Am Anfang war… Krull

So ein Blog soll ja auch etwas Persönliches über den Bloggenden bringen, daher habe ich mich heute mal entschlossen, ein Juwel der Filmmusik auszugraben, das mich in vielerlei Hinsicht geprägt hat, um es euch hier vorzustellen. (Außerdem kann dieser Blog etwas Multimedia vertragen).

Der Film, von dem ich rede, heißt Krull. Er ist heute typisches Samstag-Nachmittag-Programm, aber 1983/84, als er in die Kinos kam, war er schon was Besonderes, zumal einer der wenigen Splitter an Fantasy, die man finden konnte, und auch deutlich besser als Sandalen-Fantasy made in Italy. Die Geschichte ist in einem Satz zusammen gefasst: Junger Königssohn Colwyn macht sich auf, um seine Prinzessin Lyssa aus den Klauen des Unglaublichen Ungeheuers zu befreien, (das im Original ein Drache sein sollte, aber umgeschrieben wurde, nachdem Disney kurz vorher mit Dragonslayer in die Kinos kam; das nur am Rande).

Ich erinnere mich noch gut, ich war ca. 10 Jahre alt, und saß im Gartenbau-Kino, damals das größte und best ausgestattete Kino Wiens, als die Main Titles über den Bildschirm donnerten. Bildgewaltig – die schwarze Festung, die durch den Weltraum auf den Planeten Krull zufliegt – und musikalisch das Eindrucksvollste, das ich jemals gehört hatte. Eine derartige dramatische Wucht habe ich bei Filmmusik seitdem kaum im Kino erlebt.

Der Eindruck, den der Film bei mir hinterließ, war in jeder Hinsicht prägend. Die Geschichte entfachte mein Interesse für Monster, Schwertkampf und Magie, und die grandios symphonische Musik von James Horner prägte meinen Konsum und auch mein musikalisches Wirken in den Jahren, die folgten, wie kaum eine andere. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dieser Film und seine Musik haben mein Leben verändert.

Damit ihr wisst, wovon ich rede, hier ein paar Schnipsel aus dem Soundtrack, dessen limitierte Ultimate Edition ich das Glück hatte, in die Finger zu kriegen. Viel Spaß!

Krull (Audioexzerpt)

(Und weil’s so schön ist, gibt es das auch mit Bildern und etwas länger auf Youtube.)

Der Schmerz der Innovation

Heute möchte ich über den “Schmerz der Innovation” schreiben. Es geht um die Rückschläge und moralischen Setbacks, die man zuweilen erleidet, wenn man versucht, etwas neu, anders zu machen oder innovativen Konzepten zum Durchbruch zu verhelfen.

Bei mir zumindest ist es so, dass ich beim Entwerfen eines neuen Settings, neuer Regeln oder neuer Szenarien zuerst einmal ziemlich blind Ideen runterschreibe. Viele davon gänzlich unreflektiert und auch unhinterfragt. Das entspricht meinem Brainstorming-Prozess. Das Problem daran ist, dass ich schon während dieses Prozesses, der eigentlich noch gänzlich ohne Wertungen ablaufen sollte, beginne, mich mit diesen unreflektierten Konzepten zu identifizieren. Viele davon stelle ich mir schon extrem cool vor, bevor sie überhaupt richtig auf die Welt gekommen sind.

Dann kommt das Erwachen. Oft merke ich selbst, dass etwas daran nicht stimmt; manchmal weisen mich auch meine teuren Freunde darauf hin. Ihnen fällt es leichter, objektiv und nüchtern zu bleiben und sich nicht, wie ich, durch Innovations-Enthusiasmus blenden zu lassen. Gottseidank gibt es sie, diese Freunde! Sie ersparen mir wertvolle Zeit, indem sie mich schon frühzeitig wieder “auf den rechten Weg” zurückführen.
Aber trotzdem – es schmerzt einfach ein wenig, wenn man eine Idee gebirt und sie andere dann schlecht finden. Oder man selbst sich eingestehen muss, dass sie eigentlich Mist ist.

Ich werde trotzdem nicht aufhören, mir mit meinen Ideen blutige Nasen zu holen, denn auch wenn auf 10 Ansätze vielleicht 9 untaugliche kommen, ist das immer noch besser, als immerzu bewährte Pfade zu beschreiten, nichts anders zu machen, nichts zu riskieren und letztendlich aber auch nichts Neues zu schaffen. Ob ich dabei vielleicht lernen muss, mehr Distanz zu meinen Konzepten zu haben? Vielleicht. Andererseits könnte ich mir Rollenspiel-Design ohne das enthusiastische Naheverhältnis zu meinen Werken nicht vorstellen. Ist das bei euch anders?

Rollenspielchen

Wer mich nun schon etwas kennt, meine Blogs liest und meine Spiele verfolgt, weiß, dass es mir ein großes Anliegen ist, unser Hobby auch einer neuen Generation von Spielern schmackhaft zu machen. Neben Einsteiger-Rollenspielen und Neuling-Runden habe ich nun einen weiteren Schritt gesetzt: Ich habe mit meiner 5-jährigen Tochter zum ersten Mal rollengespielt.

Anstatt einer Gute-Nacht-Geschichte gab’s letztens im Hochbett ein Star Wars The Clone Wars-Abenteuer. Meine Kleine wollte Ahsoka sein, also erzählte ich ihr eine Geschichte, in der sich Ahsoka Tano bei ihren Studien auf Coruscant nur allzu gerne von einem Funkspruch ablenken lässt, demzufolge Padme Amidala überraschend nach Naboo aufbrach. Ahsoka musste ihr natürlich gleich nachfliegen und dort auf Jar Jar Binks treffen, der – michse bichse bla bla bla – brühwarm brabbelte, dass Amidalas Schiff zwar im nahen Wald gelandet sei, aber von ihr jede Spur fehle. Ahsoka lief also gleich zum Schiff, wobei sie auf dem Weg von roten Affen mit Kokosnüssen beschossen wurde. Nachdem sie aber ihr Lichtschwert zückte, nahmen die kleinen Biester Reißaus. Beim Schiff fand Ahsoka Spuren, die zu einem Berg führten. Dort gab es im Felsen ein Tor, das durch ein Zahlenschloss gesichert war. Es war aber leicht zu öffnen, wenn man 4+4+4+4 zusammen zählte. Mit ein bisschen Hilfe bekam Ahsoka die kleine Mathe-Aufgabe gebacken und das Tor zischte auf. Im gleichen Augenblick schaltete sich Ahsokas Holo-Communicator ein, und Anakin schimpfte, wo sie schon wieder sei und was sie treibe. Danach warnte er sie aufzupassen, da Count Dooku’s Schiffe im Orbit gesehen worden seien! Uh oh!

Mit großer Vorsicht schlich Ahsoka tiefer in die Anlage, die sich in den Berg erstreckte, und fand Amidala in einem Wasserbecken, das Wasser schon fast über den Kopf gestiegen! Aber Ahsoka war unglaublich praktisch veranlagt: Sie tauchte ins Wasser und – na was wohl! – sie zog einfach den Stoppel! Da konnte das Wasser gar nicht anders als abfließen, und Amidala war gerettet. Juchuu! Doch leider ließen die Bösen nicht lange auf sich warten. Ein Schüler von Ventress, ebenfalls kahl und hässlich, kam und zischte bedrohlich. Dann zog er zwei Lichtschwerter, aber – aha? – Ahsoka hatte auch zwei. Wie das? Na ganz einfach: Sie hatte Anakin’s auf Coruscant mitgehen lassen!

Ein Plüschwürfel entschied den Verlauf an den kritischen Stellen. Hoch ist gut, niedrig ist schlecht – das wohl einfachste Rollenspiel, das ich jemals erfunden habe! Meine Kleine spürte genau, wann es besonders wichtig war, gut zu würfeln, und freute sich unbändig über Ahsokas Erfolge und auch darüber, dass es ihr gelang, Ventress’ finsteren Schüler in einen Luftschacht zu treiben, wo er – Wusch! – von einem Ventilator hinfort gesogen wurde.

Da dröhnte es metallisch “Roger! Roger!”, und eine kleine Gruppe Kampfdroiden tauchte auf. Aber gegen Ahsoka Tano hatten sie freilich nichts zu melden. Dann aber plötzlich… Schritte im Korridor. Wer mag das wohl sein? “Na Anakin natürlich!”, durchschaute meine Kleine sofort und bekam strahlende Augen. Na gut, es war irgendwie naheliegend, aber mal echt – bin ich als Spielleiter so leicht zu durchschauen?

Was brauchen Einsteiger?

Im Forum bin ich neulich über einen interessanten Thread gestolpert, allerdings ist meine Antwort so lange ausgefallen, dass ich sie letztendlich nicht abgeschickt, sondern einen Artikel draus gemacht habe. Es ging um die Anforderungen an ein Einsteiger-Rollenspiel. Jemand behauptete dort, Handlungsfreiheit sei als Asset für Einsteiger “überschätzt”, und ein System mit eingeschränkten Möglichkeiten und strafferem Fahrplan eigne sich besser zum Einstieg (sinngemäß).

Hm. Grübel. Ich gestehe, ich hätte das früher auch unterschrieben, glaube aber, dass die Sachlage heute anders ist als vor 20 Jahren. Meine Generation fraß damals alles, was es zum Thema Fantasy gab, ob es schlechte Filme wie Wizards of the Lost Kingdom oder mittelmäßige Romane aus dem Conan-Zyklus waren (bevor jemand schreit: ja, ich weiß, es gibt auch geniale Conan-Romane, ich selbst bin ein großer Fan davon!). Der Punkt aber ist: Wir hatten sonst nichts und damit auch wenig Erfahrung mit dem Genre. Es war wichtig, dass uns die Systeme, mit denen wir laufen lernten, an der Hand nahmen. Zumindest DSA tat das sehr intensiv – vielleicht sogar etwas zu prägend.

Was die Einsteiger von heute betrifft, habe ich die Theorie, dass das Niveau, auf dem sie einsteigen, ein deutlich anderes ist. Die haben die letzten Jahre nicht in einem Atombunker gelebt, sondern haben großartige Filme wie LOTR gesehen, optisch und storytechnisch extrem gut gemachte Computerspiele gespielt, möglicherweise haben sie auch Erfahrungen mit Regelinterpretation durch Trading Card Games; kurzum: die brauchen weniger Manuduktion, als man glauben mag. Will man sie fürs Rollenspiel gewinnen, muss man sie, ganz im Gegenteil, dort packen, wo Computerspiele nicht hinkommen: Immersion, Zusammenarbeit und absolute Handlungsfreiheit. Das sind die Punkte, die ein Einsteiger-Rollenspiel unterstützen sollte, wo es quasi einen deutlichen Mehrwert bieten kann.

Was ich persönlich ein SEHR gutes Argument fand (oh nein, ich verwende auch schon Blockbuchstaben!), war die in besagtem Thread geäußerte Forderung, dass Einsteiger-Systeme Entwicklungspotenzial haben sollten. Auch das unterschreibe ich ungesehen, denn ich selbst würde als Anfänger kein Spiel spielen wollen, das bereits den Stempel “nur für Anfänger” trägt und mich im Stich lässt, sobald ich tiefer in die Materie eindringen will. So etwas erlebt man ja immer wieder: Man spielt sich ein, es gefällt, aber dann fühlt sich alles “zu wenig”, “zu dünn”, “zu limitiert” an. Das ist auch der Grund, warum ich Destiny-Beginner von vornherein so entwickelt habe, dass es voll kompatibel zu Destiny ist. Was ich in diesem Kontext allerdings mittlerweile hinterfrage, ist, ob es eine gute Idee war, es als Einsteiger-Standalone-Lösung zu positionieren, weil es eben dadurch jenen “Bin ein Anfänger-Ding”-Stempel hat. Möglicherweise wäre es besser gewesen, es zurückzuhalten und als Regelmodul innerhalb des Destiny-Regelwerks anzubieten. Aber ich schweife ab.

Letzter Punkt, der im Thread thematisiert wurde, war Zeit. Es wurde darüber diskutiert bzw. behauptet, Einsteiger nähmen sich immer weniger Zeit. Auch das hätte ich sogar noch vor kurzem unterschrieben, und wer meine Website besucht und diesen Blog regelmäßig liest, weiß ja, dass darauf auch mein Konzept beruht, nämlich den Spielern/Spielleitern Zeit zu ersparen und nur unmittelbar verwertbare Inhalte zu liefern. Aber es fiel auch das Argument, dass Einsteiger sehr schnell nach dem First Contact bereit seien, größere Mengen Content zu verschlingen, und ich muss gestehen, ich beobachte das bei mir auch. Um es eingängig zu formulieren: Ich möchte wenig lesen müssen, aber viel lesen können. Und das ist auch schon die dritte große Anforderung an ein Einsteiger-Rollenspiel: Es muss konzeptionell sowie durch übersichtliche Gliederung, Modularität und/oder geniale Didaktik schaffen, notwendigen vom nützlichen Content zu unterscheiden. Und zwar ohne inhaltliche Querschläger wie “Vergiss Regel A, sobald du Regel B anwendest”, sondern in einem schlüssigen Gesamtpaket.

Alles in allem ein sauschweres Anforderungspaket, das doch weit über oberflächliche Faktoren wie einfaches Würfelsystem, überschaubare Skills und dergleichen hinaus geht. Und weil ich heute meine zynische Phase habe, statuiere ich noch eine weitere Anforderung an ein Einsteiger-Rollenspiel – eine, die Indie-Produkte so gut wie nie erfüllen können: Das Spiel muss in einer aufwändig illustrierten Verpackung daher kommen und als Box im Spielwarengeschäft stehen. 😉

Die Berufung des Kritikers

Am Wochenende sahen sich meine beiden Kleinen Rattatouille an. Ich kannte den Film bisher nicht und habe zunächst nur mit einem halben Auge zugesehen. Aber wie meistens bei Animationsfilmen stecken unter der Oberfläche höchst interessante und zeitlose Botschaften. In diesem Fall hat mich der Film dazu angeregt, über Kritik im Allgemeinen und über die Berufung zum Kritiker nachzudenken. Wie ihr ja sehen könnt, habe ich in meinem Blog auch eine Kategorie “Rezensionen”, die ich befülle, wann immer mir ein Produkt in die Hände fällt, mit dem ich mich auseinander setze. Aber nach Rattatouille überlege ich mir ernsthaft, diese Kategorie zu entfernen.

In der heutigen Zeit wird jeder Konsument zum Kritiker. Jeder schreibt Rezensionen auf Amazon.de oder vergibt Sterne in Online-Stores, und auch in der Rollenspiel-Community finden sich immer wieder jene, die in Blogs oder Foren Rezensionen verfassen. Ich finde das grundsätzlich gut, denn auch ich als Verbraucher profitiere von Empfehlungen, an die ich mich halten kann in diesem unendlichen Meer an Produkten. Aber ist auch jeder, der rezensiert, kritisiert, bespricht, beschreibt geeignet zum Kritiker?

Bis vor kurzem fragte ich mich in diesem Zusammenhang: Darf es wirklich sein, dass jemand eine Kritik schreibt, der selbst nie ein Buch geschrieben hat, eine Musik komponiert hat, einen Film gedreht oder ein Rollenspiel erdacht hat? Nun frage ich mich umgekehrt: Darf es sein, dass jemand eine Kritik schreibt, der selbst ein Buch schreibt, eine Musik komponiert, einen Film dreht oder ein Rollenspiel erfindet?

Die Kritiker von einst – ich meine die Hanslicks und Reich-Ranickis dieser Welt – sie waren unverblümt, gnadenlos, subjektiv, aber kompetent. Natürlich waren sie nicht immer fair, denn sie hatten ihre Lieblinge und Hassobjekte, aber davon abgesehen sahen sie sich mit ihrer Kritik vorwiegend dem Genre verpflichtet. Ihre Kompetenz erwuchs nicht aus der Fähigkeit, den Schaffensprozess nachzuvollziehen. Reich-Ranicki als Bestseller-Autor? Hanslick als weltberühmter Komponist? Wohl kaum. Dennoch waren sie anerkannte Größen. Ich komme also zu dem Ergebnis, dass man ein Produkt sehr wohl kritisieren kann/darf/soll, auch ohne selbst schon mal im Spotlight gestanden zu haben.

Viel gefährlicher erscheint mir der Kritiker, der seinerseits Schaffender ist. Jemand, der selbst ein Buch schreibt, selbst komponiert, selbst ein Rollenspiel verfasst, sieht überall Elemente, die er so nicht oder anders gemacht hätte. Keine Frage, er hat mehr Einblick in den Schaffensprozess, aber sein Blick ist – so sehr er sich auch um Objektivität bemüht – oft “geeicht” auf das, was er besser gemacht hätte. Im schlimmsten Fall verliert er den Sinn für das Ganze, wird zum Analytiker, zum Fehlersucher, der nur noch das Haar in der Suppe sucht und – in den meisten Fällen – auch findet. Damit solch ein Kritiker eine ausgeglichene Kritik schreibt, braucht es eine wahrlich erhabene Persönlichkeit.

Ich habe für mich beschlossen, dass mir der erste Kritiker in all seiner Unberechenbarkeit und potenziellen Gnadenlosigkeit lieber ist als der zweite. Ich möchte lieber von jemandem gelobt oder zerrissen werden, dessen Spezialität es ist, mich am Genre zu messen als an seinen eigenen unterdrückten oder im Wettbewerb stehenden Ambitionen. Und weil ich selbstkritisch bin und nicht mit Sicherheit beurteilen kann, ob ich die oben erwähnte Erhabenheit besitze, werde ich fortan keine Rezensionen mehr zu Themen schreiben, in denen ich selbst schaffend aktiv bin.

Ihr aber seid herzlich eingeladen, auf meinem Blog als Gastautoren Rezensionen zu neuen Produkten zu veröffentlichen, wenn ihr das wollt!

Don’t Panic Convention 2011

Samstag war mein Tag auf der Don’t Panic Convention in Wien. Dort gab’s Brettspiele, Kartenspiele und Rollenspiele, Tombola, Munchkin-Turnier, Gulasch um EUR 1,-, viele unnütze Flyer (darunter meine eigenen) und vieles mehr, und der Reinerlös von alldem geht an die Kinderkrebshilfe. Ich war zum ersten Mal dort, aber sicher nicht zum letzten Mal. Und das, obwohl für mich der Name der Con in dreifacher Hinsicht zum Programm wurde. Zumindest beinahe.

Das hatte allerdings nichts mit der DPC zu tun, die war nämlich toll organisiert, aber mit den Spielen, die ich dort spielte. Das erste Produkt, das ich mir aus der Spielothek krallte und das mich überforderte, war Quest. Ich schnappte mir drei Leute, um damit anzufangen, und ich nehme gleich das Ergebnis vorweg: Nach über einer halben Stunde saßen wir noch immer da und hatten keinen einzigen Spielzug getan. Vielleicht lag’s daran, dass ich noch keinen Kaffee intus hatte, vielleicht aber auch an der Art, wie die Spielanleitung geschrieben war. Jedenfalls schafften es vier Brett- und Rollenspieler nicht, das Spiel innerhalb schicklicher Zeit zum Laufen zu bringen. Da weint man echt Spielen wie Talisman hinterher…

Danach begab ich mich termingerecht in die Rollenspiel(?)-Runde, für die ich mich vorher schon per Forum angemeldet hatte: Fiasco hieß das Spiel. Ich muss sagen, eines der interessantesten Spielkonzepte, das ich jemals gesehen und gespielt habe, aber auch eines der anspruchsvollsten. Ich spiele und leite seit 25 Jahren Rollenspiele, aber bei Fiasco saß ich teilweise wie die Kuh vorm Tor. Das Konzept ist: Eine Runde von Spielern inszeniert – ohne Spielleiter, ohne Vorgabe, ohne Werte, ohne Proben – ein Drama. Würfel und Tabellen geben vor, wie die Spieler am Tisch mit einander verbunden sind, durch Objekte, Locations, Bedürfnisse, Geheimnisse etc., und dann überlegt sich jeder, wer er ist, was er darstellt, wie er heißt, und los geht’s mit der ersten Szene. Im Uhrzeigersinn wird jeder zum “Spielleiter für eine Szene”, gestaltet mit dem eigenen Protagonisten und beliebig vielen anderen aus der Runde das Geschehen. Da gibt es einiges an Feinheiten, z.B. kann man Szenen abschließen oder neue beginnen, und die anderen können entscheiden, wie eine Szene für den Spieler, der an der Reihe ist, ausgeht. Sehr spannend und sehr empfehlenswert, aber auch sehr fordernd!

Nach einer “Muss kurz alleine an die frische Luft”-Pause im nahen Eisgeschäft kehrte ich zurück und holte mir bei dem Kartenspiel Goblin Supremacy (GOSU) nostalgische Erinnerungen an meine Trading Cards-Zeit. Leider spielten wir nicht lange, denn dann war die Tombola (gottseidank gewann ich eine Frisbee-Scheibe und nicht eines meiner eigenen Produkte, yeah!), und kurz darauf kam die dritte Beinahe-Überforderung des Tages: mein eigener Flucht von Valmorca-Timeslot. Ich hatte nämlich 8 (!) Spieler am Tisch. Da waren Neulinge wie auch alte Hasen, Powergamer wie Storyteller, Jüngere, Ältere, und so etwas wie ein Gruppenkonsens wollte sich auch nicht recht herausbilden. Ich wagte das Experiment, Valmorca als Sandbox zu leiten, und prompt wollten manche Spuren nachgehen, andere ein Lager bauen, wiederum andere die Insel erkunden. (Einer der erfahrenen Spieler am Tisch wollte doch glatt mit der Großen Gabe ein Boot herbeibeschwören; was war ich erleichtert, dass er die Probe versemmelte!). Ich tat jedenfalls, was ich konnte, um die Gruppe zusammen und das Geschehen am Laufen zu halten, ließ Panter und Robur’s Barbaren einfallen, einen Magier mit der Tätowierung einer Schatzkarte auf der Brust auftauchen (und sterben). Beim heißen Teich trafen die SCs auf Iliss, die dort nackt badete und sich von den 8 Charakteren – oder eigentlich nur von einem – ziemlich in die Enge getrieben fühlte. Glücklicherweise einigte man sich, dass sie den SCs eine Rutsche in Torgars Lager legen würde, wenn sie ihr aus den Bergen der Alten das Sutiqi-Kraut brächten. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich relaxen und mich auf den Inhalt der Buchszenarien zurückziehen, für die ich auch Handouts vorbereitet hatte. Am Ende war für alle was dabei: Kämpfe, Rätsel, Lagerbau-Flair und ein bisschen Rollenspiel. 5 Stunden und einen Migräne-Anfall später (den ich mir hoffentlich aber nicht habe anmerken lassen) verkündete ich das Ende der Runde und erntete dafür ein kollektives “Öh, schade…” und einige sehr lobende Worte zu System und Setting, die mich außerordentlich freuten.

Es war dann schon recht spät, als man mir anbot, bei der Werewolf-Runde mitzuspielen, aber ich war in meinem Leben noch nie so fertig, daher musste ich das äußerst verlockende Angebot leider ablehnen. Aber nächstes Jahr gibt’s die Don’t Panic Convention ja wieder, und ich freu’ mich schon sehr drauf!

DD#13: Metaplot, roter Faden – cui bono?

Vom optischen Rahmen zum inhaltlichen Rahmen: Für meine Erwägungen, in Destiny Dungeon eine “übergeordnete Handlung” einzuplanen, recherchierte ich gestern, was ein Metaplot überhaupt ist, ob sich der Begriff mit meinen Überlegungen deckt und was für Anforderungen daran bestehen. Ich landete oft bei Verweisen auf die White Wolf-Systeme, fand aber kein “How to create a metaplot for your sandbox setting”. Daher habe ich mir selbst einige Überlegungen zu dem Thema gemacht, und die möchte ich hier mit euch gerne – im Sinne eines Gedankenspiels – teilen.

Meine Definition. Ich verwende den Begriff Metaplot hier als eine auf den Elementen des Settings gründende Folge oder Kombination von Ereignissen, die in der Lage ist, das Setting grundlegend zu verändern.

Metaplot ja/nein. Cui bono? Braucht man aus Setting-Designer-Sicht einen Metaplot? Ich würde meinen, ja. Ob die Spieler ihm dann im Spiel konkret folgen oder nicht – allein seine Existenz verleiht dem Setting zusätzlichen Tiefgang, latente Dramatik, ein Thema, ohne welches es möglicherweise beliebig oder austauschbar wäre.

Metaplot + Sandbox = World in Motion. Achtung: Rollenspiel-Theorie! So wie ich es verstanden habe, bedeutet Sandbox (Quelle Bat in the Attic) sinngemäß, dass Spieler die völlige Freiheit haben, ihre SCs über die Landkarte zu schieben und Abenteuer so zu erleben, wie es ihnen in den Sinn kommt. BatInTheAttic schreibt aber auch, dass Sandbox die Gefahr der Sinnlosigkeit birgt, und er kontert diesen Effekt mit dem World in Motion-Konzept. Dieses besteht aus einer internen und einer externen Komponente. Die interne Komponente setzt auf Charaktermotivation, die externe besteht aus “… a timeline revolving around NPCs and events. This timeline is created with the idea that this is what happens if the player didn’t exist in the campaign”. Das ist ziemlich genau das, was ich mir ursprünglich unter Metaplot vorgestellt hatte.

Metaplot <> Old-School? Widersprechen sich beide Konzepte? Fallstudie altes Aventurien: ein bunter Haufen von Regionen mit Abenteuerideen, aber kein Metaplot. Der kam erst später mit dem Namenlosen, Tar Honak und Borbarad. Soweit ich weiß, kam D&D bis Dragonlance & Co. ebenfalls ohne Metaplot aus. Zwischenergebnis: Old-School braucht keinen Metaplot. Die Frage ist nur: Schadet er? Ich meine nein, sofern nicht alle Setting-Infos und Szenarien auf den Metaplot ausgerichtet sind und die Spieler ihn ignorieren können.

Anforderungen an den Metaplot. Ich ziehe aus dem eben Gesagten folgende Schlüsse:

  • Der Metaplot muss eine optionale Komponente bleiben. Das Setting muss auch ohne ihn funktionieren. Die Timeline darf nur ein Vorschlag sein bzw. ein unsichtbares Handlungsgerüst, um das herum ich die Szenarien aufbaue.
  • Der Inhalt des Metaplots muss die SCs potenziell betreffen. (Deshalb funktioniert der klassische Metaplot “Die Welt geht unter” auch immer.)
  • Der Metaplot muss von den Handlungen der SCs abhängen. Hier werde ich die Gratwanderung schaffen müssen, die Sandbox-Szenarien so zu designen, dass sie für sich stehen, aber auch, wenn gewünscht, Metaplot-Relevanz haben.
  • Der Metaplot muss die SCs persönlich involvieren. Das ist schon schwieriger im Design zu verankern; hier wird wohl dem SL eine größere Funktion zukommen. Ich werde noch überlegen, was ich tun kann, um ihn dabei zu unterstützen.

Au weia, das habe ich mir alles leichter vorgestellt. Aber man wächst mit der Herausforderung. Und man ist motiviert! 🙂 Wenn ihr wissen wollt, warum, lest die aktuelle Destiny-Beginner-Rezi im Almanach!

DSA 1 – die 27 Jahre verspätete Rezension

Während auf der RPC vergeblich auf DSA5 gewartet und Lizenzgeschichten gewälzt wurden, beging ich gestern einen Seitensprung mit meiner ersten Liebe: Ich trommelte meine Sonntagsrunde zusammen für ein One-Shot mit DSA 1. Einige hatten schon angemerkt, das mal wieder spielen zu wollen, also schnappte ich mir das Buch der Regeln, zeichnete ein Dungeon á la Silvanas Befreiung, dichtete einen Plot und los ging’s.

Ich muss sagen, DSA 1 fühlt sich nachwievor wie ein gutes Produkt an. Ich mag immer noch das Artwork, vor allem außen, aber auch innen, nur das Layout ist für heutige Maßstäbe eher kläglich. Der Schreibstil spricht mich ebenfalls an, auch wenn ich heute verstehe, warum ich als 11-jähriger Mühe hatte, das Ding zu begreifen. Das Buch der Regeln enthält Schnellstart-Regeln, normale Regeln, Detailregeln und optionale Regeln, und nicht alle sind deutlich von einander abgesetzt. Aber viel interessanter war es, das Buch der Regeln nicht nur zu lesen, sondern zu spielen, und zwar hardcore, ohne Ergänzungen oder Weglassungen. Dabei kamen interessante Erkenntnisse:

Das Erwürfeln der Helden zwingt einen zum Verkörpern von Konzepten, die man sonst vielleicht nie spielen würde. Für One-Shots okay, aber für längere Campaigns wollen die Spieler doch eher einen Wunschcharakter spielen und keinen Abenteurer. Ebenfalls bemerkt: Einen Elf, Krieger, Elf oder Zwerg “zusammen zu bringen” ist gar nicht so einfach, fühlt sich dafür aber sehr besonders an. Wir hatten gestern 2 Abenteurer und einen Elfen, und der war glaub’ ich durchaus glücklich, einen Elfen “geschafft” zu haben. Das vermittelt einem irgendwie auch das Gefühl der Welt, dass Magier und Elfen nicht an jeder Straßenecke stehen, und auch ein Krieger ist in DSA ja durchaus etwas Ritter-ähnliches, Besonderes. So gesehen spiegelt das Erwürfeln die Welt wider.

Positiv überrascht war ich von der Länge der Kämpfe. Ich hatte DSA-Kämpfe als lang in Erinnerung, aber die Orks, Goblins und besessenen Abenteurer, die ich den Spielern in den Weg stellte, waren recht flott Geschichte. Was hier zweifellos dazu beiträgt, ist die Regel des mörderischen Schlags, die auch heute noch eine gute Regel ist, weil sie das Spiel beschleunigt und nicht verkompliziert. Gar nicht schlecht fand ich auch die Bruchfaktor-Regel, die bei jeder Parade (!) gewürfelt wird und den BF eigentlich zum wichtigeren Wert macht. Schade nur, dass die Balance der Waffen so schlecht ist: Das Schwert macht am meisten Schaden von den Einhandwaffen, hat den besten Bruchfaktor und noch dazu keinen AT/PA-Malus. Da ist jeder blöd, der sich einen Kriegshammer nimmt.

Was ich auch nicht mehr wusste: Zaubersprüche gelingen teilweise ohne Würfelwurf. Balsamsalabunde und Armatrutz etwa funktionieren automatisch, nur bei den Save-or-Die-Zaubern werden Würfel gerollt und alle möglichen Stats vermanscht, aber dazu kam’s bei uns gestern nicht. (Unser Elf zog sich auf Fulminictus zurück, um mit 12 ASP einen Ork zu vernichten, der nur noch 2 LP übrig hatte, aber das ist eine andere Geschichte…)

Dieser Punkt ist übrigens im Zusammenhang mit dem Regenerations-Konzept von DSA 1 zu sehen. Dieses lautet nämlich: zipp. Genau. Es gibt keins. Ist das nicht kurios? Keine Regeneration!? Voll krass, aber es hat gepasst: Der Dungeon war plötzlich echt gefährlich, da es keine Möglichkeit gab, sich aufs Ohr zu legen und auf neue LP oder ASP zu hoffen. Was mir als SL sehr gut gefiel, denn solche Aktionen (“Ich hab’ nur 2 ASP, können wir nicht irgendwo mal ein paar Stunden schlafen?”) stören das Pacing.

Ich war natürlich auch als Meister voll retro und habe das Abenteuerkonzept so angelegt, dass auch Fackeln Mangelware sind, in der Hoffnung, dadurch die Charaktere zu einem gewissen “Zug” zu verhalten, und ich muss sagen, es hat auch gewirkt: Sie sind nicht blöd mal da lang, mal hier lang gelaufen, sondern haben sich genau überlegt, wie und in welcher Reihenfolge sie die Kammern abgehen, wie sie Fackeln sparen usw. Gefiel mir sehr gut, aber ich könnte mir vorstellen, dass es nur einmal funktioniert und die Helden ab dem nächsten Abenteuer jeweils 10 Fackeln im Rucksack tragen.

Das führt mich zur Tragkraft. Wir haben auch die Gewichte zusammenaddiert und protokolliert. Der Aufwand war nicht so sehr das Problem (auch wenn keiner der Spieler explizit Spaß dran hatte), aber vor allem die Relevanz: Die Tragkraft in DSA ist so bemessen, dass man sich (zumindest als durchschnittlich berüsteter Held) keine Gedanken über Seile, Fackeln, Proviant etc. machen muss. Das geht sich locker aus, und da wird das Addieren der Unzen bald eine unnötige Geschichte, die nur lästig fällt. Definitiv ein Punkt, den ich bei Destiny Dungeon anders lösen werde.

Gespielt hat sich das Ganze übrigens sehr locker und flüssig. Ich hatte als Meister jede Freiheit und nicht das Gefühl, mir Dinge aus dem Finger saugen zu müssen, die gegen das Regelwerk sind oder sein könnten. Die zwei Schienen – AT/PA versus Eigenschaften – waren kurz mal ein Thema (“Warum kann ich mit Geschick nicht ausweichen?”), aber ansonsten gab’s keine Missverständnisse oder regeltechnische Unwegbarkeiten.

Der gestrige Abend hat mir eines wieder deutlich vor Augen geführt, nämlich dass man ein System keinesfalls nach seinen einzelnen Bestandteilen beurteilen sollte. Mehr als sonst ist bei einem Rollenspiel das Ganze mehr als die Summe der Teile. Erst wenn alle Rädchen ineinander greifen, zeigt sich, ob es gut ist oder schlecht. Und DSA 1 ist definitiv ein gutes System gewesen. Ich sage “gewesen”, weil einfach die Ansprüche – zumindest meine – im Laufe der Zeit gestiegen sind. Ich mag keine unbalancierten Waffen, ich mag keine “höchstens RS:2”-Beschränkungen, ich mag keine Abenteurer spielen, wenn Magier mein Lieblings-Heldentypus sind, keine Dump-Stats wie MUT, und ich möchte mehr Entwicklung sehen als nur hier ein Punkt und da ein Punkt. Das sind Dinge, die für mich nicht (mehr) funktionieren. Aber das Grundsystem ist rund und stimmig und ermöglicht mit wenigen Elementen große Vielfalt. Jetzt weiß ich wieder, warum ich über 15 Jahre DSA gespielt – und geliebt – habe.

Mein Beitrag zur Prä-RPC-Phase

Die RPC 2011 ist in aller Munde, und Rezensionen und Produktankündigungen schießen wie Pilze aus der Erde. Eine schöne Zeit für Rollenspieler! Auch für mich, denn ich habe vor wenigen Tagen Destiny-Beginner veröffentlicht und möchte den heutigen Artikel dazu nutzen, euch selbiges aus einer eher persönlichen Sicht vorzustellen.

CoverDestiny-Beginner ist der kleine Bruder von Destiny. Was ursprünglich eine einfache Light-Version für Einsteiger hätte werden sollen, entwickelte im Laufe der Zeit einen ganz eigenen Charakter und überraschte mich selbst, weshalb ich letztlich ein vollwertiges Produkt daraus machte.

Warum halte ich Destiny-Beginner für einsteigertauglich? Weil man schnell losstarten kann und weil die Mechanik sehr einfach ist, vor allem aber, weil Anfänger ihre eigenen Vorstellungen von Magie und besonderen Fähigkeiten haben und es cool finden, wenn das Regelwerk ihnen die Freiheit gibt, diese auszuleben. In Destiny-Beginner können sie über die Große Gabe jede Fähigkeit, jeden Zauber, jeden Trick im Spiel einbringen. Egal, ob sie sich mit ihrem Falken verständigen, ein Schloss ohne Hilfsmittel knacken, eine Vision zu einem Gegenstand haben, eine Aura der Stille um sich erschaffen oder einen magischen Hieb austeilen wollen – das ist alles möglich, dank der Großen Gabe.

Warum halte ich Destiny-Beginner auch für erfahrene Spieler für interessant? Weil es zwar in traditionellem Gewande daher kommt, aber unter der Haube stecken Konzepte, die aus 25 Jahren Rollenspiel-Erfahrung schöpfen:

  • Archetypen-lose, freie Definition von Charakteren,
  • die Möglichkeit, Gegner durch Manöver oder moralischen Kampf zu besiegen,
  • die Szenenregeneration, die dafür sorgt, dass SCs bis zum Finale des Abenteuers einsatzfähig bleiben und nicht nach drei Encountern auf Rehab gehen müssen,
  • das W66-Würfelsystem, das ein Maximum an Informationen in einen einzigen Wurf packt, um die Meta-Ebene (“Ich hab’ Erfolgswert 4”, “Ich bin 3 drunter”) so weit wie möglich auszuschalten und der Immersion Vorschub zu leisten,
  • keine Werteabhängigkeiten und damit volle Freiheit für den SL bei der Definition seiner NSCs
  • keine Tabellen, keine save-or-die-Effekte u.v.m.
  • universelle Einsetzbarkeit in jedem Fantasy-Setting

Die im Regelwerk quasi als Bonusmaterial enthaltene Stadt Lys Marrah ist freilich auf Einsteiger zugeschnitten. Sie ist eine bunte, vielseitige Kulisse für Abenteuer, die aufgrund ihrer räumlichen Begrenzung ideal für erste Schritte im Rollenspiel ist. Ich habe darauf geachtet, ausreichend Konflikte, Verschwörungen und Plot Hooks einzubauen, die es einem leicht machen sollten, sich hier Abenteuer auszudenken. Die Rassen sind etwas “anders” (allergische Elfen, diskriminierte Zwerge, machtgeile Gnome) und könnten auch den einen oder anderen erfahrenen Spieler anfixen.

Aufwärtskompatibilität gewährleiste ich in jeder Hinsicht: Destiny-Beginner ist getestetermaßen voll kompatibel mit Destiny, d.h. Charaktere beider Systeme können gleichzeitig (!) am Tisch gespielt werden, und auch die Settings passen zusammen, denn Lys Marrah ist eine Stadt im Setting Der Leere Thron, das als “Bonusmaterial” im Regelwerk Destiny enthalten sein wird. Auch dieses wird traditionelle EDO-Fantasy bieten für Einsteiger – und für Umsteiger, die endlich Platz für ihre Abenteuer haben wollen, ohne zuerst mit der Lupe einen freien Fleck auf der Karte suchen zu müssen.

Destiny-Beginner. 52 Seiten, illustriert. Regelwerk, Setting, 3 Abenteuer, Spielleiter-Solo und eine Karte von Lys Marrah. EUR 7,- bei Amazon.de und in Kürze bei Sphärenmeister. EUR 4,70 bei rpgnow.com. 24dpi-Fassung auf aceofdice.com zum kostenlosen Download. Und auf der RPC bei Markus von Ludus Leonis, meinem Partner vor Ort (Indie-Insel).

Eigenwerbung Ende. 🙂 Viel Spaß auf der RPC!

DD#09: Rasse und Klasse oder Rasse als Klasse?

Bisher entwickelte ich meine Spiele hauptsächlich nach der Prämisse: Jeder soll alles können können und nicht durch Archetypen eingeschränkt werden. Bei Destiny kann man etwa seine Attribute frei wählen, man sucht sich dann ganz flexibel Talente zusammen und kann so (wenn man will) auch schwache Krieger oder zauberkräftige Diebe verkörpern. Der Spieler hat die Freiheit, alles zu verkörpern, vom Henker über den Schmied bis zum geisteskranken religiösen Fanatiker. Freilich liegt die Verantwortung, “sinnvolle” Figuren zu bauen, auch beim Spieler.

Dieser “reife” Ansatz resultiert vor allem aus den langen Jahren DSA, in denen wir alle verfügbaren Heldentypen tot spielten und endlich andere spielen wollten, auf deren Konzepte der numerus clausus an Archetypen jedoch nicht passen wollte. Jetzt, in Destiny Dungeon, aber stehe ich vor einem Umdenken: Old-school bedeutet für mich, dass sich Charaktere traditionellen Herausforderungen widmen, und ich möchte in Destiny-Dungeon nicht den Anschein erwecken, man könne jede Art von SC erschaffen, aber ohnehin nur ein kleiner Teil davon hätte eine realistische Chance, sich einzubringen bzw. zu überleben. Freilich könnte ich diese Wertigkeit auch in die Hände der Spieler legen, aber für mich ist das nicht Old-School. Ergo: Archetypen müssen wieder her.

Und da stehe ich nun und frage mich: Wie bilde ich Rassen ab? Ich habe gestern mit meinem Chef-Analytiker ein bisschen darüber sinniert und einige Varianten durchgespielt. Ich komme immer wieder zu dem Punkt, den ich bei DSA immer verteufelt hatte, nämlich, dass es durchaus Sinn macht, Rassen als Klassen anzubieten. Man erinnere sich: Buch der Regeln, Kapitel Heldentypen, da gab’s Magier, Krieger, Abenteurer, Elf und Zwerg. Der Vorteil dieser Variante, von der ich immer dachte, hier würden Äpfel und Birnen gemischt, ist nicht so offensichtlich: Hier werden nicht etwa unzulässigerweise Berufe und Rassen vermischt, hier werden Pakete geschnürt. Sinnvolle, unterscheidbare Pakete, die sich auf das Wesentliche, eben Archetypische beschränken. Mag sein, dass es irgendwo tief in den Bergen einen Zwergenmagier gibt, aber wie typisch ist er für die Rasse und welche Berechtigung hat er, als SC ins Spiel zu treten und das Bild, das die Spieler von den Zwergen haben, zu prägen?

Vor allem, was ist die Alternative? Ich könnte á la AD&D zwei Dimensionen einführen (Rassen, Klassen), aber dann müsste ich erst wieder künstliche Beschränkungen aufziehen (keine Barbaren-Elfen, keine Magier-Zwerge…) oder aber wir sind wieder bei dem Punkt, dass es in der Verantwortung des Spieler liegt, sinnvolle Kombis zu wählen; und sobald das der Fall ist, brauche ich gar keine Archetypen mehr.

Ich tendiere also zur Zeit sehr dazu, die Rassen in Istarea als Archetypen abzubilden und nicht über oder unter, sondern neben die klassischen “Berufe” Krieger, Magier, Waldläufer usw. zu stellen. Freilich müssen sie in dieser Form breit genug angelegt werden, dass man als Spieler ausreichend Gestaltungsspielraum hat.

Aber was meint ihr? Rasse und Klasse als zwei unabhängige Dimensionen, oder Rasse als Klasse?