HeldenCON 2011 oder: Schlaflos in Marchtrenk

Am Sonntag war im oberösterreichischen Marchtrenk der HeldenCON 2011 (Impressionen hier), veranstaltet vom Verein Halle der Helden, und ich muss sagen, ich war sehr beeindruckt. Die Location war gut gewählt, geräumig und übersichtlich zugleich, hell und gut durchlüftet, und insgesamt herrschte eine gute Stimmung vor. Die Orga hat alle Register gezogen, massenweise Sponsoren aufgegabelt und wirklich etwas auf die Beine gestellt. Respekt!

Für mich war der HeldenCON 2011 eine Grenzerfahrung. Alles begann nämlich damit, dass ich in der Nacht von Samstag auf Sonntag heiße 2 Stunden Schlaf hatte. Nach 1.00 Uhr war aus mit Schlafen, und mich packte eine unerklärliche innere Unruhe, die es in sich hatte. Nachdem ich dann um 5.30 endlich einschlief und um 5.40 mit dem Albtraum einer riesigen, hässlichen Taube vor meinem Gesicht wieder aufwachte, begrub ich jede Hoffnung auf Schlaf in dieser Nacht und ging duschen. Anschließend kurz gefrühstückt und eine Viertelstunde meditiert. Das mache ich sonst nicht, aber es war die einzige Chance, innerhalb kurzer Zeit zu jener Frische zu kommen, die ich für die Fahrt brauchte.

Ich war nämlich Freunden im Wort, sie mit dem Auto mitzunehmen, weshalb nochmal aufs Ohr Hauen und später zum Con Fahren keine Option war. Ich tat also so, als wäre ich erfrischt und ausgeruht und holte meine Freunde (Supporter Mr. Shadowrun und Mr. Cthulhu sowie seine Freundin) ab. Schneller als uns GoogleMaps vorausgesagt hatte, kamen wir schließlich – zum Glück lebend – in Marchtrenk an.

Nun waren ca. 8 Stunden Stehzeit am AceOfDice-Tisch angesagt. Da ich darum gebeten hatte, neben dem TRiAS/NIP’AJIN-Tisch positioniert zu werden, hatte ich dort einen alten Freund, mit dem ich gut plauderte, während sich gerade keiner zu unseren Tischen verirrte. Destiny Beginner-Runden waren für 14.00 Uhr und 16.00 terminisiert, aber – und das war der einzig negative Punkt – die Demo-Runden-Anmeldung war irgendwie unintuitiv und unübersichtlich; die Leute wurden auf das Angebot an Runden offenbar gar nicht richtig aufmerksam. Wir klebten daher Zetteln (“Zur Runde um 14.00 HIER!” u.ä.) an Wände und Türstöcke, wodurch zumindest ich ein paar Interessenten für Destiny Beginner um 16.00 gewinnen konnte, doch dazu kam es dann nicht denn:

Unverhofft kommt oft: Um ca. 14.30 verirrten sich vier 11-jährige Jungs zu meinem Tisch. Die fanden anscheinend das Destiny Beginner Cover irgendwie cool, und als ich ein bisschen von Lys Marrah erzählte und dass man da alles spielen kann, was man will einschließlich Minotauren und so, waren sie ganz Feuer und Flamme. Ich lud sie ein, sich hinzusetzen und mit mir Charaktere zu erstellen. Ihre Vorkenntnisse waren gering bis nicht vorhanden, aber sie fanden sich so schnell ein, als wäre Rollenspielen das Natürlichste auf der Welt. Wenn ich daran denke, dass ich meiner Großtante bis zum heutigen Tag nicht erklären konnte, was Rollenspiel eigentlich ist…

Weil die Kids so begeistert waren, leitete ich gleich ein kleines Abenteuer. Meine vorbereiteten Szenarien ließ ich im Rucksack und improvisierte etwas mit weniger Story und mehr Flash – eben für 11-jährige: Es galt einen Jungen zu finden, der in der Nähe einer Höhle gespielt hatte, nun aber verschwunden war. In der Höhle ging echt die Post ab: Die Jungs teleportierten sich und einander in der Gegend herum, schwebten über verzaubertes Wasser, deaktivierten magische Feuerglyphen, horchten Fledermäuse aus, kämpften gegen Goblins (einen zerrten sie mit Telekinese aus seinem Versteck – sehr cool!) und besiegten einen Höhlenkraken (“Hey, ich schlag’ auf das kleinere Aug’. Das weiß doch jeder, dass die Schwachstelle immer klein ist!”) nahe einer Insel, wo der Junge saß. Doch leider war das eine fiese Nymphe in Verkleidung, die die SCs nur benutzt hatte, den Kraken loszuwerden. Um den Jungen zu finden, mussten sie jetzt noch einen Ring aus dem See bergen, wofür sich einer von ihnen in einen Fisch verwandelte. Danach ab durch einen geheimen Tunnel und voilá, der Junge war gefunden. Man levitierte gemeinsam einen Schacht nach oben ins Freie und freute sich ob der 20 Gold aus der Dorfkassa. Überraschend für mich: Die Belohnung in ganz normale Ausrüstungsgegenstände zu investieren, war der absolute Renner! Die Jungs gingen die Preisliste durch und kauften alles, von “Rucksack, Leder-” über “Analyse” bis hin zu “Monatseinkommen”.

À propos Preis: Weil die Mutter des einen Jungen den Preis für Destiny Beginner nicht aufbringen wollte (sie zierte sich und meinte, er würde es eh nicht lesen), schenkte ich ihm einfach ein Exemplar, und den anderen überließ ich das Ansichtsexemplar. Die Kinder hatten solche Freude am Spiel gehabt, und zu sehen, wie sich eine neue Generation von Spielern für das Genre begeistert, ist mir hunderttausendmal mehr wert als meine Verkaufsstatistik.

Nachdem die Kids gingen, kamen noch ein paar Interessenten (u.a. jene, die sich für 16.00 eingetragen, aber dann verspätet hatten, weshalb ich mit den Kids einfach durchmachte), und ich wurde noch Exemplare los, was mich natürlich freute. Leider fiel mir dann wieder ein, wie wenig ich geschlafen hatte, und trotz Zombie-Energydrink und mehrfacher Dosis Coke Zero merkte ich, dass das Adrenalin allmählich nachließ und die Müdigkeit überhand nahm. Wir brachen daher sehr pünktlich wieder auf und plauderten sehr nett im Auto über alle möglichen Systeme (die hier im Blog hoffentlich noch von paradroid rezensiert werden), ehe wir heil in Wien ankamen und ich todmüde ins Bett fiel. Mit einem Lächeln im Gesicht.

Fußnote: Heute blieb ich im Krankenstand.

Rezension: Dread

Als Gastbeitrag bzw. mein Einstand auf diesem Blog im Folgenden eine Rezension des amerikanischen Indie-Horror-Rollenspiels “Dread”.

Die so genannten Indie-Rollenspiele sind im deutschsprachigen Raum immer noch ein Randphänomen. Ein Grund dafür ist sicher die Sprachbarriere, denn wenn von einem solchen Spiel weltweit gerade mal ein paar tausend Stück abgesetzt werden, ist eine Übersetzung maximal Liebhaberei. Der zweite Grund liegt allerdings bei den Spielern und Spielleitern selbst, von denen sich viele das gut eingelernte Bild dessen, was ein „richtiges“ Rollenspiel ist und was nicht, ungern stören lassen. Indie-Rollenspiele wollen aber genau das: Die Konventionen identifizieren, sie prüfen und gelegentlich auch mal auf den Kopf stellen.

Ein Blick auf den Spieltisch genügt, um zu sehen, dass „Dread“ kein traditionelles Rollenspiel ist. Es gibt zwar einen Spielleiter, aber keine Würfel. Stattdessen steht ein Jenga-Turm in der Mitte des Tisches. Mindestens so radikal anders sind die Charakterbögen: Auf ihnen stehen keine Zahlenwerte, sondern nur ein Fragenkatalog mit ausformulierten Antworten.

Die Regeln sind schnell erklärt und finden sich fast zur Gänze in der PDF-Preview auf http://www.tiltingatwindmills.net . Wenn bei einem traditionelleren Rollenspiel Fertigkeitswürfe anstehen würden, ziehen die Spieler bei Dread ein Holzklötzchen aus dem Jengaturm. Oder auch mal zwei oder drei, wenn es hart auf hart geht. Bleibt der Turm dabei stehen, gelingt die Aktion. Fällt der Turm um, ist der betreffende Charakter aus dem Spiel: er fällt in Ohnmacht, wird von Zombies zerfetzt, aus dem Flugzeug geschleudert, erwacht aus dem Traum – je nachdem, in was in der Story gerade passend ist. Der Spieler kann seinen Zug jederzeit abbrechen und ihn auch ganz verweigern, nimmt dabei aber in Kauf, dass seine Aktion misslingt. Sein Charakter kann aber auf diese Art niemals sterben. Ganz reizvoll ist auch die Option, den Turm freiwillig umzuwerfen: Der Charakter opfert sich dann für die anderen, die danach wieder einen neu aufgebauten, wesentlich stabileren Turm haben.

Nicht ziehen müssen die Spieler dann, wenn ihr Charakter eine Fertigkeit beherrscht. Womit wir beim Charakterblatt wären, auf dem keine Fertigkeiten stehen. Oder eben doch. Die Charaktergenerierung von Dread ist mindestens so interessant wie die Mechanik des Jengaturms. Viele klassische Systeme bieten Fragebögen für die Erstellung des Charakterhintergrundes an, die Antworten der Spieler haben aber meistens keine spieltechnischen Konsequenzen. Es zählen nur die Zahlen. Dread dreht diese Tradition auf den Kopf. Es gibt hier nur den Fragebogen und es zählen nur die Antworten. Wer also auf die Frage „Warum glaubst du, dass du regelrecht für den Polizistenberuf geboren wurdest?“ mit diversen Details zu Schießständen antwortet, wird bei einem normalen Schusswechsel auch treffen. Die meisten Fragen auf einem Dread-Fragebogen sind hochgradig suggestiv – sie geben durch die Art der Fragestellung schon einiges vor. Die Frage ist also nicht, ob der Charakter ein Polizist ist, sondern welche Art von Polizist. So kann der Spielleiter die Charaktere in gewisse Richtungen lenken, Verbindungen und Konflikte zwischen den Charakteren herstellen und den Spielern gleichzeitig Stoff für kreative Ideen liefern. Dread fragt also nicht „Wie stehst du zu deinen Eltern?“, sondern „Was ist an jenem Abend passiert, also du deinen Vater das letzte Mal vor seinem Tod gesehen hast?“. Das Regelbuch beschreibt sehr detailliert, wie solche Fragebögen zusammengestellt sein sollten, damit spannende und spielbare Charaktere dabei herauskommen und liefert als Fußzeile durch das ganze Buch durchlaufend unzählige Beispielfragen.

So weit, so einfach. Mehr Regelmaterial gibt es nicht für Dread, und im Prinzip könnten die geneigten Blogleser damit schon losspielen. Die Anschaffung des Buchs lohnt sich trotzdem, denn ein gelungenes Dread-Spiel hängt weniger von Regelkenntnissen als von einem guten Gefühl für Genre, Charaktere, Plot, Spannung und Timing ab. Der Großteil des Buches erzählt davon, wie Spielleiter und Spieler gemeinsam einen nervenaufreibenden Abend gestalten können. Nicht zuletzt sind auch drei fertig ausgearbeitete Szenarien enthalten, was hier vor allem heißt: fertige Fragebögen und ein loses Plot-Konstrukt in drei Akten.

Schon nach dem ersten Testspiel kann ich sagen: Dread ist, so einfach es scheint, ein zutiefst durchdachtes Spiel und funktioniert auf allen Ebenen. Für einen kurzen Horror-One-Shot gibt es kaum ein anderes Spiel, das für so viel Spannung am Tisch sorgt. Da wäre zunächst einmal die Metapher des Jengaturms. Bei jedem Zug ist die Anspannung physisch spürbar, und der immer wackeliger werdende Turm in der Mitte des Tisches ist eine ständige Erinnerung daran, dass der eigene Charakter ständig nur einen zuckenden Zeigefinger vom Tod entfernt ist. Die bedrohliche Stimmung, die für Horror-Rollenspiel so wichtig ist und ebenso oft unter den Tisch fällt, ist bei Dread Teil des Systems. Voraussetzung für guten Horror ist auch eine hohe Identifikation der Spieler mit ihren Charakteren, und da leistet der suggestive Fragebogen Großartiges. Bei unserer Testrunde sind fünf unverwechselbare, verwundbare, teils gebrochene, aber auch hoffnungsvolle Charaktere entstanden, die jeden Spieler, der kein reiner Powergamer ist, begeistern würden. Mit anderen Worten: Jedes Spielelement von Dread ist auf das Horrorgenre perfekt abgestimmt, dass von Spannung, bedrohlicher Atmosphäre und guten Charakteren lebt.

Dennoch spielt sich Dread nicht von selbst. Ich würde sogar sagen, es ist ein recht anspruchsvolles Spiel. Es wird dann am besten funktionieren, wenn der Spielleiter ein gutes Gefühl für Charaktere, Spannungsbögen und Timing hat und die Spieler Spaß daran haben, ihre Charakterhintergründe und eventuelle Konflikte mit anderen Spielercharakteren auszuspielen. Da kann auch einiges schiefgehen. So könnten zittrige Finger den Turm viel zu früh im Plot umwerfen, oder aber die Spieler drücken sich vor jedem Zug und tänzeln verwundet um die Handlung herum. Die Spieler könnten ihre Hintergründe ignorieren und à la klassische Abenteurergruppe durch den Plot walzen. Beim Spielleiter ist auch viel Improvisationstalent und gutes Augenmaß für die Anzahl von Zügen im Spiel gefragt. Wenn sich aber alle Beteiligten auf das Spiel einlassen, werden diese theoretischen Probleme gar nicht erst auftauchen, weil die Grundmechaniken von Dread dem entgegenwirken.

Wer also das Genre Horror mag und einem gelegentlichen Ausflug in die Welt der Indie-Rollenspiele nicht abgeneigt ist, der sollte Dread auf jeden Fall ausprobieren.

„Dread“, von Epidiah Ravachol und Nathaniel Barmore, ist 2004 bei The Impossible Dream erschienen. Näheres dazu unter: http://www.tiltingatwindmills.net/

DD#37 Das alte Lied…

Es war und ist wohl eines der kontroversiellsten Themen: die Erfahrungspunkte-Vergabe. Ich arbeite gerade am Kapitel “Erfahrung”, im konkreten an der Passage, in der geschrieben steht, wofür der Spielleiter seine Spieler mit XP (bei mir: Questpunkte) belohnt. Ich persönlich sehe das mittlerweile eher entspannt und durchaus angebracht, XP mit der Gießkanne an die Gruppe zu vergeben, und keine meiner Runden handhabt es anders, als diese XP dann gleichmäßig nach Köpfen zu verteilen.

Das war allerdings nicht immer so. Ich erinnere mich noch gut an meine von DSA sozialisierte Handhabe, XP (damals “Abenteuerpunkte”) penibel nach “Leistung” vergeben zu haben. Da wurden besondere Spotlights honoriert, geschickte Taktiken, bestandene Gefahren und – heutzutage höchst umstritten – “gutes Rollenspiel”, jenes Unding, in dem sich Spieldisziplin, stimmungsfördernde Aktionen und authentisches Darstellen des eigenen Archetyps widerspiegelten.

Ich kann nicht behaupten, dass ich das damals schlecht fand; es hat den einen oder anderen Spieler tatsächlich motiviert. Aber je älter wir wurden und je mehr wir spielten, desto mehr ging es uns auch auf den Nerv. Manchen mehr als anderen, aber stets aus gutem Grunde, denn wer möchte in seiner Freizeit schon “benotet” werden, wo wir doch in der Schule, im Studium, ja selbst bei Mitarbeitergesprächen ständig irgendwelchen Wertungen ausgesetzt sind.

Nun, da ich umgeben bin von Archetypen, harter Regeneration, Gewichtspunkten und anderen Old-School-Konzepten, kommen mir automatisch diese angestaubten Formulierungen wieder in den Kopf, und ich muss doch tatsächlich aktiv dagegen angehen, sie nicht Eingang in das Destiny Dungeon Regelwerk finden zu lassen. Da soll noch jemand sagen, die Old School-Welle wäre nicht mitreißend…

Initiative von Spielern – zu viel verlangt?

Ich habe mich schon mal, im Tanelorn, laut gefragt, wieviel die Spieler im Vergleich zum Spielleiter aktiv ins Spiel einbringen müssen/können/sollen, um Sinn und Zweck des Rollenspiels gerecht zu werden. Heute werfe ich diese Frage erneut auf, weil sie sich für mich im Zusammenhang mit meiner Stammrunde ein weiteres (letztes) Mal gestellt und beantwortet hat. Zur Vorgeschichte: Ich habe 12 wunderbare Jahre lang geleitet, musste aber feststellen, dass gewisse Abenteuer in meiner Runde nicht funktionierten. Ich stellte z.B. fest, dass (etwas pauschaliert):

  • die SCs vergleichsweise wenig an einander interessiert waren,
  • NSCs notorisch vernachlässigt/ignoriert wurden,
  • taktische Situationen in endlose Debatten und Hypothesen mündeten,
  • die Handlungen der SCs zu 90% reaktiv und nicht proaktiv waren,
  • gerailroadete Abenteuer wesentlich besser ankamen als solche, in denen die SCs die “volle” Handlungsfreiheit hatten (Detektiv-Abenteuer hassten sie überhaupt),
  • ich keine Downtime-Handlungen seitens der SCs erwarten konnte, zumindest nicht im Vorhinein, allenfalls als Nachtrag im Rahmen des Prologs.

Ich sah das jahrelang als Wermutstropfen und meinte, irgend jemand müsse die “Schuld” daran tragen. Wir hatten immer wieder “Krisentreffen”, in denen ich beklagte, dass ich mir als Spielleiter mehr Initiative und Interaktion zwischen Charakteren erwarten würde, aber es nutzte vergleichsweise wenig; gute Vorsätze hielten meistens nicht lange. Selbstkritisch kam ich zum vermeintlichen Fazit, dass alles meine Schuld sei, da ich

  • die Spieler einfach zu sehr mit erzählerischen Dramen “verwöhnt” hatte,
  • zu viel geleitet und die Spieler dadurch zu gewohnheitsmäßigen Konsumenten gemacht hatte,
  • die Interaktion mit NSCs dadurch erschwert hatte, dass ich ihnen in der Vergangenheit zu viele suspekte und intrigante NSCs geschickt hatte,
  • zu sehr auf Story und einen inhaltlich erfüllten Abend Wert gelegt und damit einer Art Effizienzdenken Vorschub geleistet hatte.

Heute beurteile ich die Sache etwas differenzierter und stelle auch die Frage anders. Es geht nicht darum, wieviel sich Spieler einbringen sollten, sondern wieviel sie sich einbringen können. Ich glaube, dass es eine Frage der Mentalität, Spontanität und Kreativität der Spieler ist, ob sie überhaupt in der Lage sind, Initiative zu zeigen. Zumindest für meine Runde bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass niemand Schuld trägt, sondern einfach die persönlichen Stile nicht zusammen gepasst haben. Meine Spieler waren hochgradig analytisch und perfektionistisch, aber sie hätten nie aus der Rolle ihres SC heraus einen Plot aufgerissen, von dem sie nicht wussten oder glaubten, dass er zum Abenteuer gehörte.

Ich glaube, Spieler sollten so viel oder wenig an Initiative einbringen, wie notwendig ist, um die Erwartungen aller Beteiligten zu erfüllen oder zumindest nicht zu enttäuschen. Wenn sie das nicht wollen oder, was wahrscheinlicher ist, nicht können, dann muss man eher an einer anderen Schraube drehen und die konkrete Konstellation von Spielern hinterfragen.

Mein Fazit zum 27.07.2011: Jede Gruppe, die länger mit einander glücklich werden will, scheint gut beraten, entweder aus Gleichgesinnten zu bestehen oder aus einer gesunden Mischung, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden. Ein genauer Blick auf die Spielerpersönlichkeiten ist dabei wesentlich hilfreicher als die titelgebende Frage dieses Artikels. Diese ist ja letztendlich doch nur mit einem “Ja” zu beantworten, da die meisten Spieler ohnedies das geben, was sie geben können und geben wollen. Und mehr kann man nicht verlangen. Macht das irgendwie Sinn?

Geschliffener Dialog vs. Tavernengebrabbel

Obwohl es mittlerweile viele gute Artikel zum Thema “Wie stelle ich meinen SC dar?” gibt, findet man kaum Anleitungen für das Führen von Dialogen. Das ist insofern schade, als Dialoge zwischen SCs einen großen Teil des Rollenspiels am Tisch ausmachen.

Ein offensichtlicher Grund, warum es dafür kaum Ratschläge gibt, ist der, dass man für einen Dialog – höchst erstaunlich – einen Zweiten braucht, und das bedeutet: Dialoge sind hochgradig improvisiert, spontan und dynamisch, noch viel mehr als Handlungen, denn die orientieren sich meist an mehr oder minder vorgegebenen Parametern (Gegenständen im Raum, Farbe der Tunnelwand, Bäume links und rechts…). Dialoge aber können Zeit und Raum transzendieren, sich um die Kindheit der Charaktere ebenso drehen wie um Geschehnisse, die vielleicht gerade an ferrnen Orten stattfinden, oder um das politische System, für das die Charaktere ins Abenteuer ziehen. Wunderbar, oder?

Ja und nein. Zumindest in meinen Runden beobachtete ich, dass die Spieler mit engen Rahmenbedingungen besser klar kamen als mit völlig freiem Handlungsspielraum. Dass sich Dorfabenteuer so gut spielen und Menschen im Supermarkt eher Marmelade kaufen, wenn ihnen 2 Sorten angeboten werden anstelle von 15, werte ich mal als Indiz dafür, dass diese These auf die Mehrheit der Rollenspieler zutrifft. So gesehen wundert es mich nicht, dass viele ungesteuerte Dialoge, die sich einfach so zwischen SCs ergeben, oftmals in uninspiriertes Tavernengebrabbel abgleiten oder am Ende nur die Frage “Wie ist es denn bei euch [Volk] zuhause?” herauskommt.

So überlege ich schon geraume Zeit, wie man Dialoge im Rollenspiel optimieren kann, ob es Techniken oder Tricks gibt, die dabei helfen, dass sich Charaktere interessant, pointiert, informativ und rollentypisch austauschen. Zu diesem Zweck habe ich ein sehr gutes Werk hervorgekramt, das Buch “Schreiben fürs Fernsehen” von Vivien Bronner, die ich übrigens in einer Schreibwerkstätte erleben durfte und schwerstens weiterempfehlen kann. Rollenspiel ist natürlich kein Buch und auch keine Serie, aber Gemeinsamkeiten gibt es: Abenteuer wie auch Geschichten in Buch und Film und Serie lassen uns in fremde Welten und in andere Charaktere eintauchen. Grund genug, da mal reinzuschauen:

Dialog erfüllt drei Funktionen:
1. Dialog charakterisiert den Sprecher.
2. Dialog treibt die Handlung voran und vermittelt Information.
3. Dialog charakterisiert die Welt […] und schafft Rhythmus.

Nun mein Versuch, das irgendwie aufs Rollenspiel umzumünzen: Unter (1) sehe ich den von arkanen Glyphen faselnden Magier, den bei Oroschgur’s Bart fluchenden Zwerg, den salbungsvollen Priester, den lispelnden Dieb usw. Idealerweise sollte die Charakterisierung über das Klischee hinausgehen und etwas über Haltung, Werte und Eigenschaften des Charakters aussagen. Sprechweise, Wortwahl und Intonation, Vorlieben für gewisse Wörter oder Sprachfehler sind wohl ohnedies Stilmittel, die die meisten Rollenspieler nutzen, um ihre Rolle zu verkörpern. Dem ist, glaube ich, wenig hinzuzufügen.

Punkt (2) ist die Antithese zum oben zitierten Tavernengespräch. Nichts gegen Tavernengespräche, die können lustig sein, oder sie können helfen, am Anfang einer Session in den Character hineinzufinden. Sobald aber ein Zweck fehlt und nur halblustig dahingeplänkelt wird, könnten sich alle schön langsam die Frage stellen, ob damit dem Spiel gedient ist. Wenn niemand einen Nutzen aus dem Dialog zieht, dann ist er sehr wahrscheinlich überflüssig und kann eingespart werden. Dialoge sollten zudem pointiert, kurz, prägnant sein. Manche Spieler können das. Sie improvisieren mit wenigen Worten wahrlich filmreife Dialogzeilen. (Ich selbst gehöre leider nicht dazu, aber ich versuche mich zumindest in Kürze zu üben.)

Punkt (3). Unter diesen Punkt (den Rhythmus lassen wir mal außen vor) würde ich alle Bezugnahmen auf die Spielwelt subsumieren. Das Anrufen von Göttern, Trinksprüche, Redewendungen und Metapher aller Arten und Farben, das Ziehen von Vergleichen und Analogien. Dieser Punkt erfordert gute Kenntnis und Identifikation mit dem Setting und dem Subsetting. Er ist auch eine hervorragende Möglichkeit, Spielerwissen in der Runde weiterzugeben. (“Wer ist übrigens dieser Humpfdiwumpf, den Ihr dauernd anruft?” – “Was, ihr kennt Humpfdiwumpf nicht? [Keuch]. Lasst uns eine Pause einlegen, und ich erzähle euch die Legende. Das heißt, [Keuch] sofern uns unser geschätzter Anführer eine Pause zubilligt.” – “[Grummel] Wenn es sein muss, aber haltet euch kürzer als sonst, Zauberer, es wird bald Abend.”). Oder so.

Dialoge sind, wenn man sie wirklich geschliffen hinkriegen will, eine schwierige Sache. Von den 3 Punkten abgesehen, sollten sie auch noch andere Charaktere einbinden, die äußeren Umstände reflektieren, mit Beschreibungen verknüpft werden, Bezug zum aktuellen Geschehen haben, bisher Unbekanntes referieren… – die Liste der Anforderungen ist groß, und dabei hat man nur wenige Zehntelsekunden Zeit für eine geistreiche Dialogzeile. Ist die Forderung nach einem geschliffenen Dialog im Rollenspiel vielleicht fehl am Platze? Ich glaube nicht. Zwar ist kein Rollenspiel schlecht, nur weil die Dialoge nicht filmreif sind. Aber wie an vielen Elementen kann man auch an Dialogführung arbeiten, und wenn dem von einer kritischen Masse von Spielern Bedeutung zugemessen wird, kann das das Rollenspiel in einer Gruppe ungemein bereichern.

Wüstenschinkenklangtapeten

Ich weiß, ich sollte mich eigentlich auf die Entwicklung von Destiny Dungeon konzentrieren, aber mein Hirn braucht auch mal Abwechslung, daher habe ich mich heute zu einer weiteren Episode der Reihe “Inspirierende Filmmusik” entschlossen und dabei festgestellt, dass viele meiner Soundtracks dem Genre “Wüstenschinken” entspringen. Und weil ich es nicht übers Herz gebracht habe, mich für einen Liebling zu entscheiden, habe ich mir gedacht, ich schneide Sequenzen aus mehreren zusammen, um sie euch, falls ihr sie noch nicht kennt, vorzustellen. Da sind sie in (fast) chronologischer Reihenfolge:

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Die erste Sequenz vom großartigen, leider schon verstorbenen Jerry Goldsmith gehört zu dem vergleichsweise wenig bekannten Drama The Wind and the Lion (mit Sean Connery als Berberfürst), das allerdings gar nicht schlecht ist und für mich wesentlich fesselnder war als
Lawrence of Arabia, von dem mich eigentlich nur die überaus bekannte Musik von Maurice Jarre anspricht (der wiederum der Vater von Jean-Michel Jarre ist bzw. war).
Die dritte Sequenz dürfte der Generation 30+ durchaus bekannt sein, es ist das von Mike Batt komponierte Caravans, von dem sogar seinerzeit (Ende der 70er – ouch) eine Version mit etwas mehr Beat in den Radios lief. Den Film hab’ ich leider nie gesehen, ich musste mir aber sagen lassen, dass ich dabei auch nichts versäumt habe.
Etwas getragen und damit dem Charakter der Mini-TV-Serie entsprechend ist das von Ennio Morricone vertonte Secret of the Sahara. Das war in den 80ern, und Andie MacDowell spielte nicht nur im Film, sondern auch in meinen Träumen eine große Rolle. In der Serie gibt’s wirklich Wüste ohne Ende und einige ziemlich gute Szenen, von denen sogar abgebrühte Spielercharaktere noch was lernen können (ich sag’ nur: Schlangenbiss der anderen Art).
Ich springe zur Jahrtausendwende zu The Mummy, ein Meisterwerk des Popcorn-Kinos, bei dem Jerry Goldsmith 24 Jahre (!) nach Wind and the Lion nochmal beweist, dass er mehr Power hat als viele junge Komponisten, gefolgt vom Mumien-Prequel
The Scorpion King, dessen Musik mir wesentlich wohlgefälliger in Erinnerung ist als der Film, obwohl er durchaus seine Momente hatte. Die Musik stammt von John Debney, den man vielleicht von Seaquest und Cutthroat Island kennt. Ich mag ihn, denn er weiß  kraftvollen symphonischen Sound mit modernen Elementen zu verbinden.

Wunderbare Bilder, breite Epen und unvergessliche Klangtapeten. *Seufz* Leider standen meine Spieler nie auf Wüstenzeug, denn ich hätte nur zu gerne mal eine solche Campaign geleitet. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend…

Zwei Herzen…

Nein, heute geht es nicht um den tentakelbewehrten, dreiarmigen Riesen mit den zwei Herzen und den vier Augen, von denen zwei vorne und zwei hinten angebracht sind. Es geht um meine zwei Rollenspielherzen, die in meiner Brust schlagen, wenn es um die Frage geht, mit welcher Art von Campaign ich mich wohl fühle. Ausgelöst durch eine Diskussion in meiner Stammrunde, die – nach 10 Jahren Araclia und Destiny – nun zu neuen Ufern aufbrechen soll, um neue rollenspielerische Weiten zu erkunden.

Mein Herz #1 schlägt dafür, neue Spiele auszuprobieren, mal was gänzlich anderes als das Bisherige zu spielen, den Horizont zu erweitern, ein neues Spielgefühl zu entwickeln. Campaigns wie Hollow Earth Expedition, die uns gerade beschäftigt, aber auch so etwas wie 50 Fathoms, vielleicht ein paar Wochen lang Fiasco, danach eventuell mal was Science-Fiction-Mäßiges (obwohl ich da noch kein System gefunden habe, das mich wirklich ansprechen würde). Das ist schon aus Spieldesigner-Sicht total wichtig, sich mit anderen Mechanismen, seien sie genial oder sperrig, auseinander zu setzen, aber auch als Spieler juckt es mich einfach, Neues in praxi kennenzulernen.

Leider gibt es auch noch mein Herz #2, das mit Herz #1 nicht im Gleichklang schlagen mag. Geprägt durch jahrelanges DSA in der Prä-Borbarad-Phase, gelüstet es mich nach einer Fantasy-Runde Marke Endlosspiel oder, wie wir es neulich nannten: ein “Heimkehrer-Setting“, das man wirklich gut kennen lernt, mit dem man sich nach vielen vielen Abenteuern identifiziert, wo man auch mal eine Örtlichkeit oder Persönlichkeit ein zweites oder drittes Mal trifft und Querverbindungen zu früheren Abenteuern ziehen kann. Etwas, wo man das eigene Rollenspiel mit Traditionen und liebevollen Details bereichern kann und vor allem: eine Campaign, in der ich einen Character endlich einmal über die 7. Stufe hinaus spielen kann und eine echte Entwicklung spüre, ehe die Runde versumpft und man wieder zu etwas anderem wechselt. Das von unserer Runde ausgiebig gespielte Araclia (Release vermutlich Ende dieses Jahres) wäre ein solches Heimkehrer-Setting gewesen, allerdings möchte ich niemandem zumuten, Campaigns in Araclia zu leiten, wenn ich – der Erfinder der Welt – am Tisch sitze. Ergo müssen wir uns nach etwas Anderem umschauen, in dem wir alle den gleichen Wissensstand haben und das uns system-mäßig zusagt (D&D tut das übrigens nicht). Destination daher bis dato ungewiss.

Formell haben wir jedenfalls einen Weg gefunden, beide Herzen zu befriedigen: Unsere zweiwöchentlich am Sonntag stattfindende Runde wird nun abwechselnd das eine und das andere spielen. Quasi zwei Sub-Runden, eine mit frischen Kurzcampaigns á 6-10 Sessions, und eine Heimkehrer-Campaign. Nachteil: Zwischen den Abenteuern vergeht mehr Zeit als bisher, und man spielt halt zwei Campaigns zur selben Zeit. Wir werden natürlich darauf achten, dass sich die Settings stilistisch stark unterscheiden, damit man nicht Gefahr läuft, Plots oder Charaktere durcheinander zu bringen.

So, jetzt kennt ihr meine zwei Spielerherzen, und vielleicht entdeckt ihr ja auch ein zweites oder gar drittes bei euch. Und solltet ihr uns ein Fantasy-Heimkehrer-Setting empfehlen können, nichts wie her damit!

Ideenfindung im Grünen

Alle Schreibwerkstätten und einschlägigen Bücher raten kreativ Schaffenden, Pausen zu machen, spazieren zu gehen, Sport zu treiben etc. Ich selbst habe das lange Zeit nicht verstanden und mir lieber krampfhaft Worte am Computer abgerungen als einen Fuß vor die Tür zu setzen. Wie bei allen Effekten, die man nicht messen kann, befürchtete ich auch hier, dass ich nur Zeit verschwenden würde, die mir letztendlich anderswo abging.

Zumindest im Sommer halte ich es mittlerweile konsequent anders: Ich nutze die Tatsache, dass wir ein Naherholungsgebiet vor der Tür haben, und verbringe so viel Zeit wie möglich in der freien Natur. In den letzten drei Tagen war das Wetter schön und ich so produktiv wie selten zuvor: Die NSCs sind fertig, die Gruppierungen sind fertig, die Städtebeschreibungen sind fertig, und ca. ein Viertel der abenteuerlichen Locations aka “Dungeons” sind konzeptionell auch fertig. Ich gehe dabei in 3 Stufen vor:

  • Stufe 1 ist die Ideenfindung. Ich sitze auf der Terrasse eines Schutzhauses mit Blick ins Grüne (siehe Foto) und habe ein Notizbuch bei mir. Ich nehme mir ein Thema vor, z.B. was fällt mir zu den Ayasyel-Ruinen ein?, und notiere mir Namen, spieltechnische Details, verbindende Elemente, Plot Hooks etc. Da ich nicht alles immer im Kopf habe, schaue ich Details, die ich bereits festgelegt habe, via Handy in meinem Arbeits-Wiki nach und kehre dann wieder zum Notizbuch zurück. Dazwischen schlürfe ich Kaffee und beobachte die Menschen und ihre Geschichten um mich herum.
  • Stufe 2 ist die Strukturierungsphase. Ich tippe all diese Ideen in mein Arbeits-Wiki, damit sie für mich überall elektronisch verfügbar sind. Meistens als Aufzählungspunkte, die ich bereits thematisch aneinander reihe. Das sieht dann wie im nebenstehenden Screenshot aus. Das mache ich meistens noch am selben Tag; weil es eher eine stupide Sache ist, eher am späten Abend.
  • Stufe 3 ist die Textierung. Ich verwandle die Punkte in einen Fließtext. Das Formulieren und kausale Verknüpfen der Elemente hilft mir dabei, die weniger tollen oder unpassenden Ideen zu erkennen. Ich streiche sie dann einfach adhoc, sie fließen also in den Text nicht ein. Wenn ich merke, dass noch Punkte fehlen, füge ich mir ein To-Do hinzu, über das ich zu gegebener Zeit nochmal nachdenke. Diese Phase ist ebenso zeitaufwändig wie Phase 1, braucht aber wesentlich mehr Konzentration, weil das ganze ja auch sprachlich attraktiv und präzise sein soll und vor allem so rüberkommen soll, wie ich mir die Elemente vorstelle. Und unterhaltsam sollte sich das ganze auch noch lesen, mit einer homöopathischen Dosis Humor bzw. Ironie.

Später, wenn all das ins Layout-Programm wandert, sehe ich erst, ob ich noch Platz zu befüllen habe oder Texte kürzen oder, wie ich immer sage: “eindampfen” muss. Aber das gehört nicht mehr zum kreativen Prozess (macht auch nicht wirklich Spaß) und soll daher nicht Gegenstand dieses Artikels sein.

Natürlich hat jeder seinen eigenen kreativen Prozess, aber ich hoffe, hiermit dem einen oder anderen Schreiberling unter euch Lust auf “draußen” gemacht zu haben.

Freundschaften im Rollenspiel

Ein Thema, das mir in letzter Zeit öfters begegnet ist (z.B. im Tanelorn), dreht sich um die Frage, inwieweit Rollenspiel ein Hobby für Freunde ist, sein muss oder sein kann, oder ob es gar eine Zweckgemeinschaft ist, bei der die persönliche Bindung zu den Anwesenden in den Hintergrund tritt.

Zum Beispiel bemerke ich, wenn ich darüber nachdenke, dass ich alle zwei Sonntage die Mitglieder meiner Runde treffe und mit ihnen spiele, aber im Grunde genommen keine Ahnung habe, was die Leute in ihrem Leben so tun und treiben. Einen von ihnen kenne ich seit 26 Jahren, und doch erfuhr ich erst nach vielen Monaten, dass er eine Ausbildung zum Masseur macht. Traurig aber wahr: Über seinen SC wusste ich mehr!
Auch bemerke ich, dass die Leute unterschiedliche Zielsetzungen in die Runde einbringen. Einer meinte unlängst, für ihn sei die Runde wichtig, aber das Wichtigste sei ihm das Spiel selbst; ich habe ihn so verstanden, dass es ihm für ein positives Spielerlebnis weitgehend egal ist, mit wem er da am Tisch sitzt.
Ein Blick auf das Beziehungsgeflecht meiner Sonntagsrunde zeigt auch, dass manche untereinander wirklich Freunde geworden sind und sogar mit einander in Urlaub fahren etc., andere wiederum nicht einmal Telefonnummern getauscht haben.

Für mich ist Rollenspiel in zwischenmenschlicher Hinsicht wirklich etwas Paradoxes. Auf der einen Seite sind die Spieler wie in wenigen anderen Hobbies eng mit einander verknüpft – man muss ja doch aus sich heraus gehen, sich öffnen, auf die anderen eingehen usw. -, auf der anderen Seite hat all das nichts mit den Spielern per se zu tun, ihrem wahren Leben, ihren Bedürfnissen, ihren Ängsten, Sorgen, Wünschen, Träumen.

Gestern hatte ich wieder das Glück und Privileg, für die Mädelsrunde leiten zu dürfen, und was ich wirklich nett fand, war, dass sie sich die Zeit nahmen, um mit einander abend zu essen und zu plaudern. Erst danach starteten wir ins Abenteuer. Ja, das kostete Zeit, und das Abenteuer wurde auch nicht fertig an dem Abend, aber dafür hatte man das Gefühl, sich in einem Kreis von Freunden zu befinden, die als solche auch abseits des Rollenspiels existieren. Für mich deutlich befriedigender als ein dramatisch hochspannender Abend mit “Fremden”.

Im Tanelorn gibt es mittlerweile zahlreiche Erfahrungsberichte und Meinungen zu diesem Thema, und ich selbst habe dort mein Fazit bereits von mir gegeben: Ich denke, Rollenspiel hat per se nichts mit Freundschaft zu tun, sondern ist eigentlich ein ziemlich neutrales Hobby. Ich glaube aber auch, dass es wie ein Katalysator wirkt und Freundschaften schneller wachsen oder zu Ende bringen kann.
Viel stärker hängt meines Erachtens die Qualität der Beziehungen in einer Runde von den beteiligten Menschen ab. Manche von uns schließen schneller Freundschaften, andere eher nicht, manche sind extrovertiert, andere introvertiert, manche kommen, um eine Geschichte zu erleben, andere, um mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Ebenso wenig wie es den typischen Rollenspieler gibt, gibt es das typische Beziehungsgeflecht in einer Rollenspielrunde.

Glücklich können sich jedenfalls jene schätzen, bei denen beides – gutes Rollenspiel und gute Freundschaften – zusammen fällt.

Maths & Magic

Eigentlich sollte dieser Artikel so eine Art Zusammenfassung von gebräuchlichen Würfelmechanismen im Rollenspiel werden, quasi Recherche für mein Projekt 2012. Aber daraus wird wohl (noch) nichts, denn ich bin bei einem faszinierenden Paper hängen geblieben, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Ein Screenshot aus dem PDF zeigt, dass sich all das, was unsere großartigen Charaktere so treiben, auch in Formeln darstellen lässt.

O Schreck, o Graus. Varianz war eines der Dinge, die mich mein Informatik-Studium haben hinschmeißen lassen. (Modula2 war das andere…). Lustige Anekdote am Rande: Maths&Magic war der Arbeitstitel meines ersten Rollenspiels in 1998. Felix und ich ersannen ihn, weil die ersten Entwürfe in der Tat sehr formelintensiv waren. Das Projekt erblickte nie das Licht der Welt. Schade, denn bei dem Titel wäre es wohl der Klick-Hit schlechthin geworden.

Apropos Klicks: Mein Krull-Special hat meine Zugriffsstatistik ordentlich in die Höhe schießen lassen. Ich denke, ich werd’ eine Serie daraus machen und hier noch weitere Audio-Tipps bringen. Schönes Wochenende!