Romane als Settingvorlage funktionieren nicht.

Bis gestern abend wusste ich nicht so recht, worüber ich heute bloggen würde, aber dann sah ich eine weitere Episode Game of Thrones, und wieder kam in mir der Wunsch auf, in so einem tollen Setting rollenzuspielen. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass alle unsere bisherigen Versuche, Settings zu bespielen oder so aufzubauen, wie man sie aus Film und Literatur kennt, gescheitert sind. Ist das so? Muss das so sein? Wenn ja, warum?

Vielleicht nicht in jedem Fall, aber ich glaube, ihr werdet mir zustimmen, dass die Voraussetzungen für ein Setting sehr unterschiedliche sind, je nachdem, ob man darin rollenspielen möchte oder es als Kulisse für vorgegebene Geschichten verwenden will.

Komplexität und Größe. Die Seven Kingdoms zum Beispiel wären für mich, so faszinierend sie in Buch und TV rüberkommen, als Rollenspieler eine glatte Überforderung. Hat jemand all die Wappen und Familienstrukturen aus dem Appendix im Kopf? Kann jeder die Orte gleich zuordnen und weiß, wer da gerade von wessen Gnaden herrscht? Ich könnte so etwas nur mit vorgegebenem oder penibel vorbereitetem Material spielen oder – was nicht Sinn der Sache ist – generisch und allgemein halten, um nirgendwo anzuecken.

Legendentum. Legend of The Seeker ist für mich ein anderes Beispiel. Eine Welt, die so stark um eine Prophezeiung herum aufgebaut ist, und in der immer nur eine Person der Erlöser sein kann, ist für mich zumindest als Spieler frustrierend. Ich weiß genau, ich könnte als Spielercharakter Richard und Kahlan nie das Wasser reichen, ebenso wie Raistlin und Tasslehoff und  Luke und Han Solo unantastbar sind.

Thema. Settings mit zu abgedrehter oder zu dominanter Thematik – so etwas wie alle paar Stunden fällt giftiger Regen, Häuser versinken á la Dark City oder Menschen werden von Dämonen beschworen und verschwinden (plopp!) unerwartet – solche Settings entfachen anfangs unglaubliche Faszination, aber nach ein paar Mal Spielen kommt man oft drauf, dass sich darin viele Ideen einfach nicht umsetzen lassen. Keine Frage, Originalität ist wichtig, sie hält das Genre am Leben, aber mein Ansatz ist immer der gewesen, solche Dinge überlegt und wohldosiert einzusetzen. Zumindest, wenn man das Setting nicht nur verkaufen will, sondern anstrebt, dass es die Leute lange Zeit verwenden können.

Details. Im Detail steckt oft der Teufel. Zum Beispiel haben in nicht wenigen Fantasy-Romanen Heilzauber, Heiltränke und Wiederweckungen ihren festen Platz. Hat sich aber schon einmal jemand überlegt, wozu eine Inflation mit diesen Elementen führt? Man müsste alle Gegner nach dem Kampf zerstückeln, um sicher zu gehen, dass sie nicht wieder aufstehen. Plots wie “Attentat auf den König” werden auch plötzlich sinnlos, denn der König hat bestimmt in seinem Nachtkästchen einen Heiltrank oder einen Priester für solche Fälle. Details, die in Geschichten entweder nicht auffallen oder kasuistisch erklärt werden können, aber einer gewieften Rollenspielgruppe sehr bald negativ aufstoßen.

Ausnahmen bestätigen gewiss die Regel, aber die Regel, so meine ich, lautet: Romanwelten als Settingvorlage funktionieren nicht. Behaupte ich mal und freue mich, falls mich jemand mit Gegenbeispielen eines Besseren zu belehren weiß.

Dagegen sehen die Profis alt aus…

Wer sich noch erinnert: Vor einiger Zeit absolvierte ich einen RPG-Anfänger-Kennenlern-Marathon mit Interessierten, die in einem (ähm: dem einen österreichischen) RPG-Forum auf meinen Thread reagiert hatten. Gestern war’s soweit: Der erste Abend! Ich selbst war ziemlich fertig und musste mich mit Kaffee, Burn und Coke Zero dopen, immerhin galt es ja, den Neulingen einen besonders positiven Eindruck vom Rollenspiel zu bescheren.

Da ich die Leute “gecastet” hatte, kannte ich sie, aber einander sahen sie gestern zum ersten Mal (abgesehen von den Facebook-Profilfotos). Unterschiedlich unpünktlich wie wir waren (eine Spielerin kam gar nicht – wir hoffen, es fehlt ihr nichts!), wurden die Vorstellungsrunden einige Male iteriert. Aber das schadete nicht, ebenso wenig wie die Namenskärtchen, die Dennis anregte. Irgendwie peinlich, aber total sinnvoll!

Den Spielern war wichtig, ihre Charaktere gut zu durchdenken, daher kamen wir überein, an den ersten paar Abenden erstmal mit schnell-schnell-SCs zu starten und uns später richtige Charaktere zu erschaffen. Wir würden dann beschließen, ob wir DSA, D&D, Midgard, Savage Worlds oder was auch immer spielen würden, für den Anfang aber sollte es Destiny-Beginner werden, nicht zuletzt, weil wir damit gleich loslegen können würden.

Die Runde war ein Hit und ich war echt baff, mit welcher Fantasie und Vorstellungskraft die “Anfänger” an die Sache heran gingen. Julia erschuf eine rothaarige Halbelfen-Magierin, die den Gegnern Funkenregen aus einem Beutel entgegen streute (wer kommt auf so was!? Genial!). Patrick zimmerte innerhalb weniger Herzschläge einen Söldner Marke Good&Tough zusammen, gegen den meine Söldner Klischeefiguren ersten Ranges waren. Simon spielte einen super-ekligen und doch absolut Runden-tauglichen Gnom, dessen Hintergrund perfekt zu dem Lys Marrah-Setting passte, und Lisi wagte sich über einen Zwerg, der sehr interessiert daran war, gegen die Diskriminierung der Zwerge in Lys Marrah anzukämpfen. Dennis, der einzige Profi unter den Spielern, erschuf eine Priesterin der Mondgöttin Vinith mit dem wunderschönen Namen Merana Thelusiel. Wow!

Ich leitete wieder “Dunkelheit in Hmûr”, das Einführungsabenteuer aus dem Destiny-Beginner-Buch und modifizierte es Cthulhu-meets-Fantasy-mäßig, um das Szenario mit mehr Stimmung anzureichern. Die Spieler gingen voll mit. Gewisse Unsicherheiten waren noch zu spüren, so wurde oft während des Kampfes darüber philosophiert, wer denn nun am besten was tun sollte, aber ich gab den Spielern die Zeit, die sie brauchten, und freute mich über den kreativen Ausgang. Da wurde der Schwarzmagier einfach von einem Weinregal erschlagen, der Wächter besiegt, indem man die Runen des Drudenfußes mit antimagischem Tonikum wegwusch, und die Riesenratte verabschiedete sich unter einem Weg-Ätz-Zauber. Ein Fest für die Imagination!

Und eine große Freude für mich als Systementwickler zu sehen, dass absolute Anfänger mit Destiny-Beginner wirklich klarkamen, es sogar ausdrücklich lobten, weil die Große Gabe das Charakterdesign unterstütze und ihnen all die Möglichkeiten biete, sich einzubringen, ohne das lästige “Das geht mit diesem Feat aber nicht”, das man von crunchigeren Systemen kennt. Wer jetzt übrigens Lust bekommen hat: Destiny-Beginner ist seit heute im Handel erhältlich. Meine offizielle Ankündigung wird in den nächsten Tagen erfolgen, aber man kann es jetzt schon bei Amazon.de bestellen.

Kurz: Großartige Runde, großartige Menschen, großartiger Abend! Ein Dankeschön an das Genre Rollenspiel!

Wie sag’ ich’s meinem Spielleiter?

Spielleiter-Sein ist ein oft ungedankter Job. Man bereitet Campaigns vor, bekommt weniger Chips und moderiert stundenlang hochkonzentriert, um es allen Recht zu machen. “Na, wie hat’s euch gefallen?”, fragt man dann am Ende und erntet vielleicht ein “Eh gut!”, wenn’s blöd hergeht aber “Sorry, aber mich hat’s nicht umgehauen.” Das muss in der Form nicht sein. Weil man damit motivieren, aber auch demotivieren kann, widme ich meinen heutigen Artikel dem Feedback.

1. Empfangsbereitschaft. Sinn eines Feedbacks ist nicht, sich Frust von der Seele zu reden oder zu speichellecken, sondern dem anderen zu einer neuen Sichtweise zu verhelfen. Dazu muss aber dieser zuerst Empfangsbereitschaft signalisieren. Ist das nicht der Fall, aber der Leidensdruck beim Spieler zu groß (ein tyrannischer Spielleiter oder eine nicht abreißende Serie von todlangweiligen Abenteuern), dann sollte man das unter vier Augen besprechen, aber nicht als Feedback coram publico erörtern.

2. Feedback geben. Damit der kritische Punkt leichter angenommen werden kann und nicht reflexartig abgelehnt wird, kann man ihn einbetten, z.B. zuerst einen Punkt ansprechen, der einem sehr gut gefallen hat, danach den kritischen Punkt und als drittes einen Verbesserungsvorschlag. Man sollte dabei Ich-Aussagen tätigen und Wertungen vermeiden. “Ich habe das Abenteuer stellenweise langatmig empfunden” ist besser als “Das war dein bislang ödestes Abenteuer”. Damit der SL etwas mit dem Feedback anfangen kann, muss es jedenfalls konkreter als das sein. Beispiele helfen: “Zum Beispiel die Szene in der Schlucht, als sich jeder erwartet hat, dass etwas passiert…”

3. Feedback annehmen heißt Geduld haben, den anderen ausreden lassen, eventuell nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Rechtfertigen sollte man sich nicht. Ja ja, der Spielleiter kennt sein Abenteuer besser und hat 100 gute Gründe gehabt, aber Sinn der Feedbackrunde ist nicht, in einen Diskurs zu gehen. Letzter Punkt: Dankbarkeit. Für Feedback sollte man dankbar sein oder sich zumindest dankbar zeigen.

Feedback ist wie Medizin. Es schmeckt manchmal gar nicht gut, aber es hilft einem weiter. Mir zumindest hat es in der Vergangenheit sehr geholfen, und auch das Feedback hier im Blog und in den Foren ist von unschätzbarem Wert. Also sage auch ich an dieser Stelle an alle Kommentatoren: Danke!

Der Dämon der Kreativität

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mein rollenspielendes, -leitendes und -designendes Ich schläft so gut wie nie. Wenn ich irgendwo im Grünen sitze, arbeitet meine Fantasie auf Hochtouren. Schaue ich fern, so entdecke ich überall Elemente für zukünftige Kampagnen oder Settings. Hocke ich in einem langweiligen Meeting, kritzle ich Szenarienideen in meinen Notizblock. Gerade in Zeiten wie jetzt, in denen ich intensiv an einem Projekt arbeite, schaltet das Hirn gleich in der Früh in den Rollenspiel-Schaffensmodus, und wenn ich Pech habe, vergisst es abends auszuschalten, dann geht das in den Träumen noch weiter – ein Effekt, den ich oft auch nach langen Sessions verspüre.

Rollenspiel scheint eine Materie zu sein, die sehr tief in die Bewusstseinsschichten derjenigen hineinragt, die sich damit kreativ beschäftigen. Spieler, die sich alle 4 Wochen mal berieseln lassen, werden dieses Phänomen vermutlich nicht kennen. Aber Spielleiter und Designer möglicherweise schon. Ich jedenfalls kann meine Kreativität nicht einfach an- und abschalten. Sie entwickelt ein Eigenleben. Das ist natürlich gut und schlecht zugleich. Gut deshalb, weil innerhalb kürzester Zeit unglaublich viel geschaffen werden kann. Schlecht, weil es bisweilen auf Kosten von Konzentration und Fokus geht.

Ich habe noch keinen idealen Weg gefunden, in solchen Phasen zu meiner inneren Mitte zurückzufinden. Meditation, Yoga, Sport sind alles so Sachen, die ich mir schon jahrelang vorgenommen habe und dann – Schande, Schande – doch nie getan habe. Die effektivste Ablenkung sind immer noch meine Kinder, denn sie lassen mir einfach keine andere Wahl.

Aber wie ist das bei euch? Wie “besessen” seid ihr vom Dämon der Kreativität? Und welchen Exorzismus könnt ihr empfehlen?

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Game of Thrones – A Feast for Eyes

Für das TV-Highlight des Jahres habe ich es mir gestern sehr gemütlich gemacht. Bei Sonnenuntergang war’s dann soweit: Game Of Thrones, die erste Folge. Endlich!

Schon bald wurde evident, dass GoT ein Fest an prächtigen Kulissen, überzeugenden Kostümen und sagenhaft geschminkten Protagonisten sein würde. Die verschiedenen Häuser und Kulturen wurden mindestens so lebendig und unterschiedlich gezeichnet, wie man es sich aufgrund des Buches nur vorstellen konnte. Wenn es einen Golden Globe für gelunenes Casting gäbe, wäre GoT ebenfalls ein Favorit: Die Besetzung der Charaktere ist, soweit man bisher urteilen kann, spektakulär gelungen. Meine Skepsis gegenüber Sean Bean und Lena Headey verflog schnell, und auch Tyrion, sicherlich der am schwierigsten zu besetzende Protagonist, überzeugte vollends.

Hinter meinen Erwartungen zurück blieb leider die Musik. Für eine Produktion dieser Größe hätte ich mir einen stilistisch kompatibleren Komponisten und das Budget für Orchesteraufnahmen gewünscht. Eher schwach auch das Pacing: Schon bei der ersten Einstellung – das Gatter hebt sich und hebt sich und hebt sich – hegte ich die Befürchtung, dass GoT mit anderen zeitgenössischen TV-Serien in puncto Pacing nicht mithalten können würde. An der Vorlage kann’s nicht liegen, denn die Bücher sind richtige Pageturner. Was mir auch aufgefallen ist: In den Büchern dreht sich die Handlung immer um einen speziellen Protagonisten, man erfährt trotz Erzählperspektive sehr viel über ihn und seine inneren Vorgänge. Das fehlte mir hier. Überhaupt wenn ich mir vorstelle, die Bücher nicht zu kennen, wüsste ich nicht, wer es verdient, dass ich mein Herz an ihn oder sie hänge.

Mein persönliches Zwischenfazit auf Basis der ersten Episode: GoT reiht sich mühelos in die obere Liga der Fantasy-Verfilmungen ein und wird zweifellos neue Maßstäbe bei Kostümen und Kulissen setzen. Für Kenner der Bücher ein Fest für die Augen. Ob es auch als TV-Serie der alles überstrahlende Stern ist, den sich alle erwartet haben, wird sich noch zeigen müssen. Ich jedenfalls freue mich darauf, es in den nächsten 9 Folgen herauszufinden.

Frisch, fröhlich und grün

Eigentlich wollte ich heute über die erste Folge der TV-Serie “Game of Thrones” schreiben, aber mir kam gestern etwas Wichtigeres dazwischen. Was könnte wohl wichtiger sein als die TV-Premiere des Jahres? Ganz einfach: eine ROBiN-Session mit guten Freunden.

Ich bin jetzt seit ca. 1 Jahr Teil der ROBiN-Testrunde. Eigentlich dient sie ja als Test für das Regelwerk TRiAS, aber als Test fühlt sich das ganze überhaupt nicht an. Markus (Ludus Leonis) beglückt uns mit äußerst abwechslungsreichen Abenteuern im Sherwood Forest, garniert mit Elementen aus der “Robin Hood and the Merry Men”-Legende, eingebettet in einen Mix aus historischer Authentizität und Errol Flynn-Flair.

Mal sehen, was wir schon alles erlebt haben: Wir entlarvten eine falsche Bande, die sich als Robin Hoods Leute ausgaben, während sie plünderten und raubten. Wir versauten Thomas de Cuckney eine dunkle Messe, die er in seiner Baronie abhielt, um die Dorfbevölkerung zu manipulieren. Wir setzten einer ominösen Mühlsteinsteuer ein Ende und verfolgten den Betrug bis zu einem gierigen Steinmetz zurück. Wir erkundeten die unerforschten Teile des Sherwood Forest, während wir nach Tigern Ausschau hielten, die Prinz John dort aussetzen ließ, um die Leute im Wald einzuschüchtern. Wir befreiten meine Schwester aus den kalten Klostermauern des Priorats Wallingwells und halfen einem ungeliebten Adligen, einer Intrige von Guy of Gisbourne zu entgegnen. Wir brachten einen silbernen Pfeil zu einem alten Paganenheiligtum zurück und gewannen bei einem Turnier in Nottingham, an dessen Ende angeblich Robin Hood hingerichtet werden sollte!

Ei, was für spaßige Szenen wir erlebten! Nonnen, die mit Tempelrittern ‘rummachten. Gierige Händler, die wir nackt zurück nach Hause schickten. Wir fälschten Urkunden und schminkten Dörfler, sodass die Leute des Sheriffs glaubten, die Pest sei im Landstrich ausgebrochen. Wir tricksten, täuschten und spaßten, was das Zeug hält.

ROBiN ist noch im Werden, aber empfehle jetzt schon, es im Auge zu behalten. Frischer, fröhlicher und grüner geht’s praktisch nicht. Ach ja: Markus wird auf der RPC 2011 in Köln vertreten sein. Stattet ihm einen Besuch ab und plaudert mit ihm! Als AceOfDice-Partner kann er  außerdem zu Valmorca, Destiny & Co. aus dem Nähkästchen plaudern.

Gefährlichkeits-Tuning durch Regeneration

SCs haben die Angewohnheit, mit zunehmender Erfahrung besser zu werden. Die Gegner wiederum werden entweder mehr oder besser oder beides. Ist es also systemimmanent, dass man als SL im Laufe einer Campaign immer mehr und stärkere Gegner aus dem Hut zaubern muss, um einen gleichbleibenden Level an Gefährlichkeit zu erhalten? In D&D & Co. ist das gewollt, aber in nicht-Monster-zentrierten down-to-earth-Settings habe ich als SL bald das Problem, dass ich die Kampfgefahr über die Quantität der Gegner steuern oder tief in die Trickkiste greifen muss (schlauere Gegner, anspruchsvolles Terrain o.ä.). Auch das ist okay, aber als Standard wird es irgendwann unglaubwürdig. Ich suche also nach einem eleganten Weg, die Gefährlichkeit zu steuern.

Im Spiel alten Stils löste ich das (wie vermutlich viele andere auch), indem ich den zeitlichen Kontext des Abenteuers verengte: Wenige Nachtruhen = weniger Regeneration = weniger Ressourcen für den Endkampf => weniger Anforderungen an den Endgegner. So konnte auf den doppelköpfigen, unsichtbaren Basiliskenoger verzichtet werden und weiterhin ein fieser Händler und sein bewaffneter Bruder als Endgegner herhalten.

Im narrativen Spiel spüre ich die Kehrseite dieses Effekts, denn ich muss die Timeline meines Abenteuers an das Potenzial der SCs anpassen. Die Sidequest, mal schnell im Keller des Wirts den Grauen Malmer zu beseitigen, ist nicht kompatibel mit dem geplanten Einfall der dunklen Reiter am nächsten Morgen. Als Geschichten erzählender SL bin ich also wieder ein Sklave der SC-Ressourcen. Viele neue Systeme abstrahieren daher die KON zu einem Mix aus Wunden und Erschöpfung und lassen großzügig regenerieren bzw. bedienen sich einer Meta-Ebene, über die öfters (z.B. alle x Encounter, vgl. D&D, Dragon Age) regeneriert wird. Auch in Destiny habe ich mit der Szenenregeneration einen solchen Weg gewählt, weil ich damit den erzählerischen Fluss unterstützen will. Old-School ist das natürlich nicht, und in der Tat werden plötzlich Encounter mit 3 Goblins oder einem Rudel Wölfe völlig uninteressant, denn überleben werden das die 10.-stufigen SCs wohl allemal. Der Effekt von seinerzeit, durch diese kleinen Kämpfe die Spieler aufzulockern und gleichzeitig Ressourcen anzuknabbern, fällt infolge der “modernen” Meta-Regeneration völlig flach.

Als (vorläufiges) Fazit könnte man daraus lernen, dass man sich, sowohl als SL als auch als Systemdesigner, gut überlegen sollte, was man mit seinem Abenteuer/System erreichen möchte, denn beides – Gefährlichkeit alten Stils und erzählerischer Fluss – sind in diesem Punkt nicht leicht zu vereinbaren.

Gut Ding will Weile haben

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man als Konsument ziemlich schnell im Urteilen ist. Man hält z.B. ein Regelbuch in der Hand und findet gleich mal, es ist zu dick, die Illustrationen sind hässlich, das Kleingedruckte kaum lesbar, was auch immer.  Auch in Bezug auf Menschen werten wir viel zu oft und viel zu schnell. Und wir neigen auch noch dazu, unsere erste Einschätzung unbewusst zu bestätigen. Echt genial!

Der Fokus ändert sich erst dann, wenn man selbst einen Teil von sich hergibt, sich oder sein Produkt in die Öffentlichkeit stellt. Dann kommen plötzlich die Sensibilität und die Wertschätzung für die Arbeit anderer. Umso mehr schmerzt es da, wenn man sieht, wie Rollenspiele wegen schlechter Interpunktion verunglimpft oder mangels Index pauschal abgewertet werden. Ein gutes Produkt, das ich kenne und sehr gerne spiele, wurde dafür gebasht, dass sich das PDF nach dem Öffnen nicht automatisch auf Fenstergröße zoomte. Ja, so ist das.

Jörg von Richtig Spielleiten! hat es vor einiger Zeit im Tanelorn auf den Punkt gebracht. Er hebt dort das virtuelle Glas “… auf eine gute Zukunft und auf die Ausdauer, neue Sachen nicht einfach auf die Halde zu werfen, wenn sie mal nicht auf Anhieb funktionieren,” und hält ein Plädoyer dafür, dass man Rollenspiele erst kennen lernen sollte, ehe man sich ein Urteil bildet. Wie wahr, wie wahr. Aber hey, wir leben im Zeitalter von Web 2.0! Spieler werden zu Produzenten, Konsumenten werden zu Rezensenten, und in dieser Flut an (oftmals kostenlosen) Produkten ist es nur logisch, dass man sich immer weniger Zeit für den ersten Eindruck nimmt.

So schön es wäre, ich glaube, es hat wenig Sinn, dafür zu plädieren, sich mehr Zeit für ein Produkt zu nehmen. Dazu ist unsere Zeit zu schnelllebig. Was wir aber tun können, ist, gute Produkte (= solche, die uns gefallen) weiterzuempfehlen. Mein Aufruf also: Votet für die Sachen, die euch gefallen! Schweigt nicht, wenn ihr etwas gut findet! Nehmt es nicht für selbstverständlich! Ob Musik, Blogs, Filme oder (AceOfDice-)Rollenspiele – wenn’s Euch gefällt, empfiehlt weiter, bloggt, teilt, sharet und twittert was das Zeug hält! Nur so haben viele Spiele die Chance, auf den zweiten Blick ihre Qualität zu entfalten. Dankeschön!

Feedback einer illustren Runde

Letzte Woche hatte ich das Vergnügen, für eine besondere Runde Destiny-Beginner zu leiten: bestehend aus 4 mir weitgehend unbekannten Frauen und einem 12-jährigen Jungen. Ich muss gestehen, es war ein seltsames Gefühl zu Anfang. Und der Junge, David, war auch ein ungewöhnliches Zielpublikum. Bisher leitete ich immer für Veteranen, und plötzlich hatte ich da jemanden, der bis auf Drakensang noch keinerlei Erfahrung im Genre hatte und dem am Wichtigsten war, einen Elfen mit einem Wiesel auf der Schulter zu spielen. Nix mit ehrfürchtigem “Ohh!” und “Aah!”, wenn ich die Regeln erklärte, kein interessiertes Kopfnicken während meiner Einführung in das Setting, sondern ein sich periodisch wiederholendes “Können wir jetzt endlich anfangen?”

Na Gott sei Dank steht auf Destiny-Beginner drauf, dass man damit in 5 Minuten losstarten kann. Ich glaube nicht, dass David die Erschaffung eines DSA- oder D&D-Charakters durchgehalten hätte. Dass wir dennoch über eine halbe Stunde brauchten, lag eher daran, dass die Mädels ihre Rollen und Funktionen sehr gewissenhaft verteilten. Die Werte selbst standen dann wirklich binnen weniger Minuten am Sheet.

Das Spiel selbst war toll. Ich leitete das Beispiel-Szenario “Dunkelheit in Hmûr”, warf die Hälfte davon über den Haufen (so wurde etwa aus dem präpotenten Istrith-Magier Makranor schlichtweg eine Leiche) und traf mit einer eher offenen, narrativen Moderation voll den Nerv der Runde, die – Recherchen machen sich bezahlt – zuvor sehr engagiert das Weltenbuch gespielt hatte. Zeitweise spielten alle so begeistert mit einander, dass ich nahezu unbemerkt gehen und Parkscheine wechseln konnte! So was habe ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Echt erfrischend!

Erhebend war vor allem das Feedback: Die Spielerinnen waren begeistert, dass ich so auf sie eingegangen war, das System sei super-einfach und unterstütze selbst ihre abgefahrenen Aktionen, und Setting und Abenteuer seien unglaublich schlüssig und logisch. Nach jahrelangen Analysen und kritischem Feedback war das echt Balsam auf meine Spielleiter- und Spieledesigner-Seele. Jetzt weiß ich wieder, warum ich all das mache.

Immersion durch Siechtum??

Ich blogge heute aus dem Krankenstand und zwar, sehr passend, über das Thema Krankheiten im Rollenspiel. Auslöser ist, dass ich für meine bis dato unveröffentlichte Welt Araclia auch einige Krankheiten definiert habe. Nicht, um die Spieler damit zu quälen, sondern um die Welt um eine im Alltag durchaus gegenwärtige Facette reicher zu machen. Und zwar ungefähr so:

Rabenqual
„Raben sollst du nicht berühren, sonst wirst inn‘re Qual verspüren.“
KST: 5. Rabenqual mag jene befallen, die Abends oder Nachts einen Raben berühren oder sich einem Rabenkadaver auf 1 Schritt nähern. Der Kranke wird unverzüglich von Schwermut und Depressivität ergriffen. Er denkt über den Tod nach, spricht viel über eigenes und fremdes Leid und trübt die Stimmung aller Anwesenden. Er ist appetitlos und freudlos und erleidet einen Regenerationsmalus in Höhe der KST, durch den er auch über Nacht KON verlieren kann. Nach KST x 2 Tagen ist die Rabenqual überstanden. Gegenmittel: Liebchen (3).

Schon klar, im Rollenspiel will man Intrigen aufdecken, Monster bekämpfen und nicht dahinsiechen, aber für ein medieval-fantasy-Setting, in dem Alltag und Tradition der Menschen einen großen Stellenwert haben, sind Krankheiten durchaus ein Ankerpunkt, an dem SCs und NSCs ansetzen können. Dialogfragmente wie “Hat ihn die Rabenqual ereilt?” oder “Der hat ja den Savavaan im Hirn!” lassen die Spieler meiner Erfahrung nach spüren, dass eine Welt nicht nur als Kulisse für Abenteuer, sondern auch als Lebensraum für Völker und Kulturen besteht.

Ich selbst bin noch unentschlossen, ob und an welcher Stelle ich die Krankheiten in die offiziellen Araclia-Module aufnehmen werde. Ich bin daher mal gespannt, wie eure Kommentare ausfallen. Krankheiten als Teil eines Settings – ja oder nein?