euch im Rahmen eines Adventkalenders präsentieren.

Der Adventzeit angemessen, geht es in “Goldfall” um Wundersames und Göttliches, aber es ist auch eine Detektivgeschichte. Sie erzählt von zwei Charakteren, die in einer Welt, in der Magie geächtet ist, zwei extrem unterschiedliche Positionen besetzen. Der eine, Learto, ist ein bodenständiger Handwerker, der die Götter respektiert und Magie verachtet. Der andere, Struggel vom Volk der kleinwüchsigen Trosh, kann mit Göttern nichts anfangen und ist selbst latent magiebegabt. Vor dem Hintergrund des Pilgerdorfs “Goldfall”, wo sich alljährlich ein Wunder ereignet, werden die beiden ein spannendes Abenteuer erleben und sogar über sich hinauswachsen.

Ich veröffentliche “Goldfall” in 20 Kapiteln von 1. bis 20. Dezember 2012 jeweils um 13.00 Uhr und hoffe, ihr findet Gefallen an der Geschichte. Vielleicht stimmt sie euch ja sogar ein bisschen weihnachtlich!

Danksagung übrigens an dieser Stelle an Martina H., der die Grundidee zu der Geschichte zu verdanken ist, und an Markus (“Mentor”) L., dessen Learto nachwievor einen hervorragenden Kontrapunkt zum Protagonisten Struggel abgibt.

Soft Skills aus Designer-Perspektive

Eine der letzten Feinschliffe, die mich noch von der Veröffentlichung von PORTAL trennen, sind die Rassen-“Feats” der generischen Rassen (Elf, Zwerg, Gnom, Ork und Minotaur). Dabei begegnet mir ein Phänomen wieder, das ich immer schon interessant fand: Wie schwer es doch ist, Fähigkeiten zu definieren, die sich nicht in Punkten messen lassen.

Mein wertgeschätzter Advisor und Analytiker, nennen wir ihn hier aus Gründen der Anonymität Thalvin, mag diese Art von “Soft Skills” gar nicht so gerne, eben weil es schwer ist, sie einzuschätzen und auszubalancieren. Fähigkeiten wie “Du bekommst deine Stufe als Schadensbonus im Fernkampf” sind da geradezu einfach zu messen, gut zu vergleichen und geben keinen Anlass zu Diskrepanzen. Aber jetzt brüten Thalvin und ich schon seit geraumer Zeit über dem Gnom, der in meinen Spielen ein Meister des Verhandelns, Durchschauens und Netzwerk-Bildens sein soll, und jedesmal, wenn ich mit einem Entwurf komme, sagt Thalvin: “Damit kann ich nichts anfangen”. Ob der Ansatz nun lautet: “Dich verbindet mit [Stufe] NSCs eine gemeinsame Vorgeschichte, die du zu deinem Vorteil nutzen kannst” oder “Du durchschaust die Bedürfnisse eines NSCs, wobei deine Stufe als Gradmesser für die Exaktheit deiner Ahnung gilt”, Thalvin ist nie wirklich begeistert.

Und der Grund liegt auf der Hand: Wer für Player Empowerment eintritt, mag keine Fähigkeiten, deren Ausgestaltung vom SL abhängt. Umgekehrt, wer an den Spielleiter denkt, möchte diesem auch nicht unnötig Aufwand aufbürden. Das obige Beispiel mit der gemeinsamen Vorgeschichte etwa liest sich oberflächlich betrachtet ganz nett, aber man muss auch daran denken, dass es bedeutet, dass die Spieler weiterfragen und wissen wollen, was das für eine Vorgeschichte ist und wie sich die Pfade des SC und des NSC gekreuzt haben. Mit der Konsequenz, dass der Spielleiter plötzlich den Hintergrund eines Händlers improvisieren muss, der eigentlich nur Statist sein sollte.

Wie man es also dreht und wendet: “Soft Skills” sind deutlich problematischer als “hard-and-fast-rules”. Aber auch lohnender, weil – wenn sie gut gemacht sind – das Rollenspiel ungleich inspirierter definieren als es eine Fähigkeit á la “x Bonus-Punkte im Fernkampf” jemals könnte.

Quo vadis, AceOfDice?

Leser dieses Blogs können sich vorstellen, wieviel Zeit und Mühe ich in den letzten Jahren in das Thema Rollenspiel investiert habe, und damit meine ich gar nicht die diversen Publikationen, sondern das Bloggen, Twittern, Posten, Podcasten etc. Im Urlaub war ich von alldem abgeschnitten und habe viel nachgedacht und festgestellt, dass sich – heimlich, still und leise – meine Prioritäten verschoben haben: Ich möchte mehr Quality Time mit der Familie verbringen, und ich möchte mehr für mich selbst, meine Gesundheit, Fitness, aber auch für Weiterbildung und andere Bereiche tun. Und da meine Petition für den 36-Stunden-Tag immer noch nicht genügend Unterzeichner gefunden hat, muss das wohl auf Kosten eines anderen Lebensbereichs gehen.

Die schlechte Nachricht ist, dieser Lebensbereich ist AceOfDice. Die gute Nachricht ist, ich werde nicht bei meiner Kerntätigkeit, also beim Spieldesign reduzieren, sondern beim großen zeitfressenden Moloch der Eigen-PR. Ich werde definitiv weniger twittern, posten, bloggen, kommentieren, weniger Conventions besuchen etc. Es wird verstärkt an euch, liebe Leser, liegen, Neuigkeiten von AceOfDice hinaus in die Welt zu tragen. Ich selbst werde mich hier im Blog auf Meilensteine beschränken und Updates eher im Rahmen des Polyeder Podcast liefern, der für mich nachwievor sehr wichtig ist.

Dies hier ist also kein Abschied, sondern mehr ein klärendes Statement und – ganz besonders – ein Aufruf an euch, die ihr selbst twittert, bloggt und postet, euer Interesse an meinen Spielen verstärkt in die Welt hinaus zu tragen. So kann ich mich auch wieder auf das konzentrieren, was mir wirklich wichtig ist. Ich zähl’ auf euch und wünsch’ euch noch einen schönen Spätsommer!

Lebenszeichen

Einige haben sich vielleicht schon gefragt, ob ich im Urlaub dem Weißen Hai begegnet bin oder warum hier nichts weiter geht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, im Wesentlichen hat es aber damit zu tun, dass ich gerade dabei bin, die Prioritäten in meinem Leben neu zu ordnen. Einige Lebensbereiche sollen aufgewertet werden, andere werden dafür reduziert werden müssen. Was das für AceOfDice und diesen Blog bedeutet, werde ich demnächst hier verkünden.

Stay tuned!

Herzliche Reziprozität am Ende

Das Herzliche Rollenspiel-Blog schließt seine Pforten, was mich ein wenig traurig macht. Der Blog (oder heißt es: das Blog?) war erfrischend sympathisch und unprätentiös und eine schöne Mischung aus Recherche, Neuigkeiten aus der Szene und subjektiven (Spiel)erlebnissen. Vor allem aber war Herzliches Rollenspiel nach meinem Dafürhalten extrem vorbildlich im Verlinken und in Sachen Reziprozität. Die Jungs dort haben – bewusst oder unbewusst – erkannt, dass die Community davon lebt, dass man sich gegenseitig zitiert, referenziert und verlinkt. Vielen Dank dafür!

Leider werde ich also nach meinem anstehenden Urlaub mit schwerem Herzen den Link zum Herzlichen Rollenspiel aus meiner Blogroll entfernen (müssen) und bei der Gelegenheit auch alle Blogs, die es in den letzten Jahren nicht geschafft haben, den AceOfDice-Blog gegenzuverlinken. Sorry, Leute, aber Reziprozität ist keine Einbahnstraße. (Wer seinen Link retten möchte, Stichtag ist der 20.08.2012.)

Den Protagonisten des Herzlichen Rollenspielblogs wünsche ich jedenfalls alles Gute für ihre neuen Projekte (das von Jan nimmt ja hier schon Gestalt an) und danke herzlichst für all die Artikel und euer Engagement rund ums Rollenspiel!

Ein Blick hinters “Portal”

Es scheint, als würde da draußen erheblich mehr Interesse an meinem von DSA inspirierten Heartbreaker “Portal” bestehen als ich gedacht hätte. Dann will ich mal nicht unnötig lange hinterm Berg halten und ein paar Details ausplaudern:

  • Portal ist typenbasierend. Es gibt 5 Typen (Kämpfer, Zauberer, Glückskind, Wildling, Priester), innerhalb derer nochmal nach 4 Klassen unterschieden wird, also grob gesagt 20 Charakterklassen.
  • Portal ist besonders geeignet für bodenständige Fantasy. Charaktere starten auf Stufe 1 und sind nur ein bisschen potenter als der Schmied oder Steinmetz von nebenan. Man steigt durch Questpunkte auf einer Stufenleiter, soweit nichts Neues.
  • Mit jeder Stufe steigt die Charakterklassen-spezifische Gabe, die jeder SC besitzt. Das sind coole Sachen wie “in der Menge verschwinden” für den Dieb oder “glückliche Attacke” für den Krieger, die am Anfang eher Glückssache sind, später aber ziemlich mächtig werden.
  • Das Werteprofil wird bei der Erschaffung durch Punkteverteilung auf 8 Attribute bestimmt, die sich später nicht mehr ändern. Darüber hinaus gibt es ca. 80 Fertigkeiten, deren Grundwert sich aus jeweils 3 Attributen zusammensetzt, z.B. KLG + KLG + WIL. Die Skills bilden daher sehr individuell und detailliert den SC und seine Talentierung ab. Dazu kommt natürlich ein Fertigkeitswert, der sehr wohl gesteigert werden kann.
  • Gewürfelt wird mit einem “special guest star” im Rollenspiel: dem W30. Er ist nicht so grobgranular wie der W20, mutet aber auch nicht so technisch an wie der W100. Ich mag ihn sehr, er hat etwas Handfestes, und der Wertebereich ist perfekt. Die Anfangswerte der Charaktere liegen ca. zwischen 10 und 20 und können bis 30 gesteigert werden. Roll-under ist angesagt.
  • Das Kampfsystem ist simulationistisch geprägt, eröffnet dafür viele Möglichkeiten. Verschiedene Manöver stehen allen zur Verfügung, und es gibt Würfelwürfe für Attacke, Parade (halbierte Wahrscheinlichkeit, um endlose Kämpfe zu verhindern!), Trefferpunkte und Rüstschutz. Ja, auch Rüstschutz. Dass gerade Rüstungen variabel ausgestaltet sind, hat sich im Spiel total bewährt und lästiges “PING – zwar getroffen, aber es geht nichts durch” verhindert.
  • Mein Lieblingsfeature im Magiesystem: Es gibt ca. 100 Zaubersprüche, und jeder einzelne ist beliebig skalierbar. Das heißt, man kann einen Feuerball mit 1 Zauberpunkt, aber auch mit 30 Zauberpunkten zaubern. Auch cool: Man kann Zauber – normalerweise muss man dafür eine Probe würfeln – erzwingen, indem man doppelte Kosten in Kauf nimmt, dafür seinen Würfelwurf halbieren darf.
  • Viele kleine Detailregeln, z.B. für Tiere (die kann man mit Questpunkten füttern, dass sie besondere Fähigkeiten entwickeln), Zauberstäbe, Artefakte, magische Materialien, meisterhafte und magische Waffen und Rüstungen, Lernbehelfe etc. sprechen den Sammel- und Spieltrieb an und ermöglichen auch ein bisschen Barbie-Spiel.

Soweit ein erster Blick hinter das “Portal”, meinen persönlichen Helden in Sachen altmodisches DSA-geprägtes Rollenspiel. Ich habe schon mal meine Schubladen-(nunmehr: Google-Server-)Fassung gecheckt und eigentlich für veröffentlichungstauglich empfunden. Mal sehen, vielleicht veröffentliche ich es ja tatsächlich. Es wird ja schließlich nicht jünger, nicht wahr?

Happy Birthday, Portal!

Es war im Sommer vor 15 Jahren, dass ich zum ersten Mal Lust verspürte, ein eigenes Rollenspiel auf die Beine zu stellen, obwohl (oder gerade weil) ich damals noch tief in DSA verhaftet war. Unter den ersten Entwürfen war ein W%-System mit dem augenzwinkernden und recht zutreffenden Arbeitstitel Maths & Magic, mit dem man schlichtweg alles spielen hätte können sollen, oder ein charmantes System, das alle Würfel in einem nach oben offenen System verwendete (W4, W6, W8…), die man z.B. kampfrundenweise auf Angriff, Verteidigung, Initiative und Schaden verteilen konnte, was supertaktisch, aber für den SL leider nicht administrabel war. Daher verkaufte ich die Idee an Pinnacle, die daraus Savage Worlds machten. Scherz beiseite.

Und dann war da Das Portal. Es kam weit über seinen Arbeitstitel hinaus, war allerdings  eine frühe Rückkehr zu DSA-geprägten Konzepten, eine Art graues Auge, mit einigen sehr charmanten Ideen und Optimierungen, die ich selbst heute noch – wo ich doch deutlich anspruchsvoller geworden bin – verlockend finde. Die Entstehung von Das Portal vollzog sich in zwei Stadien, zwischen denen ich ein Zwischendurch-System entwarf, das später den Namen Destiny bekam. Das Portal wurde allerdings viel früher fertig und konnte einen nicht weniger intensiven Playtest für sich verbuchen. Es funktionierte so gut, dass das Ende der Testphase fast ein bisschen traurig war.

Nicht minder traurig war die Tatsache, dass Das Portal nie veröffentlicht werden würde, denn es war ein klassischer Heartbreaker, ein Labour of Love, ein idealistisches Projekt, das nie für den Markt bestimmt war. Heute, 15 Jahre nach den ersten Portal-Spermien, blicke ich etwas wehmütig auf die Anfänge dieses glänzenden Rollenspiels zurück, das den Grundstein für alle meine späteren Entwicklungen legte, mich vieles lehrte und uns viele interessante Spielstunden bescherte.

Happy Birthday, liebes Portal!
Ich glaube, ich werde dir zum 15. Geburtstag etwas ganz Besonderes schenken.