Araclia – Welt ohne Spieltechnik-Ballast

Eine der Besonderheiten der Neuerscheinung ARACLIA ist, dass es sich dabei um eine Fantasy-Welt handelt, die unabhängig von einem konkreten Regelwerk bestehen kann und soll.

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Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für mich gibt es zwei Sichtweisen:

  1. Das Setting und die Regeln sind gaaanz eng verknüpft, das rechtfertigt natürlich, dass im Settingband Regelinfos enthalten sind. Die will ich dann natürlich auch nutzen bzw. finde ich es okay, dass mir diese Regeln “aufs Aug gedrückt” werden. Die Regeln sind Teil der Vision, und wenn das gut zusammenpasst, gibt es wenig Schöneres.
  2. Das Setting und die Regeln sind zufälligerweise aus derselben Schmiede, haben aber eigentlich wenig bis nichts mit einander zu tun. Sprich: Das Setting könnte man mit jedem System bespielen. In diesem Fall empfinde ich Regeln in der Settingpräsentation als Ballast, weil ich mir diese Informationen immer wegdenken bzw. ausblenden muss.

Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, hat der denn keine anderen Sorgen?! Stimmt, hab ich nicht. 🙂 Nein, im Ernst: Was mir auf dem großen weiten Rollenspiel-Markt tatsächlich abgeht, sind Settings, die systemneutral präsentiert sind, sodass ich sie wahlweise mit SW, Portal, Destiny, Fate – jedenfalls mit dem Regelwerk meiner Wahl verwenden kann.

Ob es der Weisheit letzter Schluss ist, Crunch komplett draußen zu lassen, sich auf Prosa zu beschränken und damit natürlich Unschärfen in Kauf zu nehmen (wie gefährlich ist denn nun der “gefährliche Flammenaak” wirklich)? Die Antwort muss wohl jeder für sich selbst finden. Dem einen mag die konkrete Festlegung abgehen, der andere freut sich über den Freiraum, den ihm diese regelneutrale Darstellung der Welt bietet. Araclia ist zweifellos eine Welt für den anderen (nicht den “Anderen”).

Aber wie ist das bei euch?

ARACLIA – Freiheit für den Spielleiter

Man veröffentlicht ja nicht jeden Tag ein 260-Seiten-Buch mit Illustrationen im Wert von über 2000 Euro, daher erlaube ich mir, mein magnum opus in den nächsten Tagen und Wochen immer mal wieder hier zu beleuchten und jedes Mal dafür einen besonderen Aspekt zu wählen, damit auch die Diskussion, falls es eine gibt, nicht verwässert wird. Den Anfang macht das Thema “Freiheit für den Spielleiter”.

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Klingt ein bisschen nach Werbeeinschaltung, ist es auch, hat aber einen authentischen Hintergrund. Tatsächlich ist es mein Hauptanliegen gewesen, als ich ARACLIA begonnen habe zu designen, eine große, komplexe Welt zu gestalten, in der – trotz zahlreicher liebevollen Details – keine Beengung des Spielleiters stattfindet.

Das betrifft nicht nur die “weißen Flecken” – das wäre zu billig – sondern auch die Frage, welche Informationen wo verstreut sind und wie sie präsentiert sind. Dabei machen oft Kleinigkeiten den Unterschied. Zum Beispiel steht bei den Rassenfähigkeiten vielfach so etwas wie “Colwulven im höheren Alter sagt man die Fähigkeit nach….” anstatt von “Colwulven haben die Fähigkeit”. Legendentum statt Fakten, Möglichkeiten statt Gesetztem. Ist nur eine Kleinigkeit, macht aber viel aus.

Ein weiterer Punkt ist natürlich die schiere Größe der Welt. Mit all ihren Kulissen bietet Araclia für zahlreiche Subgenres einen passenden Hintergrund. Das war mir wichtig, weil ich persönlich auf Langzeit-Kampagnen stehe. Abwechslung muss sein und wenn ich als SL Bock auf ein Piratenabenteuer habe, möchte ich mir nicht erst eine Insel aus den Fingern saugen müssen, sondern da will ich, dass es bereits ein Archipel gibt.

Last, but not least, der Detailgrad. Wer das Buch schon durchgeblättert hat, dem ist vermutlich aufgefallen, dass es punktuell zwar in die Tiefe geht, aber bei den Abenteuer-definierenden Basics – Länder, Rassen, Völker – relativ kompakt gehalten ist. Auf diese Weise gibt es genug “zwischen den Zeilen”, das der SL nach eigenem Ermessen füllen kann. Er muss nicht befürchten, keinen Platz für sein Abenteuer zu finden oder gegen gesetzte Strukturen zu verstoßen.

Damit eng verwandt ist auch die Frage der Abgeschlossenheit. So viel Raum das Setting lässt, das Buch ist 260 Seiten stark und wird nicht erweitert. Das kann man natürlich negativ sehen – alle Sammler wenden sich nun schluchzend ab – aber als Spielleiter ist es ideal, denn ich kann meine Vision auf Basis dieses Kompendiums entwickeln, ohne befürchten zu müssen, dass meine kreativen Weiterentwicklungen durch spätere Veröffentlichungen revidiert oder konterkariert werden. Der SL ist und bleibt also Herr des Settings, so wie es meiner Meinung nach sein muss. (Wer das nicht will, ist in der Tat bei DSA und seinen Metaplots besser aufgehoben).

So weit meine Hintergrund-Gedanken zum Thema ARACLIA und Freiheit für den Spielleiter. Und wieviel ist euch als SL eure kreative Freiheit wert?

ARACLIA – das größte Release ever!

Es ist vollbracht! Mit Araclia erblickt die größte AceOfDice-Veröffentlichung das Licht der Welt, und sie setzt sich ganz ungeniert auf die von DSA und Splittermond besetzte Nische der breiten Langzeit-Fantasy-Settings.

Mit verstärktem Fokus auf medieval fantasy und dem Anspruch, eine Welt zu bieten, in der Spieler und Spielleiter das Sagen haben und nicht Romanautoren. Mit dem Anspruch auf Konsistenz, Spielbarkeit und geringe Hürden für diejenigen, die schnell mal loslegen wollen, ohne angesichts des enzyklopädischen Wissens ihrer Mitspieler in Minderwertigkeitskomplexe zu verfallen.

Aber Araclia ist nicht bloß das Projekt eines größenwahnsinnigen Einzelautors, der allen Ernstes glaubt, mit den Großen mithalten zu können, sondern auch ein Tribut an all jene, die den Mut haben, Bewährtes vielleicht doch mal ein wenig anders zu probieren:

  • ohne Elfen, ohne Zwerge, ohne Orks, dafür mit ganz neuen, unbesetzten Rassen, die zu innovativem Rollenspiel anregen sollen,
  • ganz ohne Crunch, d.h. rein erzählerisch beschrieben und daher geeignet, mit jedem Spielsystem in Kombination gespielt zu werden,
  • vielseitig und breit angelegt, aber so kompakt präsentiert, dass Spieler und Spielleiter nicht viel mehr als 3 Seiten zu Rasse und Volk zu lesen brauchen, um effektiv mitspielen zu können.

Aventurien light? Mitnichten. Araclia ist von vorne bis hinten durchkonstruiert mit Zusammenhängen, die sich durch sämtliche Bereiche ziehen: Fauna, Flora, Drachen, Geschichte, Geographie, Mythologie – alles steht mit allem in Zusammenhang, und diesen im Laufe einer Kampagne zu entdecken ist das Geschenk an jene Spieler, die sich mit Araclia in seiner Gesamtheit auseinander setzen und diese Welt ihrerseits Abend für Abend mit neuem Leben erfüllen.

Vor allem aber ist Araclia eine Welt, in deren Kern das Übernatürliche noch selten und unberechenbar ist. Magie ist hier etwas Besonderes, (Ehr-)Furcht Gebietendes, mit dem man nicht leichtfertig verfährt. Hier gibt es keine Schwerter +1 am Basar und keinen Heiltrank in der Apotheke, und Magier laufen auch nicht mit Mantel, Bart und Zauberstab herum. Für Spieler von selbigen bietet Araclia ganz neue Herausforderungen – nicht Accessoires definieren das Rollenspiel, sondern fremdartige Auren und gesellschaftspolitische Überzeugungen, die es zu transportieren gilt!

Das führt mich zum letzten Punkt: Araclia enthält als Fantasy-Setting natürlich gewisse Pole im Spektrum von Gut und Böse, das braucht Rollenspiel einfach, aber dazwischen ist hier viel Raum für Graustufen. Keine Fraktion in Araclia ist für sich genommen gut oder böse – auch der im Verborgenen agierende, die herrschende Ordnung unterminierende Magier muss kein Agent des Bösen oder des Guten sein, sondern schlichtweg jemand, der für seinen Stand und den Glanz einer alten Zeit kämpft. Und ähnliches soll auch den Spielercharakteren in Araclia zuteil werden: Auch sie sollen Positionen abseits von Gut und Böse einnehmen und damit ihren eigenen, ganz speziellen Weg in einer von Graustufen durchzogenen Welt finden können.

Und wer auf solche Subtilitäten pfeift, kann in Araclia immer noch gegen Drachen und Monster kämpfen und alte Ruinen plündern. 🙂

Informationen zu Araclia findet ihr auch auf der Produktseite, wo das Buch ab jetzt – wie alle AceOfDice-Spiele – kostenlos zum Download zur Verfügung steht. Ladet runter, probiert aus und habt viel Freude!

Abstrakt vs. Simulationismus

Wenn man sich moderne Rollenspiele anschaut, könnte man meinen, dass der Trend Richtung Erzählspiel und damit auch in Richtung abstrakte Mechanismen geht. Ist das so? Was heißt in diesem Zusammenhang “abstrakt”, und wie wirkt sich das auf die Spielweise aus? Es folgt ein (für meine Verhältnisse) etwas längerer, assoziativer Gedankengang.

Definition

Mit abstrakt meine ich, dass sich die Regeln weniger auf Handlungen fokussieren, sondern eher auf Wirkungen in der Spielwelt und das Verändern von Gegebenheiten. Das Gegenteil von abstrakt wäre in diesem Sinne nicht konkret, sondern simulationistisch, eben das Simulieren von Handlungen nach dem Prinzip von Aktion und Reaktion. Abstrakt und simulationistisch scheinen sich mir ein wenig wie Zweck und Mittel verhalten. So wie man auch jede Diskussion auf einer feingranularen Ebene führen kann oder aber auf einer teleologischen (= am Zweck orientierten).

Beispiel

  • Beispiel 1 (simulationistisch): Spieler A: “Ich gehe zur Kette der Zugbrücke. Ich setze meinen Speer in das blockierte Gewinde und drücke mit aller Kraft”. SL: “Würfle eine Kraftprobe!” etc.
  • Beispiel 2 (abstrakt): Spieler B: “Ich möchte die blockierte Zugbrücke herunterlassen. Welche Möglichkeiten sehe ich?” SL: “Würfle auf Mechanismen!” etc.

Abstrakt heißt, dass sich der Spieler weniger an den Handlungen seines SCs orientiert, sondern eher an den Zielen. Das hat profunde Auswirkungen auf den Spielstil und den Spielverlauf. Und es fühlt sich auch komplett anders an. Dass in Beispiel 2 aus einer physischen Probe eine Wahrnehmungs/Wissens-Probe wurde, ist nur ein Teil des Abstraktions-Syndroms und steht für eine durchaus repräsentative Verschiebung von Schwerpunkten.

Im obigen Beispiel sieht man außerdem, dass Spieler A sehr tief drinnen ist in den Details. Er sieht die Einzelteile – eine Kette, ein Gewinde, ein Speer – und er sagt uns genau, welche Schritte sein SC zur Lösung des Problems setzt. Für Spieler B steht das nicht im Vordergrund. Er will nicht simulieren, welche Handgriffe zu tun sind, bis die Zugbrücke herunterkommt, sondern er will die Zugbrücke unten haben und sich dann mit einer veränderten Situation beschäftigen.

Der dramaturgische Wert von Abstraktion

Beides ist nicht gut oder schlecht, sondern einfach ein anderer Zugang. Meistens ist der erzählerische Zugang zum Rollenspiel gleichzeitig auch abstrakter, weil ein sich veränderndes Drama nicht aus kleinteiligen Handlungen entsteht, sondern aus einem dynamischen, sich ständig und auch weitreichend verändernden Gefüge. Heißt im Beispiel: So lange sich die Zugbrücke nicht bewegt, wird sich an der Situation im Spiel nicht viel verändern. Sobald die aber mal unten ist, geht die Post ab: neue NSCs, neue taktische Situation etc.

Vom Design-Standpunkt her neigen also nicht ohne Grund viele erzählerische Spiele dazu, manches abstrakt zu lösen. Auch übrigens Destiny Beginner: Die Regeneration von Konstitution und Destiny-Punkten orientiert sich nicht an Nachtruhe und Schläfchen, sondern am Szenenwechsel und somit am Erzählfluss. Oder bei der Großen Gabe lernt der Magier keine Zaubersprüche, sondern beschreibt, was er erreichen möchte und erhält im Erfolgsfall Punkte, mit denen er diesen Effekt erzielen bzw. beschreiben kann.

Symptome von Abstraktion

Ein Symptom von Abstraktion ist, dass Details verloren gehen. Wo man im kleinteiligen Old-School-Spiel noch genau spezifiziert, auf welche Pflastersteine man im Dungeon tritt und welche man auslässt, wird das im abstrakten Erzählspiel bestensfalls zu einer einzelnen Probe, wenn nicht sogar zu einer Situation, in der “Story-Punkte” ausgegeben werden, um an diesem Teil des Abenteuers gar nicht erst mit Fallen behelligt zu werden.

Auch das ist nicht gut oder schlecht, wiewohl manche Spieler Details brauchen, um sich Ideen zu holen. Ich gehöre z.B. dazu. Ich betrachte mich zwar als erzählerischen Spieler, aber meine Kreativität braucht Fixpunkte, und die hole ich mir aus den Details. Wenn Details niemanden am Tisch interessieren, dann bin ich in einer zu abstrakten Runde gelandet.

Ein weiteres Symptom (ich spreche absichtlich von Symptomen, nicht von Problemen) des abstrakten Spiels ist, dass – ähnlich wie das, was ich hier schon mal angedacht habe – eine gewisse Meta-Ebene dominiert. Und zwar unausweichlich, wie folgendes Beispiel zeigt:

  • Spieler A: “Ich möchte den Gegner einfrieren!”. SL: “Da es in diesem System keinen Zauberspruch Einfrieren gibt, sondern du alles zaubern kannst, musst du mir sagen, was du damit bezwecken willst.” Spieler A: “Was soll ich schon bezwecken wollen? Ich will ihn einfrieren!” SL: “Ja, aber was möchtest du bezwecken? Soll er sich nicht bewegen können, dann kannst du ihm Behinderungspunkte beibringen, oder soll er erfrieren, dann sind es Schadenspunkte.” Spieler A: “Ähm…. beides?”
  • Gleiches System, anderer Spieler B: “Ich möchte den Gegner einfrieren. Ich nutze meine Große Gabe in Magie und decke ihn mit einem Kälteschauer ein!” SL: “Behinderung oder Schaden?” Spieler B: “Hm… in diesem Fall ist uns mehr gedient, wenn ihn die Vereisung verlangsamt. Behinderungspunkte also.”

Ob ein Rollenspiel funktioniert, hängt demnach weitestgehend davon ab, ob das Niveau an Abstraktion mit jenem der Spieler harmoniert. Darum habe ich Destiny und Destiny Beginner auch voll kompatibel zu einander gemacht. Wer mit der Großen (abstrakten) Gabe nicht kann, greift einfach zum kleinteiligeren Talente-Crunch von Destiny.

Auswirkungen auf das Design

Unterm Strich heißt das, man muss sich, wenn man ein Rollenspiel baut (und dabei nicht konzeptionell in der Comfort Zone der 80/90er-Jahre stehen bleibt), sehr genau Gedanken über das Abstraktionsniveau machen, welche Auswirkungen es auf das Spiel hat (Kampf z.B. ist eine traditionelle Hochburg des Simulationismus; hier werden abstrakte Mechanismen viel stärker spürbar als etwa bei einer Skill Challenge am Basar) und welche Spieler man damit ansprechen möchte. Mit Anfängern oder Profis hat das Ganze, denke ich, nichts zu tun. Aber mit der Bereitschaft, sich von Details zu lösen und den Fokus von den Mosaiksteinchen weg auf das große Bild zu verschieben.

Und genau das habe ich mir für meinen weiteren Rollenspiel-Weg vorgenommen. Sowohl als Spieler als auch als Spielleiter als auch als Systemdesigner. Mal sehen, wohin mich das führt.

Kostenlos ist nicht nur gut

Ich weiß, alle Welt freut sich darüber, dass Rollenspielbücher – wie gerade eben Cthulhu oder das neue D&D – immer günstiger oder sogar gratis werden. Als Alexander tue ich das auch, als AceOfDice denke ich aber auch an die Auswirkungen auf Kleinverlage und unabhängige Autoren und habe zumindest ein weinendes Auge.

Zum einen habe ich nicht die selben Möglichkeiten wie ein Verlag, z.B. Produkte zu welchem Zweck auch immer querzufinanzieren. Ich muss – ganz straight – mit dem Verkauf eines Produkts das hereinspielen, was ich dafür aufgewendet habe.

Zum zweiten wird der Preis-Range, innerhalb dessen ich meine Produkte platziere, sehr dünn. Von oben drücken Veröffentlichungen wie Shadowrun, die – zumindest im Preisvergleich – meine Produkte alt aussehen lassen. Ich kann um 20 Euro gerade mal so etwas wie Destiny Dungeon (150 Seiten, 8 Farbillus, Softcover) herausbringen. Shadowrun hat demgegenüber 400 Seiten, Vollfarbe, Hardcover! Ich könnte mir vorstellen, dass der Käufer im Laden bei Shadowrun das Gefühl hat, mehr für sein Geld zu bekommen. (Auch wenn das natürlich Quatsch ist.)

Nach unten hin aber kann ich auch nicht aus, denn um so günstiger ich anbiete, desto weniger interessieren sich Händler für mein Produkt, ganz einfach weil ihre Marge den Aufwand nicht rechtfertigt (das Produkt kennen lernen, bewerben, Platz im Regal reservieren). So geschehen bei Destiny Beginner. Das Buch hat sich, obwohl kaum beworben, in der ersten Auflage einige hundert Mal verkauft, was eigentlich Grund zum Jubeln wäre, aber a) Händler interessieren sich nicht dafür (mit Ausnahme des Sphärenmeisters, der hat halt Weitblick) und b) ich verdiene daran keinen Cent, da es mit EUR 7,- als Geschenk an die Community und deren Nachwuchs gedacht war. Nobel, aber dumm, könnte man sagen.

Dass sich die Preisspirale unaufhörlich nach unten dreht und alles nur noch für lau, gratis, umsonst etc. erhältlich ist, lässt mich in meiner Verbraucher-Euphorie kurz mal innehalten und stimmt mich als Content Provider zumindest skeptisch. Erst recht, als ich als AceOfDice noch nicht herausgefunden habe, wie ich diesen Trend so richtig für meine Spiele nützen kann. Die gute Nachricht für euch ist: Bis ich es weiß, bleiben Destiny & Co. erstmal gratis zum Download.

3 Faktoren für einen gelungenen Abend

Spielleiter zu sein, insbesondere in einer längeren Kampagne, bringt es mit sich, dass man mal besser, mal schlechter vorbereitet ist. Wir Spielleiter sind ja schließlich auch nur Menschen. Weder können wir von unserer Leidenschaft leben, noch wärmt sie unsere Betten desnachts, und je nach zeitlicher Auslastung gehen wir unterschiedlich gerüstet an unsere Aufgabe. Doch hängt es wirklich alleine vom SL ab, ob ein Rollenspielabend gelingt?

Früher dachte ich immer, dass alles mit der Vorbereitung des SL steht und fällt (wobei mir über die Jahre bewusst wurde, dass auch zu viel Vorbereitung schädlich ist). Aber diese Überlegung greift zu kurz, denn die Gleichung ist komplexer. Es braucht, denke ich, (mindestens) dreierlei:

  • eine gewisse Abenteuerqualität. Nicht Plots mit der Tiefe eines Tolstoi-Romans oder der Komplexität eines Agatha Christie Krimis sind gefragt, aber die Schwelle des Banalen, Vorhersehbaren, Durchschaubaren sollte überschritten sein.
  • eine gewisse Aufmerksamkeit und Spontanität des Spielleiters. Er muss kein Wunderwuzzi-Storyteller sein, aber grundsätzlich wachsam und vor allem in der Lage, Charaktere, Story und Spieltechnik wie Bälle beim Jonglieren in der Luft zu halten. Fällt nämlich einer zu Boden, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die anderen auch nicht mehr lange in der Luft bleiben.
  • Aktivität der Spieler. Wohl ist es gar nicht notwendig, dass die Spieler erstklassiges, proaktives, Sandbox-oides Gameplay hinlegen, aber auch hier gibt es eine 0-Linie, unterhalb derer passive Konsumhaltung dominiert, also “mehr empfangen als gegeben” wird, wohingegen der Idealzustand jener ist, dass die Spieler das, was der SL ihnen bietet, aufgreifen, bereichern und zurückspielen.

Ich bitte auf den dritten Punkt zu achten: Der spricht nämlich etwas ganz Obskures an: die Mitverantwortung der Spieler für das Gelingen des Spielabends. Nicht des Abenteuerziels, des Spielabends. Wie oft  heißt es im Nachgang: “was für’n bescheuertes Abenteuer…” Oder: “Der SL war aber heute echt mies drauf…”, aber selbstkritische Töne? Die sind deutlich seltener.

Aber angebracht. Rollenspiel ist ein Gruppenspiel und keine Ein-Mann-Show. Wenn Spieler ihren Part unterdurchschnittlich erfüllen, kann der SL das nur durch überdurchschnittlichen Einsatz ausgleichen. Den aber kann man nicht voraussetzen. Auf der anderen Seite sollte sich der SL nicht für alles verantwortlich fühlen, auch wenn das im einen oder anderen Fall durchaus dem Ego schmeicheln mag. (Ich nehme mich da beileibe nicht aus – Verantwortung abgeben ist wahrlich nicht einfach.)

Wie ist das bei euch? Könnt ihr der “Erfolgsformel”

Abenteuererfolg = Abenteuer-Qualität x SL-Kompetenz x Spieler-Aktivität

etwas abgewinnen? Und sind eure Spieler bzw. seid ihr als Spieler ausreichend selbstkritisch? Und (wie) kamt ihr zu einer “Kultur der gemeinsamen Verantwortung”?

Buchstabensuppen-Rätsel aus DSA-Zeiten

Fast sentimental könnte ich werden, wenn ich mir meine ersten Veröffentlichungen ansehe. Damals für einen örtlichen Verein, in dem hauptsächlich – so wie in meinen Runden – DSA gespielt wurde. Ach, was habe ich dieses Spiel geliebt!

Und weil ich das Vereinsmagazin, den “Neuen Runen-Almanach”, zu 80% im Alleingang geschrieben und gelayoutet habe (damals noch mit Word 2.0, Schere und Klebstoff und viiiel Zeit), bastelte ich auch das folgende irre Buchstabengitter-Rätsel, in dem sich 30 Begriffe verbergen, die einem Magier ganz sicherlich bekannt sind. Zumindest einem DSA-Magier, denn ich glaube mich zu erinnern, da auch Formeln hineinverpackt zu haben. Viel Spaß!

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P.S. Mal sehen, ob ich so etwas in naher Zukunft auch für Araclia hinkriege. 🙂

Ein neuer Name für unser Hobby

Im Studium habe ich gelernt: falsa demonstratio non nocet. Heißt so viel wie: der Inhalt zählt, nicht das Etikett. Im wahren Leben ist das wohl keineswegs so. Und deshalb, so meine neueste – zugegebenermaßen etwas radikale – Idee, muss für unser Hobby ein neuer Name her.

Der Gedanke kam mir, als ich letztens neugierig im Netz recherchierte, was denn so alles zum Thema Rollenspiel von Mr. Google hochgereiht wird. Und siehe da (wenig überraschend eigentlich) erschien vorwiegend Zeugs zu Computer-Rollenspielen. Erfreulicherweise fand sich der Polyeder Podcast ziemlich weit vorne, aber damit hatte es sich auch schon in Sachen Treffsicherheit.

Wenn ich nun das Internet ausklammere und den Begriff “Rollenspiel” in der Alltagssprache betrachte, wird das Bild nicht besser: im Gegenteil, da entstehen bei unbedarften Adressaten gleich… faszinierende Bilder im Kopf, die nichts bis gar nichts mit unseren doch so jugendfreien Themen (Schnetzeln von Goblins, Verhindern dämonischer Rituale, Ermordern dunkler Priester…) zu tun haben.

Die englische Sprache hat es da doch etwas leichter, denn die reden von “Role-playing Games”, also von Rollenspiel-Spielen, was die Sache zumindest begrifflich mehr abgrenzt als das im Deutschen geschieht. Ich breche daher hiermit eine Lanze dafür, dem Genre einen neuen Namen zu verpassen. Einen, der unser Hobby zweifelsfrei identifiziert und keine hinterhergehechelten Erklärungen erforderlich macht. Und vielleicht sogar einen, der dabei hilft, unser Hobby mit neuer Energie zu beleben und fit für die nächste Generation zu machen?

Sprechen wir also in Zukunft lieber von

  • Rundenschauspiel
  • Würfeldramaspiel
  • Imaginationsinteraktionsspiel?

Na gut, diese Vorschläge sind natürlich nicht ernst gemeint. Und ich sehe schon, warum sich bisher kein anderer Name etabliert hat: Auf den ersten Blick springt zumindest mir kein Begriff wirklich ins Auge bzw. ins Ohr. Aber vielleicht hindert einen die Gewohnheit in neuen Bahnen zu denken, und es lohnt sich, mal ernsthaft darüber nachzusinnen. Vorschläge – ernst gemeinte wie humoreske – werden gerne entgegen genommen!

Eine Lanze für die schwülstige Anrede

“Seid Ihr wirr im Kopf, mein Herr?” So oder ähnlich klingt es in meinen Fantasy-Runden, wenn NSCs und SCs mit einander sprechen. Das geschwollene “Ihr”, “Euch”, “Euer” ist mir nach fast 30 Jahren Rollenspielen zur zweiten Natur geworden. Aber es fällt nicht allen leicht.

Gerade in meinen jüngeren Runden tendieren einige zum weltlichen “Sie” und “Ihnen”. Von der stilistischen Diskrepanz ganz abgesehen, finde ich letzteres – subjektiv – geradezu abscheulich. Damit klingt jeder Besuch am Markplatz wie ein Gespräch mit meinem Bankberater (“Nehmen Sie sich ruhig Zeit. Gefällt Ihnen, was Sie sehen?”) Und jedes investigative Abenteuer fühlt sich wie ein weitere Spinoff von CSI an: “Wo sind Sie letzte Nacht gewesen? Haben Sie einen Zeugen? Ist das Ihr Dolch?” Brrr.

Über Geschmack lässt sich ja angeblich nicht streiten, aber ich sehe trotzdem einige Vorteile des schwülstigen “Ihr”, “Euch”, “Euer”:

  1. Es erzeugt einen stärkeren Respekt vor dem Gegenüber. Den erfordert natürlich nicht jede Situation, aber so generell beobachte ich im Rollenspiel immer wieder, dass die SCs dazu tendieren, die NSCs ohnehin nicht als gleichwertig zu betrachten. Eine etwas “steifere” Anrede kann da zumindest ein wenig ausgleichend wirken.
  2. Im Dialogfluss ergibt sich eine blumigere Sprache. Es kommt zur Verwendung von Begriffen und Metaphern, die in unserer Alltagssprache selten geworden sind. Nun muss Fantasy-Rollenspiel wahrlich nicht zum schwülstigen Shakespeare-Drama werden, aber die mit einer etwas anderen Sprechart verbundene “Otherwordliness” hilft doch ziemlich beim Eintauchen in die Spielwelt.
  3. Die Unterscheidung zwischen dem, was die Spieler sagen, und dem, was die Charaktere von sich geben, fällt deutlich leichter. (Obgleich ich ohnedies ein Fan davon bin, die Äußerungen der Spieler 1:1 auf die Charaktere zu übertragen, aber das ist eine andere Geschichte).

Letztlich frage ich mich, woher meine starke, fast schon emotionale Bindung an das “Ihr” und “Euch” eigentlich herrührt. Zweifellos gibt es Literatur, in der das anders gehandhabt wird, aber in den großen Repräsentanten des Genres – Nibelungensage, Ivanhoe, Excalibur, Die Braut des Prinzen, Der Hofnarr… – herrscht (iirc) konsequent das “Ihr” und “Euch” vor. Möglicherweise liegt es daran.

Solltet IHR also noch nicht das IHR verwenden, dann probiert es mal aus und lasst mich wissen, wie es sich für EUCH anfühlt. 🙂

Geschichte und Mythen im Rollenspiel (am Beispiel Araclias)

Die Vergangenheit eines Settings hat im Rollenspiel große Bedeutung. Im großen Rahmen sind es Schöpfungsmythen und Götter- und Heldensagen, die definieren, wie sich eine Welt anfühlt. Sind die Götter böse, rachsüchtig, fordernd, oder sind sie nachsichtig, wohlwollend, väterlich? Natürlich kann man das auch ohne Bezug zur Vergangenheit hineinschreiben, aber dann wird es oft glatt und kalt. Erst Geschichten erfüllen solche Attribute mit Leben.

In Araclia z.B. gibt es zu (fast) jeder Gottheit eine Geschichte. Kastorna zum Beispiel war nicht immer die Göttin des Eises und der Kälte. Dazu wurde sie erst, als Sastrates ihr gemeinsames Kind ermordete und sie ihr Herz gefrieren ließ, weil es sonst zersprungen wäre. Sastrates wiederum wurde ob dieser Sünde ins Totenreich verbannt. Er ist seitdem Gott der Sünde und des Leids und Totengott.

Im mittelgroßen Kontext ist es die Vergangenheit, die die Basis für die heutigen Machtverhältnisse legt. Damit ist die klassische Geschichte von Ländern und Königreichen angesprochen, von Kriegen und Blütezeiten, irren Königen und großen Katastrophen in den letzten Jahrhunderten. Auch hier sind es die kleinen Details, die die Geschichte mit Leben erfüllen und den Tenor setzen.

Die irre Königin Seterra, die in ihrem Garten die giftigsten Pflanzen züchtete und deren Sporen dann im ganzen Land verteilte, sodass ein Drittel der catorischen Bevölkerung an einer grausamen Lungenkrankheit dahingerafft wurde, ist nicht nur eine Geschichte, die man sich gut vorstellen kann, sie gibt auch dem heute noch verbreiteten Gift Seterrakrone eine schauderliche Note.

Die meisten Settings haben ein oder zwei historische Episoden, die so einschneidend sind, dass sie (wohl wie die beiden Weltkriege in unserer Realität) die Welt auf Jahrhunderte hinaus definieren und – aus Spielerperspektive – auch als Merkmal gelten. Meistens ist es irgendeine Art von Kataklysmus, der für Chaos sorgt oder besondere Zustände rechtfertigt.

In Araclia ist es der Aufstieg und Fall von Rishamer, einer dekadenten Magierkaste, die sich zur Verteidigung ihrer Machtposition einer Armee phantomarer Krieger bediente, der sogenannten Wandelnden. Allein, die Wandelnden täuschten ihre Herren und ließen sich am Ende keineswegs beherrschen. Sie gingen durch jede Wand, schritten über das Wasser und vernichteten allerorts auf Araclia tausende Menschenleben. Dieser Schreck sitzt den Catoriern heute noch so tief in den Gliedern, dass sie Magie fürchten und verabscheuen. Es erklärt auch, warum die Catorier besonders gottesfürchtig sind, ihre “anti-magische” Ritterkultur hochhalten und Zauberkundige unter ihnen ein schweres Los haben…

Und schließlich, im kleinen Rahmen, sind es die lokalen Episoden aus der Vergangenheit, die das Kolorit von Orten oder Persönlichkeiten so bereichern, dass Spieler und Spielleiter etwas damit verbinden und eine Vorstellung davon entwickeln, wie es ist, an dem jeweiligen Ort zu leben. Und natürlich hilft es beim Entwickeln eigener Abenteuerideen.

Die Stadt Enerestis im Moor der Schlafenden Drachen wird gleich doppelt so interessant (und plausibel), wenn man weiß, dass diese in der Zeit von Rasmorrtah von menschlichen Flüchtlingen gegründet wurde, die ihren krelvetischen Peinigern zu entkommen suchten. Und wer weiß, ob die Menschen bei ihrer Flucht nicht auch das eine oder andere Krelveten-Artefakt mitgehen ließen, das noch immer in den alten steinernen Fragmenten verborgen liegt? Oder ob die Krelvetenschamanen den Flüchtlingen Geister hinterher jagten, die bis zum heutigen Tag irgendwo gebunden liegen?

Das Problem mit der Vergangenheit im Rollenspiel ist, dass sich niemand gerne mit ihr auseinandersetzt. Spielleiter haben Besseres zu tun als sich durch Chroniken zu kämpfen, und Spieler agieren tendenziell lieber im Hier und Jetzt. Die Vergangenheit darf auch nicht zum Selbstzweck werden oder als schriftstellerische Ersatzbefriedigung herhalten. Sehr wohl aber darf sie interessieren, inspirieren, erklären und motivieren und ein Setting mit inhaltlicher Tiefe versehen.